Das ist Ihr gutes Recht
Anwalt Dr. Alexander Brockmann aus Schwelm beantwortet den WAP-Lesern Rechtsfragen rund um das Coronavirus

Dr. Alexander Brockmann von der Kanzlei "Hofmann Schmidt Frey & Partner" in Schwelm hat eine WAP auf seinem Schreibtisch liegen, denn exklusiv für unsere Leser hat er Rechtsfragen rund um das Coronavirus beantwortet. | Foto: Brockmann
  • Dr. Alexander Brockmann von der Kanzlei "Hofmann Schmidt Frey & Partner" in Schwelm hat eine WAP auf seinem Schreibtisch liegen, denn exklusiv für unsere Leser hat er Rechtsfragen rund um das Coronavirus beantwortet.
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Rechtsanwalt Dr. Alexander Brockmann hat seine Kanzlei "Hofmann Schmidt Frey & Partner" in Schwelm. Für die WAP hat er Rechtsfragen der WAP-Leser rund um das Coronavirus entgegengenommen und beantwortet.

"In diesen außergewöhnlichen Zeiten müssen wir solidarisch handeln und zusammenstehen", erklärt Dr. Alexander Brockmann das Engagement der Kanzlei. Nur gemeinsam könne man diese Krise bewältigen. "Wir wünschen allen Betroffenen viel Kraft und Durchhaltevermögen", so Brockmann.
Die Fragensteller haben bereits eine Antwort per Mail erhalten. Brockmann: "Wir hoffen, dass wir damit die Fragen der Leser beantworten und ihnen weiterhelfen konnten." Drei der gestellten Fragen und deren Antwort sind von allgemeinem Interesse und werden deshalb auch hier im Lokalkompass und in der WAP veröffentlicht:

1. Frage: Fitness-Studio

Mein Fitness-Studio hat mir geschrieben, dass es wegen Corona geschlossen bleibt. Sie wollen meinen Vertrag kostenfrei verlängern, dafür soll ich die derzeitigen Gebühren weiterzahlen. Welche Rechte habe ich bzw. wie soll ich reagieren?

Im Grundsatz ist es so, dass bei einer Schließung des Fitness-Studios Ihr Vertragspartner, also das Studio, verhindert ist, Ihnen die vertraglich geschuldete Leistung, nämlich die Räumlichkeiten, Geräte und Trainer, zur Verfügung zu stellen. In derartigen Fällen sind Sie im Gegenzug auch nicht verpflichtet, die monatlichen Gebühren zu zahlen, sodass das Fitness-Studio dies nicht von Ihnen verlangen kann. Möglicherweise kann in Ihrem Vertrag mit dem Studio für derartige Fälle etwas anderes geregelt sein, dies müsste man nachprüfen. Ich gehe aber derzeit davon aus, dass dies nicht der Fall ist.
Betrachtet man nun die Nachricht, die Sie laut Ihrer Schilderung vom Fitness-Studio erhalten haben, so wird man darin aus rechtlicher Sicht ein sogenanntes Angebot zur Vertragsänderung sehen dürfen. Sofern im Vertrag mit dem Fitness-Studio nichts anderes geregelt ist, kann Ihr Vertragspartner derartige Vertragsänderungen nicht einfach einseitig festlegen, sondern es bedarf hierzu Ihrer Zustimmung. Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, zum jetzigen Zeitpunkt Gebühren weiter zu zahlen, dafür dann aber in späteren Monaten keine Gebühren zahlen zu müssen, dann sollten Sie dem Fitnessstudio dies ausdrücklich mitteilen und auch sichergehen, dass das Studio Ihre Nachricht erhält. Außerdem sollten Sie Ihre Zahlungen unverzüglich einstellen, damit man nicht daraus eventuell Ihre Zustimmung zu diesem Vorgehen herleiten kann.
Ungeachtet der rechtlichen Situation könnten Sie natürlich überlegen, das Angebot des Fitness-Studios aus Kulanz und/oder Solidarität anzunehmen. Da das Studio geschlossen bleiben muss, werden dem Betreiber sämtliche Einnahmen wegfallen, sodass Sie sich mit der Annahme des Angebotes solidarisch zeigen könnten. Andererseits besteht ein Risiko, dass das Fitness-Studio trotz Ihrer Zahlungen die Insolvenz anmelden muss. In diesem Fall wäre es sehr schwierig, Ihr Geld vollständig zurück zu erhalten, obwohl Sie ja keine Gegenleistung hierfür erhalten haben. Letztlich müssen Sie also überlegen, welchen Weg Sie gehen wollen. Man kann Sie aber nicht dazu zwingen, der vom Fitness-Studio vorgeschlagenen Vorgehensweise zuzustimmen.

