„Wir müssen einfach besser sein als andere“ - Der Einzelhandel in Mülheim steht vor großen Herausforderungen

Harmut Buhren, Vorsitzender des Handelsverbandes Ruhr, weiß, dass der Einzelhandel sich stets neuen Entwicklung stellen muss. Herausforderungen sollte als Chance genutzt werden.         Foto: PR-Foto Köhring/TR
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  • Harmut Buhren, Vorsitzender des Handelsverbandes Ruhr, weiß, dass der Einzelhandel sich stets neuen Entwicklung stellen muss. Herausforderungen sollte als Chance genutzt werden. Foto: PR-Foto Köhring/TR
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„Der Handel befindet sich im ständigen Wandel, zumindest in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, die mitunter tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen.“ Diesen Satz spricht Hartmut Buhren, Vorstandsvorsitzender des Handelsverbandes Ruhr, gelassen aus, ist sich aber zugleich sicher, „dass die Herausforderungen an jeden Einzelnen steigen werden".

Buhren ist nicht nur Vorsitzender des „Drei-Städte-Verbandes", zuständig für Essen, Oberhausen und Mülheim, sondern zugleich seit vielen Jahren Vorsitzender der Ortsvereinigung Mülheim des Handelsverbandes. Daher liegt ihm „seine“ Stadt besonders am Herzen: „Wir sind in ständigen Gesprächen mit unseren Einzelhändlern. Einige wenige blicken durchaus mit Sorgen in die Zukunft. Viele allerdings sehen den Veränderungsprozess auch als Chance.“

Der Internethandel mache einigen zu schaffen, habe aber auch zu einem neuen Bewusstsein geführt. Eigene Webseiten, neue Strategien und gezielte individuelle Aktionen seien Schritte in die richtige Richtung und würden den stationären Einzelhandel unterstützend begleiten. „Es ist ja nicht so, dass es morgen keine Ladengeschäfte mehr geben wird“, sagt Buhren, dennoch sei es erforderlich, dass man sein eigenes Geschäft, Ladenlokal und den Betrieb sichtbarer mache, im Internet, aber auch an Ort und Stelle.

Weder Königsklasse noch Kreisklasse

Das gelte in Mülheim nicht nur für die Innenstadt, sondern für viele Stadtteile. Auch spiele die Vergabepolitik bei Neuansiedlungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nicht selten hätten konzentrierte, geballte Neuansiedlungen eine Schwächung des bestehenden Einzelhandels in unmittelbarer Nähe zur Folge. Beispiele hat er auf Lager. Er nennt den Heifeskamp in Dümpten oder die Düsseldorfer Straße in Saarn. Durch Konzentrationen an der einen Stelle seien gewachsene Strukturen im traditionellen Einzelhandel an anderer Stelle verändert worden, und das nicht unbedingt positiv.

In unserer Stadt spiele der Einzelhandel nicht in der Königsklasse, aber auch nicht in der Kreisklasse. Es werde auch künftig immer wieder Leerstände geben, aber neue Ideen und das „Entdecken von Nischen“ könnten neue Kundenkreise erschließen und somit zu einer nachhaltigen Stärkung des Umfeldes beitragen. Buhren: „Das ist völlig unabhängig, ob wir von den ´City oder von einzelnen Stadtteilen sprechen.“

Der Handelsverband setzt auch in Mülheim auf klare Richtlinien, Vorhaben und Vorgaben der Politik. In anderen Städten ist der Einzelhandel bei den Stadtoberen zur Chefsache gemacht worden. In Mülheim sei dies bedauerlicherweise (noch) nicht der Fall, stellt Hartmut Buhren fest.

Neue Ideen nicht von vornherein abwürgen

Hier gebe es eindeutig Nachholbedarf. Man dürfe neue Ideen auch nicht vornherein als unrealistisch abtun. So kann sich der Vorstandsvorsitzende des Handelsverbandes Ruhr durchaus vorstellen, dass man mit dem Öffentlichen Nahverkehr in die Stadt fährt, dort für einen bestimmten Betrag einkauft und danach kostenfrei zurückfahren kann. Es könne auch nicht angehen, dass man in großen Einkaufszentren in der Region kostenlos parken könne, während in der Mülheimer City fast alles „bewirtschaftet“ sei. Neue Ideen und vor allem deren Umsetzung seien auch in und für Mülheim dringend erforderlich. Und dazu bedarf es offener Gespräche auf Augenhöhe.

