MVG und EVAG: Einmal 100 Jahre hin und zurück

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Historischer Triebwagen beim Straßenbahn-Jubiläum der U18 Mülheim-Essen ständig überfüllt

Wo gibt´ s das schon: seit 100 Jahren verbindet eine Stadtbahn-Linie zwei Nachbar-Städte. Und die Fahrscheine gelten seitdem gegenseitig. Jeder Mülheimer und jeder Essener weiss, wo es das gibt und welche Linie das ist – und letzten Samstag war die Hölle los auf der U18 ! Hunderte ruckelten stehend im historischen Triebwagen TW 500 zum Normalpreis zwischen beiden Städten hin und her. Manche etwas ängstlich, aber begeistert – wie vor genau 100 Jahren zur Eröffnung im Juli 1916.

Schnuckelig kommt der 86jährige Triebwagen daher, liebevoll renoviert von den „verkehrshistorischen“ Liebhabern der VHAG. Sehr klein sieht die alte Tram aus zwischen den hochbetonierten Fahrsteigen. Und doch braucht es Kräfte, die Kurbel zu bedienen, um den Elektromotor zu beschleunigen. Und um eine hölzerne Zugbrücke an jedem Einstieg fallen zu lassen Wegen des Abstands zum Fahrsteig!. Beton-Politiker passten ja alle Haltestellen in der Höhe den bestellten Zügen an….

Frauen saßen an der Kurbel

Es waren ausschließlich Frauen, die vor 100 Jahren an der Kurbel saßen. Oder mit schicker Schaffner-Mütze und Münz-Zahltasche die Fahrscheine während der Fahrt verkauften. Frauen? Die Männer waren weg – im dritten Kriegsjahr 1916 in den Schützengräben oder schufteten „unabkömmlich“ in den hiesigen Waffenschmieden des glorreichen Kaiserreichs. Und da brauchte es eine funktionierende Stadtbahn-Verbindung, der Krieg als „Vater aller Dinge“? Was heute im Essener Staqdtteil Frintrop für die kurze Gleis-Strecke zum Centro Oberhausen scheitert: 1916 schaffte hier ein umfangreiches Vertragswerk sogar die Fahrschein-Verrechnung zwischen Städten und Verkehrs-Betrieben. Wie sie noch heute zwischen MVG und EVAG funktioniert. Na also, geht doch. Schon hundert Jahre lang!

Schon 1910 hatten die Mülheimer von Heißen ihre Strecke bis Zeche Humboldt (heute RRZ) gebaut und es gab ab 1913 eine „technische“ Gleisverbindung, die Menschen mussten aber umsteigen und neu lösen. Seit Schicht-Beginn Montagfrüh 3. Juli im Jahre des Herrn 1916 nicht mehr, bis heute! Damals ging´s mit einem einzigen Ticket von Mülheim sogar bis zum „proletarischen Vergnügungsviertel“ rund ums Colosseum am Essener Kopstadtplatz, als Linie 18 über Heißen und die Krupp-Straße. Die dann 1977 als umgebaute B1 /A 40 (nach 3 Jahren Ersatzverkehr mit Bus 58) die Stadtbahnwagen der U18 auf der hier unüblichen Normalspur aufnahm.

Straßenbahn-Dampflokomotive

Schon 1917 übrigens verlängerten die Mülheimer ihre Teil-Strecke bis zur Duisburger Straße ! Als die Oberleitungen in Essen 1944 zerbombt waren, machte wieder ein Welt-Krieg Unmögliches möglich: ab der Wickenburg kurz hiner der Stadtgrenze ging´s auf Meter-Spurbreite mit „Straßenbahn-Dampflokomotiven“ ohne Strom bis zum Hbf Essen. Im Wirtschafts-Wunder ab 1952 verband eine Schnellbahn-Linie D auf der Tram-Strecke als Vorläufer der S-Bahn beide Hbfs, hielt nicht an allen Stationen. Wie am jetzigen Jubiläums-Samstag das alte, rote „Schätzchen“ TW 500 nutzte dieser „D-Zug“ einst einen „Fahrplan B“ zwischen den „Regelzügen.“

Und damals wie Samstag passierte es, dass manch einer „falsch“ einstieg, der auf die reguläre 18 wartete. Nur dass er jetzt mit dem historischen Triebwagen länger statt schneller unterwegs war. Wie der japanische Design-Student, der in Essen in den „roten Karlsruher“ (gebaut 1930 in Rastatt) Richtung Mülheim an der Ruhr stieg, verwundert über diese alte Bahn in modernen Großstädten.

Das Gedränge im Inneren wunderte ihn nicht, das kenne er aus Tokyo, erzählte er lachend auf Englisch, als er verstand. Und fuhr dann mit „moderner“ Bahn zurück. Nicht, ohne vor dem Aussteigen noch am historischen Klingelzug über den Köpfen zu ziehen.

Herzlichen Glückwunsch nachträglich, MVG und EVAG ! (cd)

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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