Flucht
Nichts für Feiglinge

Flüchtlingsreferentin Saskia Trittmann, der Pädagoge Prof. Dr. Harald Karutz und die Diakonin Iris Schmidt im Gemeindezentrum am Scharpenberg. | Foto: Thomas Emons
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"Wie fühlt es sich an, auf der Flucht zu sein?" Saskia Trittmann, die das Flüchtlingsreferat des Evangelischen Kirchenkreises An der Ruhr leitet, gab jetzt kenntnis- und detailreich eine Antwort. Sie sprach im Evangelischen Gemeindezentrum am Scharpenberg über ihre Erfahrungen aus der Flüchtlingsberatung. Derzeit beraten Trittmann und ihre Kollegen Dennis Ginzburg und Kathrin Rothhaas 1200 Klienten. "Die meisten Flüchtlinge, die unseren Rat suchen, kommen derzeit aus Syrien, Afghanistan, aus der Ukraine und aus dem Süd-Sudan", berichtete Trittmann im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Mülheim: Gemeinsam stark - Leben, lernen und helfen in der Krise."

Die Politikwissenschaftlerin, die seit drei Jahren das Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises An der Ruhr leitet, nannte erschreckende Zahlen, Daten und Fakten rund um das globale Problem, das auch lokal zum Handeln zwingt. Ihre Fakten kommen aus dem jüngsten Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR. Inzwischen seien weltweit 100 Millionen Menschen auf der Flucht, davon 21 Millionen auf dem afrikanischen Kontinent. Seit 2020 seien rund 4200 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Die Zahl der Fluchttoten auf dem Landweg schätzt das UNHCR etwa doppelt so hoch ein. Krieg, Not, Perspektivlosigkeit, Diskriminierung und Verfolgung seien die wichtigsten Fluchtursachen.

Niemand flieht freiwillig

"Niemand flieht freiwillig aus seiner Heimat, wenn ihm nicht alle Grundlagen für ein gutes Leben entzogen worden sind", machte Trittmann deutlich. Sie und ihre Kollegen hören in ihren Beratungsgesprächen furchtbare Leidensgeschichten von Krieg, Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Hunger und Not. Unvorstellbar seien die Berichte der Geflüchteten, deren Familienangehörige vor ihren Augen ermordet worden seien.

Trittmann und ihr Team begleiten Menschen, die zum Teil seit Jahren auf der Flucht gewesen sind und ihr gesamtes Vermögen an Schlepper und Menschenhändler verloren haben. Die Kirchenkreisreferentin sprach von Fluchtkosten zwischen 5000 Euro und 20.000 Euro. Das UN-Flüchtlingshilfswerk der UNO rechnet, laut Trittmann, bis 2050 aufgrund des Klimawandels und der damit verbundenen Umweltkatastrophen weltweit mit bis zu 250 Millionen Flüchtlingen.

Bürokratische Hürden

Betroffen machte ihre Zuhörer, was sie von Trittmann, über die bürokratischen Hürden erfuhren, die traumatisierte Flüchtlinge überwinden müssen, wenn sie "im papierverliebten Deutschland" ihre Identität, ihre Herkunft und ihre berufliche Qualifikation nachweisen müssen. Dabei sieht Trittmann, die 1500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar, in Mülheim Zuflucht gefunden haben. als privilegiert an. "Sie konnten visumsfrei einreisen, müssen keinen Asylantrag stellen und dürfen sofort arbeiten", erklärte sie ihre Einschätzung.

Die Flüchtlingsreferentin der Evangelischen Stadtkirche plädiert dafür, den politischen Asylanspruch des Grundgesetz-Artikels 16 um weitere Fluchtgründe aus der Welt des Jahres 2022 zu erweitern und qualifizierten Flüchtlingen, deren Asylanspruch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht anerkannt wird, "einen rechtlichen Spurwechsel über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu ermöglichen."

"Sie haben uns Hochachtung vor Ihrer Arbeit und vor der Stärke Ihrer Klienten vermittelt und uns deutlich gemacht, dass das Thema Flucht politisch und medial zu unterkomplex wahrgenommen wird und einen akuten Handlungsbedarf auf allen politischen Ebenen erzwingt," fasste der psychosoziale Krisenmanager der Stadt, der Pädagoge Prof. Dr. Harald Karutz, die Ergebnisse der Diskussion zusammen.

Die Informationsveranstaltung Mülheim: Gemeinsam stark geht weiter

Autor:

Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr

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