Hamburger Künstler stellt im Kunstmuseum der Stadt Mülheim in der Schloßstraße aus
Stipendiat Julian Reiser (31) wirkte fast ein Jahr im Balkon-Atelier in Schloß Styrum und zeigt das Ergebnis

Besucher bei der Ausstellungseröffnung im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr - Vernissage REAL INJURIES des Hamburger Künstlers Julian Reiser (*1988) | Foto: Mülheimer Kunstverein und Kunstförderverein Rhein-Ruhr KKRR, Ruhrstr.3
  • Besucher bei der Ausstellungseröffnung im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr - Vernissage REAL INJURIES des Hamburger Künstlers Julian Reiser (*1988)
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JR wie er in Fachkreisen genannt wird ist jetzt 31 Jahre alt und hat schnell gemerkt, dass der Kunstmarkt und das ganze Drumherum einer Schlangengrube gleicht – mit seiner Ausstellung „Real Injuries – Echte Verletzungen“ im Kunstmuseum der Stadt Mülheim an der Ruhr warnt er seine studierenden künftigen Künstlerkollegen: „Lernt etwas Richtiges, sonst müsst ihr euch mit Stipendien durchschlagen, um eine vom Markt geforderte Vita aufzubauen und verkauft möglicherweise trotzdem nicht genug um gut leben zu können.“

Der Hamburger Künstler Julian Reiser (*1988) rechnet also noch bevor er richtig begonnen hat, mit dem Kunstmarkt ab, der ihn künftig ernähren soll. In einem öffentlich geförderten Stipendium der Stadt Mülheim an der Ruhr schuf der junge Künstler sein Werk im malerischen Schloß Styrum – einer fröhlichen Kulisse, die eigentlich inspirieren könnte. Jetzt zeigt er sein Schaffen in den letzten Monaten und klagt in seinen Arbeiten die auf ihn zukommenden möglichen Verletzungen an.

Misshandlungen und Exzesse

In seinen drastischen Arbeiten hängen Künstler symbolisch mit dem Kopf nach unten an den Füßen gefesselt. In den Anus werden übergroße breite Stangen gestoßen. Ein martialisches Bild mit dem der junge Künstler auch offenbar seine erfahrenen ersten Enttäuschungen zu verarbeiten sucht.
Reiser hat dabei Zeichnungen mit dem Computer erstellt und diese anschließend im Siebdruckverfahren mit schwarzer Farbe auf rot grundierte kleinformatige Leinwand aufgebracht.

Zusammen mit der Museumsleitung hat Reiser auf der gegenüberliegenden Seite des Ausstellungsraums eine Serie mit dem Titel "Helden" gehängt. Die maskenhaften dunklen mit Farbe überladenen kleinen Leinwände stellen möglicherweise Künstler dar, die die Schmach des Kunstmarktes überlebt haben: Helden.

Stimmt Reiser damit in den Anklagemodus der „Fridays for Future Generation“ ein?
Nein, uns ist Reiser bereits 2014 bei der Ausstellung im Duisburger Kunstverein mit dem Titel „EINHUNDERTUNDFUENFZEHNMALACHTZIGMALDREIKOMMAFUENF“ aufgefallen, damals zusammen mit Nadine Bethke, Fabian Coppenrath, Natali Daniluk, Felicia Maria Dürbusch, Carlo Eggelsmann, Eva Eßer, Malte Frey, Ga Yeon Jo, Maryam Kayanor, Johanna Labo, Seung-ro Lee, Klaus Merkel, Sandra Pulina, Julian Reiser, Vicky Roters, Franziska Sartorius, Lilly Lotta Uebele und Annika Sophie Wanzek.
Danach haben wir im September 2018 seine düsteren belastenden Bilder in der Einzelausstellung „Recurring Dreams and Nightmares“ bei der Ausstellung des Kunstvereins Greven gesehen, die teilweise schwer zu ertragen waren (nackte Männer hocken über Künstlerleinwänden und verbringen ihre Exkremente auf die Leinwand...)  - um so mehr waren wir auf die Vernissage im Museum Temporär gespannt.  

Laudator in Mülheim bläst ins selbe Horn

Auch der Laudator bläst während der Einführung anlässlich der Vernissage ins selbe Horn: „Nur ein verschwindend geringer Promillesatz der Absolventen aller Kunsthochschulen der Welt käme in den Genuss von seinem Gelernten leben zu können."

Auf die Frage an Julian Reiser,ob er während seines Stipendiums das Netzwerk innerhalb der Kunstszene im Ruhrgebiet aktiv genutzt habe – z.B. bei international in den USA agierenden Mülheimer Kunstschaffenden - zuckt dieser die Schultern. Schnell versteckt sich der groß gewachsene Mann mit Vollbart mit verschränkten Armen in der ersten Reihe der eigens zur Vernissage herbeigeschafften hellgrauen Polsterstühle. Damit dreht er seinem künftigen Publikum erstmal den Rücken zu. Ein weiteres Stipendium hat er bereits in der Tasche, das ihn nach Paris führt. Wir dürfen wieder gespannt sein.

Abschreckend für junge Kunstinteressierte

Die frei zugängliche Ausstellung, wurde kuratiert von Simone Schulten, sie ist sicherlich für Kinder nicht geeignet – die Bilder wurden dementsprechend auch hoch genug gehängt, um den jungen Menschen ihre künstlerische Ader nicht gleich im Keim zu ersticken.

Museumsleiterin Beate Reese begrüßte bei der Eröffnung insbesondere die anwesenden Mülheimer Künstlerinnen und Künstler einzeln mit Namen sowie die Vertreter der Stadtverwaltung und die erschienenen ehrenamtlichen MitarbeiterIinnen des Mülheimer Museumsshops die mit ihrem bunten Arrangement im Eingangsbereich des tollen MUSEUM TEMPORÄR ein farbenfrohes fröhliches Bild als Kontrast zur gesellschaftskritischen Ausstellung vermitteln.

Noch bis zum 8. März 2020 (Finissage) ist die Ausstellung im temporären Kunstmuseum der Stadt Mülheim an der Ruhr in der Schloßstraße zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Neues Stipendium „Junge Kunst in Mülheim“ 2020 bis 2022 

Julian Reiser hat sich dankenswerter Weise verpflichtet, eine in der Kunststadt Mülheim entstandene Arbeit der Sammlung des Museums der Stadt zu schenken.

Wenn er sein Atelier im Balkonzimmer von Schloss Styrum freimacht, können sich möglichst junge Absolventen von vier nahe gelegenen Kunsthochschulen noch bis zum 22. Februar 2020 im Kunstmuseum Mülheim bewerben - vom 1. April 2020 bis 31. März 2021 (optional 31. März 2022) um ein Atelier einschl. Miete und Nebenkosten auf Kosten der Stadt Mülheim an der Ruhr.
https://www.muelheim-ruhr.de/cms/stipendium_junge_kunst.html

Hier geht es zu allen aktuellen Kunstausstellungen in der Kunststadt Mülheim mit einem Klick: https://Kunststadt-MH.de/app/index.html

Autor:

Alexander Ivo Franz aus Mülheim an der Ruhr

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