2. Frage: Kurzarbeit

Ich möchte gerne wissen, was genau „Kurzarbeit“ bedeutet. Kann mein Arbeitgeber mich zwingen, trotz Kurzarbeit Urlaub zu nehmen? Was passiert, wenn ich in der Kurzarbeit krank werde?

Wenn Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen oder auf Grund eines unabwendbaren Ereignisses die Arbeitszeit vorübergehend verringern und die sogenannte „Kurzarbeit“ anzeigen, zahlt die Agentur für Arbeit bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld an die betroffenen Arbeitnehmer. Hauptzweck des Kurzarbeitergeldes ist es, bei vorübergehendem Arbeitsausfall die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer zu ermöglichen und Entlassungen zu vermeiden. Die Agentur für Arbeit zahlt das Kurzarbeitergeld als teilweisen Ersatz für den durch einen vorübergehenden Arbeitsausfall entfallenen Lohn. Der Arbeitgeber wird dadurch bei den Kosten der Beschäftigung der Arbeitnehmer entlastet.
Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Gemäß der gesetzlichen Regelungen haben Sie unter folgenden Voraussetzungen Anspruch hierauf: Ihr Arbeitgeber muss die regelmäßige Arbeitszeit kürzen und hat dies der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt. Das Kurzarbeitergeld soll Ihren Verdienstausfall zumindest teilweise wieder ausgleichen. Da die Einführung von Kurzarbeit einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses ändert, bedarf es zur Verkürzung der Arbeitszeit und der damit verbundenen Lohnminderung außerdem einer konkreten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zu einer solchen konkreten Vereinbarung sollten mindestens der Umfang der Arbeitszeitreduzierung bzw. der Umfang der Kurzarbeit sowie der Beginn und das voraussichtliche Ende der Arbeitszeitreduzierung bzw. der Kurzarbeit zählen.
Das Kurzarbeitergeld berechnet sich dann nach dem Nettoentgeltausfall. Die Kurzarbeiter erhalten grundsätzlich 60 Prozent des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Lebt mindestens ein Kind mit im Haushalt beträgt das Kurzarbeitergeld 67 Prozent des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Eine Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes finden Sie auf der Website der Bundesagentur für Arbeit. Wer also beispielsweise statt wie üblicherweise fünf Tage nur noch vier Tage pro Woche arbeiten würde, bekäme 80 Prozent des Lohns weiter vom Arbeitgeber. Für die übrigen 20 Prozent erhalten Beschäftigte die Kompensationszahlung von der Arbeitsagentur. Die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes erfolgt über den Arbeitgeber, der damit sozusagen in Vorkasse geht. Dieser hat dann die Möglichkeit, sich das Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit erstatten zu lassen.
Die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld sind im Sozialgesetzbuch III genau geregelt. Kurzarbeit kann der Arbeitgeber demnach anmelden, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist und der Betrieb alles getan hat, um ihn zu vermindern oder zu beheben. Das bedeutet, dass zunächst auch Zeitguthaben, Überstunden oder Ähnliches „abgefeiert" werden müssen. Zudem dürfte es dem Arbeitgeber in diesem Falle möglich sein, Urlaub anzuordnen, soweit die betreffenden Urlaubstage nicht schon genehmigt sind. Urlaub, der schon genehmigt ist, kann vom Arbeitgeber nicht ohne Weiteres wieder gestrichen werden. Auf Grund der aktuellen Coronavirus-Pandemie verzichtet die Bundesagentur für Arbeit allerdings bis zum 31. Dezember 2020 darauf, den Einsatz von Erholungsurlaub zur Vermeidung von Arbeitsausfällen zu verlangen. Das gilt allerdings nur für die Urlaubsansprüche für das laufende Kalenderjahr. Bestehen noch übertragbare Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr, sind diese grundsätzlich zur Vermeidung der Zahlung von Kurzarbeitergeld einzubringen. Etwas anders gilt, wenn vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zur anderweitigen Nutzung des Resturlaubs entgegenstehen.
Ist ein Arbeitnehmer während des Kurzarbeitszeitraums arbeitsunfähig krank, so hat er nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der Höhe, wie er ihn ohne die Krankheit verdient hätte. Dieser Anspruch ergibt sich nach dem sogenannten Lohnausfallprinzip. Der Entgeltanspruch vermindert sich daher in gleichem Umfang wie bei den arbeitsfähigen Mitarbeitern. Für die Frage, ob der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erwirbt, kommt es dann darauf an, ob die Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs von Kurzarbeitergeld eintritt oder bereits davor. Wenn der Arbeitnehmer im Anspruchszeitraum oder an dem Tag, an dem dieser beginnt, erkrankt, besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, solange ihm ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall zusteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde. Erkrankt der Arbeitnehmer bereits vor dem Anspruchszeitraum, so hat er einen ergänzenden Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse in Höhe des Kurzarbeitergeldes.

