Rettungsversuch Nr.3
Ist Mölmsch Platt noch zu retten?

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Von zwei Rettungsversuchen habe ich an dieser Stelle bereits berichtet und wenn man so will, gibt es noch einen dritten von einiger Bedeutung für den Fortbestand des gesprochenen Mölmsch Platt: der VHS-Gesprächskreis Mölmsch Patt bzw. das Kurs-Angebot „Wir lernen Mölmsch Platt“. Ursprünglich vom Baas der Mausefalle Otto Barg 1984 initiiert als freies Angebot für alle. Der auch von Ernst Buchloh, und seit 1988 von Hans Schmitz geleitete Kreis hatte immer einen festen Stamm und nur wenige „VHS-Kursteilnehmer“ kamen für kurze Zeit hinzu. In meinen Augen war die Übertragung in die Aussprachehilfe „Rheinische Dokumenta“ jedweder Texte ein Hindernis für eine größere Außenwirkung wie sie die beiden Kringks erreichten. Trotzdem haben hier so manche Plattkenner eine sprachliche Heimat gefunden. Der Kreis soll sich noch treffen, aber außerhalb der VHS.
Spätestens um 2000 wurde überdeutlich, dass es mit breiten Rettungsversuchen endgültig vorbei ist. Die Mundart spielt in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr, auch die Erinnerung daran ist praktisch verschwunden. Das Verschwinden einer Mundart aus dem Alltagsbewusstsein ist letztendlich die logische Folge des Verschwindens einer tradierenden lokal gebundenen Bevölkerung, die es so nicht mehr gibt. Denn auch die „Mein Opa sprach nur Mölmsch Platt, ich selbst ja nicht mehr - Generation“ ist mittlerweile im Rentenalter.
Bereits beim ersten Rettungsversuch 1930 hatte sich die Ruhrgebietsbevölkerung durch Bergbau und Industrie erheblich verändert. Das war keine geschlossene Schulklasse, die durch Lehrer Klewers Instruktionen leicht wieder auf Vordermann zu bringen gewesen wäre. Und nach dem zweiten Weltkrieg erst recht nicht, obwohl auch da der Wunsch nach einer Identität stiftenden unpolitischen lokalen Tradition noch einmal stark auflebte.
Der kinderlose Hardering sah es auch noch als Pflicht an, die Sprache an die nächste Generation weiterzugeben, da in ihr sozusagen das Erbe des Volkes weiterlebe, während Hochdeutsch nur ein künstliches Verständigungsmittel darstelle. Und Mülheim dürfe nicht eine „traditionslose Großstadt“ werden.

Heutzutage geht es mehr um objektive Einbindung des Ortsdialekts in überörtliche Sprachgruppen (Niederfränkisch), nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame ist das Thema, auch das ehemals „Mülheimer“ Martinsvögelchen-Lied ist plötzlich nur eine Variante eines ehemals weitverbreiteten Liedtypus. Tradition wird in Dateien abgepackt, lebt als digitales Sprachmuseum weiter, und der ehemalige Dialekt einer ganzen Stadt wird zum amüsanten Unterhaltungsbeitrag. Jederzeit auch als App möglich.

Die von Walter Ferschen und mir initiierte „Mölmsche Ecke“ war der Versuch, 14tägig eine kleine Platt-Kolumne in der „Mülheimer Woche“ zu pflegen, aber auch schon stets mit stützender Übersetzung ins Hochdeutsche. Viele erinnern sich noch sehr positiv daran. Als ich mich zurückzog, lieferten Mitglieder des VHS-Plattkreises noch einige Zeit Beiträge, bis auch diese schließlich versiegten.
Gesprochenes Platt findet auch in „Mausefalle“ und „Aul Ssaan“ nur noch als Vortrag statt. Im städtischen Internet gibt es seit 2010 eine aufwendige Plattabteilung, die von Saarn aus bestückt wurde. „Aul Ssaan“ unterhält seit kurzem auch eine eigene Homepage mit Plattbeiträgen in gesprochener und gesungener Form. Ab und an wird auch noch ein Plattgottesdienst gestaltet und man hat ja noch das Duo „Jan un Hinnerk“, das aber extern kaum noch auftritt, was sicher nicht nur durch Corona bedingt ist.
In dieser Situation
Spaßhaft könnte man sagen, Mölmsch Platt sei die ideale Geheimsprache, weil es fast niemand versteht. Eine in Mülheim geborene und in ein ghanaisches Königshaus eingeheiratete Dame erwog denn auch, in Afrika als auch hier ggf. mit ihrem Gatten unbelauscht in Mölmsch Platt zu kommunizieren.
Potentielle Schülern der Junioren-Uni ließen sich vom Kursangebot „Mölmsch Platt als Geheimsprache“ leider nicht locken. Es gab nur eine einzige Anmeldung.
Für alle, die noch an Mölmsch Platt interessiert sind, gibt’s nur eins: Zusammenarbeit!
"Mausefalle" und "Aul Ssaan" sind da auf einem guten Weg!

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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