Rolf Abrahamsohn Holocaust Überlebender aus Marl berichtet als Zeitzeuge in der ZDF Dokumentation über die Novemberpogrome 1938

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Neben Günter Lamprecht berichten der Schriftsteller und Journalist Georg Stefan Troller, Sohn eines jüdischen Pelzhändlers in Wien, und Rolf Abrahamsohn, Sohn eines jüdischen Textilhändlers in Marl, wie sie die Novemberpogrome erlebten. Die historische Dokumentation beschreibt die Ereignisse aus dem Blickwinkel von Beteiligten und Beobachtern - auf Seiten von Opfern und Tätern. Beklemmende, teils bisher unveröffentlichte Archivaufnahmen vermitteln ein Bild von Gleichgültigkeit und Zustimmung zu den beispiellosen Vorgängen. Spielszenen geben wieder, was Menschen damals erleiden mussten und wie sie in den Sog der Gewalt gerieten.

Kein Geschichtsdatum im 20. Jahrhundert markiert den Einbruch der Barbarei in die deutsche Gesellschaft stärker als die Novemberpogrome vor 75 Jahren: Auf Geheiß der NS-Führung wurden um den 9. November 1938 herum an die 400 Deutsche erschossen, erschlagen oder in den Tod getrieben, nur weil sie als Juden gebrandmarkt waren. Unbescholtene jüdische Mitmenschen, auch Frauen, Kinder, Greise, wurden gequält und gedemütigt, 30 000 Männer in Konzentrationslager verfrachtet - oft ohne Wiederkehr. Die staatlich angestifteten Täter verwüsteten 1400 jüdische Gotteshäuser und setzten sie in Brand, demolierten und plünderten 7500 Geschäfte. Wie waren derartige Gewaltexzesse gegen Mitbewohner, frühere Arbeitskollegen, Nachbarn in einem zivilisierten Land möglich?
Rolf Abrahamsohn spricht oft aus seinem Leben, spricht von Gewalterfahrungen in der NS-Zeit, von der Ermordung seiner Familie.
„1938 erlebte ich mit meiner Familie die Pogromnacht in meiner Heimatstadt Marl. Unser Haus an der Loestrasse, in dem sich auch unser Geschäft befand, wurde von den Nazis in Brand gesetzt. Mein Vater wurde brutal von SA-Leuten zusammengeschlagen und im brennenden Geschäft zurückgelassen. In letzter Minute konnten wir ihn retten. Mein Vater konnte mit meinem Bruder Hans
kurze Zeit später nach Belgien fliehen, meine Mutter, mein kleiner Bruder Nobert und ich sollten nachkommen. Noch bevor wir das Geld für den Fluchthelfer zusammen hatten, wurden die Grenzen dicht gemacht und so mussten wir zurückbleiben.
Zwei Wochen nach der Pogromnacht mussten wir Marl verlassen, die Stadt wollte ja „judenrein“ werden.

Unser Haus nahm uns die Stadtverwaltung Marl weg, dort zog die NSDAP ein.“

Der Ortsgruppenleiter Becker schrieb damals an den Bürgermeister Willecke:
„Heute konnte die Ortsgruppe Marl der NSDAP ihre neuen Räume im Haus Loestrasse 26 beziehen. Für Ihre tatkräftige Unterstützung, der Partei ein würdiges Heim zu besorgen, spreche ich Ihnen meinen und meiner Mitarbeiter
herzlichen Dank aus. Möge das Haus dazu beitragen, das enge Band zwischen der Amtsverwaltung und der Parteileitung noch enger zu gestalten. Das ist mein aufrichtiger Wunsch beim heutigen Einzug.
Es würde mir eine große Freude sein, Sie recht bald im neuen Heim begrüßen zu können.
Heil Hitler.
Ortsgruppenleiter Becker

Rolf Abrahamsohn und seine Familie wurden ins KZ verschleppt.

Bis heute hat die Stadt Marl Schwierigkeiten, die Leistung die Rolf Abrahamsohn Holocaust Überlebender aus Marl bei der Aufklärung der Bevölkerung über die Verbrechen der Shoa geleistet hat, zu würdigen. Ein Antrag ihm die Stadtplakette zu übereichen wurde monatelang im Stadtrat vom Bürgermeister Arndt nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Die Stadtplakette ist die höchste Auszeichnung der Stadt und wird auf Beschluss des Rates anstelle einer Ehrenbürgerschaft verliehen. Stattdessen bekamen Parteipolitiker von CDU und SPD eine Stadtplakette. Selbst der Antrag der Bürgerliste WIR für Marl, das der Rat sich bei ihm offiziel entschuldigen soll, wurde auf Antrag der Fraktionsvorsitzenden der WG Die Grünen Beate Kühnhenrich abgelehnt.
Der Schauspieler Günter Lamprecht kann es bis heute nicht fassen, was im November 1938 geschah. Als achtjähriger Junge und Sohn eines strammen SA-Mannes in Berlin war er dabei, als das Geschäft eines jüdischen Tabakhändlers geplündert wurde.
Am Dienstag, 5. November 2013, 20.15 Uhr, erläutert und kommentiert Lamprecht die Ereignisse in ungeschönter Offenheit in "ZDFzeit: Nacht über Deutschland - Novemberpogrom 1938" von Peter Hartl und Gordian Maugg.
"Was damals im November 38 wirklich passiert ist, ist mir erst viel, viel später klar geworden. Und geht mir bis heute nicht aus dem Kopf. Gerade, weil ich manche Täter vielleicht selbst gekannt habe", sagt Günter Lamprecht.
http://www.wir-fuer-marl.de/

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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