Duell
Zwölf Uhr nachts

Foto: allmystrery.de

Große Literatur zu schreiben, habe ich mir immer schon zugetraut. Ich muss es nicht jedes Mal beweisen. Deshalb mag meine Prosa scheinbar mehr nach entspannter Höhenwanderung als nach einer verbalen Klettertour klingen. Man darf dahinter dennoch mit Recht etwas Größeres erahnen.

Zum Beispiel bei der Geschichte von dem Mann, der nachts um zwölf mit seinem Hund mitten auf der Fahrbahn einer einsamen Einbahnstraße spaziert und auf ein Auto hofft, das ihm verkehrswidrig entgegenkommt.
Dann nämlich würde er sich, obwohl geblendet, nicht verdrängen lassen. Das hatte er sich geschworen. Es war nicht bekannt, ob ihm bewusst war, dass er selbst verkehrswidrig die Fahrbahn benutzte: Denn es steht geschrieben: „Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat.“ Auch nachts.

Die Straße mit Gehwegen lag ruhig und dunkel.

Wahrscheinlich hat er angenommen, dass im Falle eines Zusammenstoßes der Autofahrer ein größeres Maß an Verkehrswidrigkeit begehen würde und damit seine eigene Verfehlung durch diesen gegnerischen Widrigkeitsüberschuss getilgt werde.
Der Autofahrer aber wird den Mann, der jetzt in seinem Scheinwerferlicht auftaucht, für einen angetrunkenen Verkehrsrowdy halten.
Der Hund wird sich seinem Herrchen solidarisch zeigen wollen, sich angegriffen fühlen und gegen die Scheinwerfer anbellen.

Natürlich wird der Autofahrer seinen Motor drohend aufheulen lassen, vielleicht sogar trotz der Nachtstunden hupen und versuchen, Mann und Hund zu verscheuchen.
Er wird weder aussteigen, allein schon wegen des Hundes, noch wird er zurücksetzen. Er gibt einfach Gas, zieht einen Bogen über den leeren Gehweg und entscheidet das Duell offenbar für sich.
Der Mann wird wie geplant sein Handy zücken und das Nummernschild fotografieren, oder die Nummer einfach mit einem Bleistiftstummel auf eine Zigarettenschachtel kritzeln und, während sich der Hund beruhigt, auf der Fahrbahn weiterwandern.

Dann wird es in seinem Rücken sehr rasch hell und heller. Der Mann wird sich nicht umdrehen und aufreizend langsam auf den Gehweg wechseln. Es könnte ja …
Nach einer Weile ist es wieder ruhig und dunkel.

Ein Anwohnerehepaar wird beim Frühstück am Morgen die nächtliche Ruhestörung zu rekonstruieren versuchen.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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