Einsamkeit

Der Stress des Alltags klingt in mir nach – Hektik, Stimmengewirr, laute Geräusche, viele Menschen und vor allem der Straßenverkehr. Sitze im Café, nur Entspannung, will sich einfach nicht einstellen. Beobachte die Menschen an den Nachbartischen, da ist die Mutter mit ihrem Kind, das nörgelt und heult. Bei ihr liegen die Nerven blank und ich erwarte jeden Moment ihren Ausbruch. Auf einmal gesellt sich wohl ihr Mann dazu und ich sehe ihr an wie erleichtert sie ist, auch das Kind lacht ihn an und ist wie verwandelt.
Dann am Tisch gegenüber das Ältere Paar, sie scheinen ihren Aufenthalt im Café zu genießen, sitzen vollkommen entspannt auf den Stühlen, unterhalten sich angeregt, schauen sich dabei in die Augen – zwei die sich verstehen. Ein paar Tische weiter der Mann, in dem Stuhl zurückgelehnt, die Beine von sich gestreckt, blinzelt er in die Sonne, ab und zu einen Schluck Cappuccino zu sich nehmend. Er lässt sich von den vorbei laufenden Fußgängern nicht stören – beneidenswert!
Langsam, werde auch ich ruhiger, beginne abzuschalten, finde mich im geliebten Wald wieder – fange an zu träumen. Dieses eine verlängerte Wochenende im letzten Sommer – wie sehr habe ich es genossen. Durch Bekannte konnte ich es in einer Waldhütte verbringen, brauchte einfach einmal eine Zeit für mich, nach der Trennung von Ihm. Alleine, das war ich eigentlich noch nie vorher, schon ein komisches Gefühl, das mich auch auf der Fahrt dorthin beschlich. Nach der Ankunft, die Hütte erkundet, die Einkäufe verstaut und die Tasche ausgepackt.
Es war früher Nachmittag, die Sonne blinzelte durch die Blätter der Bäume, vereinzelt sah es so aus, als wenn sie einen Weg zeigen wollte. So ging ich den Weg ihrer Strahlen, mitten durch den Wald, stieg über umgefallene Baumstämme, mitten durch dichtes Gestrüpp und fand einen verwunschenen Platz. Ein kleiner Teich, umgeben von Wildblumen und hohen Bäumen, den Geruch, ich kann ihn nicht beschreiben – so frisch und doch so alt. Habe lange Zeit einfach nur so da gestanden und mir das Spiel der Sonnenstrahlen auf dem Teich angesehen. Fühlte mich geborgen, beschützt – angekommen. Merkte es wurde Zeit zur Hütte zurück zugehen, solange mir die Sonne noch den Weg wies.
Nachdem Abendessen, da fing es an - Alleine! Keinen zum Reden, kein Fernsehen, kein Radio, nur die Petroleumlampe und ein paar Kerzen. So einsam und verlassen, hatte ich mich noch nie gefühlt, darum ging ich früh zu Bett und verkroch mich in die Kissen. Das sanfte Sonnenlicht weckte mich am frühen Morgen. Immer noch dieses schräge Gefühl alleine zu sein…einsam. Sehr fesselnd und beklemmend, da fiel mir ein, wie ich mich am Teich gefühlt hatte. Schnell Ordnung gemacht, kochte auf dem Gasofen einen Kessel Wasser für meinen Tee, packte Thermoskanne, Obst und ein paar Schnitten ein, nahm die Decke und machte mich auf den Weg. Wieder halfen mir die Strahlen der Sonne ihn zu finden. Je näher ich meinem Ziel kam, umso besser fühlte ich mich, entspannte immer mehr, wurde ruhiger und freute mich einfach nur hier im Wald zu sein.
Endlich da war der Teich, suchte einen schönen Platz für meine Decke und ließ mich darauf nieder. Wieder war die ganze Anspannung verschwunden, kein Gedanke mehr von Einsamkeit vorhanden. Lauschte dem sanften Wind in den Bäumen, ab und zu einmal Frosch Gequake, das Surren der Insekten und die glitzernden Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche taten ihr bestes. Machte mir keine Gedanken…nur den, wie friedlich und unsagbar schön es hier war – ich war eins mit diesem Flecken Erde. Da störte es noch nicht einmal, dass die Ameisen auch ein paar Krummen von meinem Brot wollten, oder ein toter Käfer abtransportiert wurde…eben die Gesetzmäßigkeiten der Natur. Brauchte keine Beschäftigung, kein Reden, einfach nur wunderschön, diese Ruhe zu genießen.
