Das Interview
Caritas will Wegbegleiter für Kinder und Familien sein

Georg Jöres ist seit dem 1. Januar 2024 Vorstand beim Caritasverband Mülheim. Vorher hat er den Fachdienst "Jugend & Schule" der Mülheimer Caritas geleitet. Foto: Caritas Mülheim an der Ruhr
  • Georg Jöres ist seit dem 1. Januar 2024 Vorstand beim Caritasverband Mülheim. Vorher hat er den Fachdienst "Jugend & Schule" der Mülheimer Caritas geleitet. Foto: Caritas Mülheim an der Ruhr
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Die Caritas Mülheim ist Träger von 61 offenen Ganztagsgruppen an insgesamt zwölf Schulstandorten sowie von vier Familiengrundschulzentren im Stadtgebiet. Sorgen bereitet Caritas-Vorstand Georg Jöres, dass wegen anstehender Tarifsteigerungen und Inflationsausgleichszahlungen für die Mitarbeitenden eine Finanzlücke klafft. Im Interview spricht Jöres offen über mögliche Konsequenzen und wirbt gleichzeitig für mehr Wertschätzung der pädagogischen Arbeit, die im Offenen Ganztag (OGS) geleistet wird.

Warum passen die Familiengrundschulzentren so gut ins Profil der Caritas?
Georg Jöres: Menschen in benachteiligten Lebenslagen sind der Fokus der Caritas Mülheim. Es ist genau richtig, an den Schulen als Caritas präsent zu sein, von denen viele sagen "Also da möchte ich auf gar keine Fall Lehrer sein!". Genau da müssen wir Familien und Kindern Wegbegleiter sein und Bildungschancen eröffnen!

Die Familiengrundschulzentren sind eine Initiative des Landes NRW und werden von zwei Stiftungen begleitet, die Vernetzung, Wissenstransfer und Weiterentwicklung des Konzepts fördern. Wer trägt die anfallenden Personal- und Sachkosten?
Georg Jöres: Für jedes Familienzentrum an einer Grundschule erhält der Träger eine Förderung seitens des Landes NRW für Personal- und Sachkosten. Nach der Bewerbungsphase hat die Stadt Mülheim an der Ruhr jedoch nur eine Förderzusage für vier Familienzentren an Grundschulen erhalten, obwohl acht Schulstandorte sich beworben hatten. Trotzdem können wir bis Schuljahresende 2024-2025 dank der Förderung der Leonhard-Stinnes-Stiftung an insgesamt acht Grundschulen die Familienzentren weiterentwickeln. Danach hoffen wir auf eine Weiterförderung durch das Land NRW.

Wovon hängt es ab, ob die Familiengrundschulzentren weiter gefördert werden?
Georg Jöres: Für eine Förderung durch das Land müssen bei den Grundschulen sogenannte Sozialindex-Standortkriterien erfüllt sein, wie z. B. ein hoher Migrationsanteil an der Schule, ein hoher Anteil an Familien im Leistungsbezug, aber auch sozialräumliche Kriterien, wie hohe Bevölkerungsdichte, viel Verkehr, wenig Grünfläche, etc.

Neben den Familiengrundschulzentren: Wie viele OGS-Standorte gibt es in Trägerschaft der Caritas in Mülheim? Wie viele Kinder erreichen Sie mit diesen Angeboten?
Georg Jöres: Die Caritas Mülheim ist an 12 Grundschulstandorten der OGS-Träger. Wir verantworten 61 OGS- Gruppen und betreuen darin 1647 Kinder. Daneben gibt es noch das kurze Betreuungsmodell "Verlässliche Ganztags-Betreuung" von 8 bis 14 Uhr, ohne Hausaufgaben und Mittagessen und ohne musische oder sportliche Angebote. In dieser Betreuung werden durch die Caritas an neun Grundschulen etwa 380 Kinder betreut.

Derzeit gibt es eine Finanzierungslücke wegen gestiegener Tarifvereinbarungen für die Mitarbeitenden im Sozial- und Erziehungsdienst. Wie wirkt sich das aus?
Georg Jöres: Mit den Anpassungen im Erzieherischen Dienst in 2022, dem Inflationsausgleich als Einmalzahlungen in 2023 und den Tarifsteigerungen ab März 2024 liegen wir bei über 15 Prozent Personalkostensteigerungen in den letzten beiden Jahren. Das Land sieht eine dynamische Erhöhung der Landeszuschüsse von 3 Prozent vor. Der Anteil der Kommune und die Elternbeiträge sollen ebenfalls dynamisch jährlich um 3 Prozent steigen. Bei den jetzigen ungewöhnlich hohen Steigerungen reicht diese Dynamisierung nicht aus!

Falls die Refinanzierung nicht gewährleistet werden kann: Welche Konsequenzen sind zu befürchten? Muss die Caritas sich aus der OGS zurückziehen?
Georg Jöres: Im schlimmsten Fall schon. Aber als erste Maßnahme würde die Caritas den Mitarbeitenden Stunden kürzen, was sich negativ auf die Betreuungsqualität auswirkt. Und bei Fluktuation von Mitarbeitenden wären wir gezwungen, neues Personal mit einer geringeren Qualifikation und damit auch geringeren Vergütung einzustellen.

Welche Folgen hätte das für die betroffenen Familien?
Georg Jöres: Die OGS wäre ein Betreuungsangebot mit verlässlicher Aufsicht aber kein pädagogisches Angebot mit guten Bildungsangeboten und Förderung von Kindern.

Welche Unterstützung von Seiten der Politik würden Sie sich wünschen, mal abgesehen von finanziellen Aspekten?
Georg Jöres: Die politisch Verantwortlichen sollten die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte in der OGS wertschätzen und ihre Arbeit als einen wertvollen Beitrag für einen gelingenden Bildungsweg unserer Kinder betrachten.

Autor:

Lokalkompass Mülheim aus Mülheim an der Ruhr

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