Ulfert Janssen
Die Muschelkalk-Mädels vom Klostermarkt - Rotkäppchen und Zeresken

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Zur B1 hin gibt es an der Klostermarktschule in Saarn links und rechts jeweils eine Tür mit Tierreliefs und Sinnsprüchen. Über der linken ist zweifelsfrei Rotkäppchen mit dem Wolf zu sehen, die rechte Figur, ebenfalls mit Faltenrock und Kopfbedeckung, lässt sich auch nach Auskunft der Stadt, nicht eindeutig einem Märchen zuordnen.

Und da kommt jetzt das Stichwort Getreide in Betracht. Das rechte Mädchen trägt nämlich einen Weizenbund in seiner Rechten!
Solche Weizenbünde (kurzgeschnittene Garben) waren seit jeher ein Symbol der Fruchtbarkeit. Göttin des Ackers und der Fruchtbarkeit war die Göttin Zeres, auch Ceres geschrieben.
Es gibt die Zeile in Kaspar Stielers "geharnischte Venus" von 1660:
"die Zeres pfleget dir ein Weizenbund zu holen" - auch der Ziegenbock als "Priapus" kann durchaus als Zeichen der Fruchtbarkeit verstanden werden.
Selbst nur als "Ährenbinderin", damals ein gern gemaltes Motiv, stellt das rechte Mädchen eindeutig den Bezug zum Dorfleben her.
Nun hätte ich zu gerne meiner Phantasie freien Lauf gelassen, aber die städtische Liste der "Kunst im öffentlichen Raum" nannte als Bildhauer nicht irgendeinen Märchenfigurenmodellierer, sondern Ulfert Janssen.
Der war im Nationalsozialismus ein gefeierter Künstler. Zu den Olympischen Spielen 1936 saß er im künstlerischen Beirat. Auch Hitler persönlich kaufte seine Werke und er stand in Goebbels Liste der "gottbegnadeten Künstler". Der schlesische Professor aus Stuttgart, später München, kannte sich sehr gut in den Mythen aus, was er in Mülheim  im Solbad Raffelberg( zusammen mit dem Maler Wilhelm Köppen) und am alten Stadtbad unter Beweis stellen durfte.
Allerdings war 1909 und kurze Zeit später, als 1912 die Klostermarktschule entstand, noch kein Hitler in Deutschland.
Janssen wurde 1945 vom Dienst an der Techn. Hochschule Stuttgart suspendiert.

In Essen ist übrigens sein Jahrhundertbrunnen an der altkatholischen Friedenskirche zu besichtigen, ein heroisches Arbeiterdenkmal.

PS.
Wenn ich mir den Blick des Ziegenbocks genauer angucke, dann scheint er mir wirklich den Priapus in Stielers „geharnischter Venus“ zu symbolisieren:
„Priapus/ den das Volk der Jugend ehrt und liebt
die Jungfer lauschet an mit schmunzelndem Gelächter“

Ja, und dat Deansche mit dem Weizenbund wäre demnach die Saarner Fruchtbarkeitsgöttin Zeresken!

Ohne Informationen über  Ulfert Janssen hätte ich folgende Deutung gewagt:

Das Saarner Dorfmädchen Maalchen Hippenstatt (die mit dem Hut) trägt eine Vorform der veganen Schultüte und hat zur Einschulung selbstverständlich die Ziege der Familie mitgebracht, für deren pünktliche Fütterung sie die Verantwortung trägt, also für die Ziege. Von diesem nahrhaften Gebinde fehlt offenbar oben ein Stück, das einst etwas hervorragte. Das ist ein Hinweis darauf, dass große Vorsicht geboten ist, da die harmlos dreinblickende Ziege in unbeobachteten Momenten immer noch sehr gefräßig zu sein scheint.
F.

Aber wer hätte das mit Ulfert Janssen auch gedacht! Sacht einem ja auch keiner!

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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