Genau da setzt auch City-Managerin Gesa Delija an: „Hier muss rasch ein schlüssiges Gesamtkonzept auf den Weg gebracht werden.“ Dazu gehöre auch ein Einlenken und Umdenken der Haus- und Immobilienbesitzer. Sie geht in die Offensive: „Statt sich mit langen Leerständen herumzuplagen und darüber zu ärgern, können eine befristete Null-Miete oder eine spürbar gesenkte Miete Einsteigern den Weg in die Selbständigkeit ebnen und zugleich verhindern, dass ein Gewerbeobjekt oder Ladenlokal vor sich hin vegetiert.“ Entsprechende Gespräche seien bereits in Angriff genommen worden. Die City-Managerin ist sich allerdings bewusst, dass Erfolge in dieser Sache nicht von heute auf morgen zu erzielen seien: „Das braucht seine Zeit. Aber wir müssen die Eigentümer einfach mit ins Boot holen.“

Mülheim im "Markterholungsprozess"

Was sich momentan in der Innenstadt, aber ebenso in einzelnen Stadtteilzentren abspiele, bezeichnet Gesa Delija als „Markterholungsprozess.“ Mülheim befinde sich in einer „Sandwichposition“ zwischen den großen Städten Duisburg, Essen, Düsseldorf. Aber auch das CentrO in Oberhausen nennt sie, selbst das Outlet-Center in Roermond. Unsere Stadt aber biete Nischen voller Kreativität, die andere nicht annähernd aufzuweisen hätten.
„Bei uns gibt es viele kleine Läden, die auch selbst Produziertes vor Ort anbieten wie den Ledergürtel, die individuelle Tasche und nette Accessoires, die mit Liebe und Herz hergestellt werden“, sagt sie. Das seien alles Frequenzbringer, die der Stadt zugute kämen. Auch Mülheims Gastronomie sei in Bewegung. Gastronomie- und Kulturangebote tragen ihrer Meinung nach entscheidend mit zur Belebung und Identifikation mit der Stadt bei. In Gesprächen mit der Verwaltung und den städtischen Betrieben hat sie beispielsweise ein kostengünstiges „Abend- und Nach-Parkticket“ angeregt, das dazu beitragen soll, mehr ambitionierte Nachtschwärmer anzulocken.

Große, zum Teil überdimensionierte Kaufhäuser seien out: „Im Einzelhandel wird es mittel- und langfristig keine eierlegende Wollmilchsau mehr geben“, lacht sie im Gespräch mit unserer Redaktion, hat aber zugleich Fakten parat, wohin der Zug künftig geht. Sowohl von Einheimischen als auch von den unzähligen Touristen würden etwa in Amsterdam die großen multifunktionalen Kaufhäuser auf den Einkaufsstraßen immer seltener frequentiert. Die Nischen, das Ungewöhnliche und das Persönliche seien auf dem Vormarsch.

Sie will Mülheim nicht mit Amsterdam vergleichen, aber sie sieht in der dortigen Entwicklung auch Beispielhaftes für unsere Stadt. Ein „Hand-in-Hand-gehen“ von Stadt, Verwaltung, Politik, Einzelhandel, Kultur, Gastronomie und Tourismus biete eine Fülle von neuen Chancen. Nicht selten aber komme es aber auch auf den Mut und die Kreativität von Einzeln an. Gesa Delija: Wir müssen einfach besser als andere.“

Die Beteiligten müssen einem Strang ziehen

Hingucker- und Vorzeigeveranstaltungen seien zudem wichtig für das Image und Erscheinungsbild einer Stadt. Deshalb unterstützt das City-Management Ideen und Vorschläge für attraktive und publikumswirksame Events. Von denen allerdings gebe schon einige in Mülheim, die größtenteils sogar Außenwirkung hinein in andere Städte zeigten.

Zudem ist die City-Managerin überzeugt, dass durch den Neubau am Standort des ehemaligen Kaufhofs weitere positive Signale gesetzt werden, die direkt an der „zentralen Haltestelle Mülheims“ auch dem angrenzenden Teil der Schloßstraße gut tun werden. Schwarzmalerei ist für sie keine Option. Sie stimmt mit Hartmut Buhren überein, dass der Einzelhandel in unserer Stadt vor großen Herausforderungen stehe, aber es viele Anzeichen für eine bessere Zukunft gebe. Nur: es müssen viele Beteiligte an einem Strang ziehen.

Harmut Buhren, Vorsitzender des Handelsverbandes Ruhr, weiß, dass der Einzelhandel sich stets neuen Entwicklung stellen muss. Herausforderungen sollte als Chance genutzt werden.         Foto: PR-Foto Köhring/TR
Hartmut Buhren: "Der Einzelhandel muss in Mülheim Chefsache werden."
Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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