Hatte das Gefühl dazu zu gehören, ohne irgendwelche Regeln, Forderungen oder Voraussetzungen erfüllen zu müssen. Diesen Abend in der Hütte, war das Gefühl der Einsamkeit schon nicht mehr so stark vorhanden. Auch den nächsten Morgen, dachte ich kaum in diese Richtung, wollte nur so schnell wie möglich wieder zum Teich. Die Tage vergingen wie im Fluge und die Stunde der Abfahrt kam, nur vorher musste ich meinem Paradies auf Wiedersehen sagen. Es war wie immer, unsagbar schön – auf dem Rückweg zur Hütte überfiel mich die Traurigkeit und mir liefen die Tränen über die Wangen.
Unsanft riss mich die Bedienung aus meinen Erinnerungen, als Sie mich anspricht und fragt “Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Erst jetzt bemerke ich, dass ich weine. Ich bejahe, bezahle und verlasse das Café. Will nur noch alleine sein mit meinen Gedanken. Auf dem nach Hause Weg, komme ich wie immer an dem Park vorbei und suche mir eine einsame versteckte Parkbank, um weiter meinen Gedanken nach zu hängen. Es dauert nicht lange und ich schwelge wieder in meinen Erinnerungen.
Als ich den Schlüssel der Hütte an meine Bekannten übergab, bedankte ich mich und beglückwünschte Sie für dieses traumhafte Stückchen Natur und den tollen Teich. Sie schauten mich irritiert an und fragten mich „Was für ein Teich denn?“ Gut, er war versteckt und ziemlich schwer zu erreichen, deshalb habe ich ihnen den Weg dorthin beschrieben. Sie haben ihn nie gefunden, verkauften ein paar Monate später die Hütte und wanderten aus. Habe versucht wieder zu meinem Paradies zu kommen, aber die Zufahrt zur Hütte war durch ein Tor versperrt und ein „Zutritt verboten“ Schild hing daran. Aus anderen Richtungen konnte ich den Teich im Wald nicht finden. Werde dieses Paradies nie in meinem Leben vergessen, schon gar nicht, wie ich mich dort gefühlt habe.
Schon wieder mit der Ruhe vorbei, ein Pärchen gesellt sich zu mir auf die Bank, verlasse Sie und setze meinen Weg nach Hause fort. Die Gedanken kommen und gehen, weiß nicht was mit mir los ist. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, fühle mich alleine, eben einsam und verlassen. Doch wie kann das sein? Habe viele Menschen um mich - unterhalte mich – telefoniere – schreibe, warum habe ich dann dieses Gefühl? Diese Frage, lässt mich einfach nicht mehr los.
Denke und denke, nach mehreren Tagen, habe ich die Lösung gefunden. In der Natur, kann ich so sein wie ich bin, eben ein Teil von ihr, ohne auf irgendetwas achten zu müssen. Sie gibt mir ihre ganze Schönheit, ihre Stimmen und ihre vielen Gesichter, ohne auch nur das Geringste zu erwarten, kann mich fallen lassen um eins mit ihr zu sein. Wie habe ich am Anfang nur denken können in der Hütte einsam zu sein? Was für ein Irrtum! Klar habe ich gute Freunde, bei denen ich mich auch wohlfühle, die ich nicht missen möchte, die mir viel bedeuten. Trotzdem verhalte ich mich eben anders als dort in meinem Paradies. Es ist einfach zu laut und hektisch hier in der Welt der Menschen, zu viele Regeln, zu viel auf was ich achte, so dass es schwer ist mich selbst und die Natur hören zu können, sich selbst auch genügen zu können. Lasse mich anstecken vom Treiben drum herum, vergesse zum Teil mich selbst. Bin ja nicht immer mit meinen Freunden zusammen, suche mir also ein neues Paradies, in das ich flüchten kann, wenn mich das Gefühl der Einsamkeit überfällt, finde dort wieder zu mir selbst. Hoffe nur, dass wir Menschen genug von diesen Paradiesen über lassen und nicht überall Veränderungen einleiten, die der Natur schaden.
Einsamkeit – Nein, die wird es für mich nicht mehr geben.

Autor:

Brigitte Braun aus Lünen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.