Rückblick 9. Juni: Fritz-Bauer-Preis 2018 für Hans-Christian Ströbele

Hans-Christian Ströbele

Von Olaf Kosinsky - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62526985
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  • Hans-Christian Ströbele

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Vor einem Jahr  am 9. Juni 2018 fand die Verleihung des Fritz-Bauer-Preises 2018 an Hans-Christian Ströbele statt. Rund 200 Weggefährt*innen, Freunde und Familienmitglieder des Preisträgers waren gekommen, um am Festakt teilzunehmen. Sie erlebten im Kreuzberger Kunsthaus Bethanien einen politischen wie persönlichen Rückblick auf das Lebenswerk des früheren Anwalts und Abgeordneten Ströbele. Um sein umfangreiches Wirken angemessen würdigen zu können, teilten sich Werner Koep-Kerstin und Klaus Eschen die Laudatoren-Aufgabe: Koep-Kerstin resümierte das politische Wirken Ströbeles, während sein früherer Mitstreiter aus dem Sozialistischen Anwaltsbüro, Klaus Eschen, vor allem die anwaltlichen Leistungen würdigte. Die Preisverleihung wurde musikalisch von Ulrike Dinter und Sirid Heuts von Muzet Royal untermalt.

Humanistische Union

Der Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union wurde im Juli 1968, unmittelbar nach dem Tod des Namensgebers, von der Humanistischen Union gestiftet. Mit Fritz Bauer teilt Hans-Christian Ströbele eine zentrale Erfahrung: die Einsicht, wie tief die bundesdeutsche Justiz in die NS-Verbrechen verstrickt war und wie schwer es der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft fiel, sich dieser Verantwortung zu stellen. Für Ströbele war es das Verfahren um einen ehemaligen Richter am Volksgerichtshof, der nachweislich an 231 Todesurteilen mitgewirkt hatte, und dennoch vom Berliner Landgericht freigesprochen wurde – freigesprochen von Ernst-Jürgen Oske, einem seiner Ausbilder. In seiner Dankesrede bezeichnete es Hans-Christian Ströbele als ein Versäumnis, dass er Fritz Bauer zu Lebzeiten nicht kennen gelernt habe.

Christian Ströbele verbrachte seine Jugend in Marl

1946 Schulbesuch in Marl/Westfalen und 1959 Abitur am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Nach dem Abitur 1959 am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Marl leistete Hans-Christian Ströbele zunächst seinen Wehrdienst als Kanonier bei der Luftwaffe in Aurich, lehnte aber die übliche Beförderung zum Gefreiten ab. Nach dem Wehrdienst absolvierte Ströbele ab 1960 ein Studium der Politikwissenschaft und der Rechtswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Freien Universität Berlin, das er mit dem ersten juristischen Staatsexamen beendete. 1969 legte er die zweite juristische Staatsprüfung ab und erhielt die Zulassung als Rechtsanwalt.

Respekt und Anerkennung

Der Vorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin, begründet die Entscheidung: "Mit seiner Unbeirrbarkeit und Hartnäckigkeit in der Aufklärung politischer Misstände, sowie der ihm eigenen Mischung aus politischer Überzeugung, profunder Sachkenntnis und sachlich-freundlichem Auftreten hat er sich auch in Regierungskreisen und unter seinen politischen Gegnern viel Respekt und Anerkennung eingehandelt. Hans-Christian Ströbele ist längst zum Symbol einer unbestechlichen, für die Vielfalt, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einstehenden Politik geworden."

Fritz-Bauer-Preis

Mit dem Fritz-Bauer-Preis würdigt die Humanistische Union herausragende Verdienste um die Humanisierung, Liberalisierung und Demokratisierung des Rechtswesens. Der ideelle Preis wird im Gedenken an Dr. Fritz Bauer, den 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalt und Mitbegründer der Humanistischen Union verliehen. Er hat nicht nur maßgeblich zur juristischen Verfolgung und Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen beigetragen, sondern wichtige Impulse für die Modernisierung des Strafrechts und die Humanisierung des Strafvollzugs gegeben. Der nach ihm benannte Preis wurde von der Humanistischen Union im Juli 1968, zwei Wochen nach dem Tod Fritz Bauers, gestiftet. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten u.a. Gustav Heinemann (1970), Peggy Parnass (1980), Günter Grass (1997), Regine Hildebrandt (2000), Burkhard Hirsch (2006) und Edward J. Snowden (2014).

Dankesrede von Hans-Christian Ströbele

In seiner Dankesrede zeigte sich Hans-Christian Ströbele tief beeindruckt von der Verleihung des Fritz-Bauer-Preises und den vorgetragenen Würdigungen. Lieber als all das Lob wäre ihm aber, wenn man auf das hören würde, was er gesagt hat.
Ströbele verwies dazu auf aktuelle Meldungen aus Afghanistan, wo der frühere Präsident Karsai kürzlich betonte, dass eine politische Lösung des Konflikts die Taliban einbeziehen müsse. Diese Einschätzung teile er bereits seit seiner letzten Reise in das Land, die vor sieben Jahren stattfand. Schon damals hätten ihm Vertreter der Taliban versichert, dass sie bereit sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen und sich an einer politischen Lösung der Konflikte zu beteiligen. Diese Perspektive sei vom Westen jedoch nie ernsthaft verfolgt worden, stattdessen rede die deutsche Bundesverteidigungsministerin nach wie vor von einem Militäreinsatz, der noch mehrere Generationen andauern könne.

Hans-Christian Ströbele ging in seiner Rede auf zwei Erlebnisse ein, die seine Politisierung geprägt haben. Das eine war das bereits angesprochene Verfahren gegen den ehem. Richter des Volksgerichtshofes Hans-Joachim Rehse vor dem Berliner Landgericht. Gegen den skandalösen Freispruch durch einen seiner Ausbilder hatten Ströbele und seine Mitstudent*innen heftig protestiert – nicht nur, weil das Urteil alle Versuche einer rechtlichen Mitverantwortung der damaligen Beteiligten beendete, sondern auch, weil es in ihren Augen eine Form der Klassenjustiz war. Während der am Todesurteil beteiligte Richter freigesprochen wurde, war eine frühere Gestapo-Agentin, die einen der von Rehse später zum Tode Verurteilten (einen katholischer Pfarrer) verraten hatte, zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

"Gesetze sind nicht auf Pergament, sondern auf empfindliche Menschenhaut geschrieben." (Fritz Bauer)

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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