3. Frage Reisestornierung:

Muss ich bei einer durch die Corona-Pandemie bedingten Reisestornierung einen „Gutschein“ hinsichtlich der bereits gezahlten Kosten akzeptieren?

Viele Urlaubsträume sind durch das Coronavirus geplatzt. Seit im März die Covid-19-Infektionen auch Europa in immer stärkerem Maße erfassten, wurden erst einzelne Regionen, dann ganze Länder abgeriegelt, Pauschalreisen abgesagt, Flüge annulliert, Urlauber vorzeitig nach Hause gebracht. Auch ich selber bin hiervon betroffen.
Die Rechtslage ist in diesem Fall recht eindeutig: Wenn die Reise nicht wie geplant durchgeführt werden kann und sie vom Veranstalter abgesagt wird, bekommt der Urlauber sein Geld zurück. Das allerdings klappt derzeit nur selten, denn viele Urlauber berichten, dass sie Stunden in der Warteschleife der Hotlines der Reiseveranstalter verbringen oder dass ihnen lediglich ein Gutschein angeboten wird. Gleiches gilt übrigens auch für stornierte Flüge und daraus resultierenden Rückzahlungsansprüchen gegenüber den Airlines.
Wichtig zu wissen ist, dass (derzeit noch) keine Pflicht besteht, einen solchen Gutschein zu akzeptieren. Dies könnte sich aber zeitnah ändern, denn die Bundesregierung will bei abgesagten Reisen sowie bei Veranstaltungen in den Bereichen Kultur, Sport und Freizeit eine Gutscheinlösung für Kunden statt einer sofortigen Rückzahlpflicht. Das Corona-Kabinett stimmte einer entsprechenden Lösung bereits zu, die erforderliche Zustimmung der EU-Kommission steht allerdings zum Zeitpunkt meiner Beantwortung Ihrer Frage noch aus.
Selbstverständlich steht es Ihnen aber frei, einen Gutschein anzunehmen, etwa weil Sie ohnehin bald wieder reisen wollen, weil sie immer schon mit dem Veranstalter gereist sind oder weil sie einem Hotelier in der Krise beistehen möchten. Doch bedenken Sie bitte, dass es für alle Gutscheine, die jetzt schon ausgestellt werden, keine Insolvenzabsicherung gibt. Gehen der Veranstalter oder der Hotelier pleite, ist der Gutschein wertlos. Ungewiss ist auch, ob dessen Wert in einigen Monaten noch für eine vergleichbare Reise reicht: Vielleicht war der Flug ein besonderes Schnäppchen, das es so zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder gibt. Auch mögliche Befristungen gilt es sehr genau zu prüfen.
Wenn Sie einen Gutschein nicht akzeptieren wollen, können Sie gegenüber dem Reiseveranstalter oder der Airline die Rückzahlung der bereits geleisteten Zahlungen verlangen. Wenn dies trotz Fristsetzung nicht geschieht, können Sie Ihre Forderungen gerichtlich geltend machen und versuchen, die Zahlung auf diesem Wege zu erlangen. Dr. Alexander Brockmann "Urlaubsträume sind durch das Coronavirus
geplatzt."

Autor:

Nina Sikora aus Essen

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