Wie die Villa Wewersbusch mit Hochbegabten umgeht
Fünftklässlerin schreibt Mathebuch

Kleine Klassen und eine gute personelle Ausstattung ermöglichen die Förderung schwacher und starker Schüler an der Villa Wewersbusch. | Foto: Villa Wewersbusch
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Im Regelschulsystem haben Hochbegabte es oft schwer: Fehlende Forderung, Langeweile und Unkenntnis bei vielen Lehrern führen häufig zu psychischen Belastungen, denen Eltern dann mit einem Schulwechsel oder Klassensprung begegnen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Besuch der Privatschule Villa Wewersbusch in Velbert-Langenberg. 

Es ist gerade Pause, als ich um die letzte enge Kurve biege. Die Schule liegt etwas versteckt am Berg, war früher ein Hotel und wurde vor nunmehr zehn Jahren zu einer Privatschule mit angeschlossenem Internat umfunktioniert. Schüler stehen in ihrer Schulkleidung in Grüppchen zusammen, die jüngeren flitzen über die Wege zwischen den Rasenflächen. 

Die Villa Wewersbusch ist eine Privatschule mit Internat in Velbert-Langenberg. | Foto: Villa Wewersbusch
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Hoher Prozentsatz hochbegabter Schüler

Von den aktuell 230 Schülern an der Villa Wewersbusch sind zwischen zehn und 15 hochbegabt. Damit sind Hochbegabte dort doppelt so häufig vertreten wie an "normalen" Schulen. Das hat seinen Grund, wie der stellvertretende Geschäftsführer Felix Kolewe erklärt: "An staatlichen Schulen sind die Klassenstärken meist so groß, dass die Lehrer kaum individuell auf die einzelnen Schüler eingehen können. Dort werden hochbegabte Kinder schnell als Mehrarbeit oder Belastung gesehen."
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Förderung dank kleiner Klassen kein Problem

Anders an der Velberter Privatschule. "Wir haben das Glück, durchschnittlich 16 Schüler in einer KIasse zu haben. Unterstützung erhalten wir Lehrer durch Lehrerassistenten, das sind Lehramtsstudenten, die eigens mit schwachen oder starken Schülern arbeiten." Diese komfortable Ausgangslage führt zur Möglichkeit, die Stärken und Schwächen eines jeden Schülers zu erkennen und daran zu arbeiten.

Spezielle Aufgaben für begabte Kinder

"Ich persönlich finde es hochspannend, mit hochbegabten Schülern zu arbeiten, denn sie bringen andere Fähigkeiten mit", sagt Kolewe, der nach seinem Referandariat zunächst an staatlichen Schulen tätig war und dadurch den Vergleich ziehen kann. Er erzählt von einer matheversierten Fünftklässlerin, die die Aufgabe erhielt, ein Mathebuch für ihre Mitschüler zu schreiben. "Das Ergebnis war beeindruckend", schwärmt Kolewe. Eine Win-Win-Situation: Die begabte Schülerin fühlte sich anerkannt und gesehen, der Rest der Klasse profitierte von den guten Erklärungen in dem selbst erstellten Mathebuch. 

Felix Kolewe ist stellvertretender Geschäftsführer der privaten Schule. Im Gespräch erklärt er, wie dort Hochbegabte gefördert werden. | Foto: Villa Wewersbusch
  • Felix Kolewe ist stellvertretender Geschäftsführer der privaten Schule. Im Gespräch erklärt er, wie dort Hochbegabte gefördert werden.
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Offen für Klassensprünge

Regelmäßig stellen sich bei Kolewe frustrierte Eltern vor, die für ihre hochbegabten Kindern keine Chance mehr im regulären Schulsystem sehen. Erst kürzlich kam die Familie eines Drittklässlers, der nach dem Schuljahr direkt in die fünfte Klasse der Villa Wewersbusch wechseln soll. "Er langweilt sich in der Grundschule. Er hat Defizite im Lesen, denn er ist der Meinung, er könne sich mittels moderner Technik alles vorlesen lassen. Trotzdem haben wir dem Sprung in unsere fünfte Klasse zugestimmt und gleichzeitig mit ihm als Voraussetzung für den Wechsel vereinbart, dass er seine Lesekenntnisse verbessern muss", sagt Kolewe. Im regulären Schulsystem wäre eine Acceleration (Klassensprung) unter diesen Voraussetzungen wohl kaum denkbar.

Erfolgsgeschichten

"Wir sind diesbezüglich offen", konstatiert der stellvertretende Geschäftsführer der Privatschule. Er erinnert sich an einen Achtklässler, der bis dato nicht durch besondere Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hatte. "Eines Tages sprach er uns an und fragte, ob er die zehnte Klasse auslassen könne und direkt an der Zentralen Abschlussprüfung teilnehmen könne. Das hat uns zwar überrascht, aber wir haben ihm gesagt, er solle an den Vorpüfungen teilnehmen. Die hat er sehr gut gemeistert und nach der gelungenen Abschlussprüfung schlug er vor, auf dem Weg zum Abitur auch die elfte Jahrgangsstufe zu überspringen. Wieder haben wir zugestimmt und er war so motiviert und hat selbstständig gearbeitet, dass das Überspringen der zehnten und elften Klasse gelang", erzählt Kolewe.  

Verantwortliche denken freier

Dass die Verantwortlichen an der Villa Wewersbusch viel freier und individueller denken, zeigt sich auch an anderen Stellen. So hat Kolewe gerade erst beim Schulministerium angefragt, ob die Anwesenheitspflicht für Schüler aufgehoben werden könne. Die Antwort wenig überraschend: nein. 
"Wir müssen uns an die Lehrpläne halten und unseren Schülern den Lehrstoff vermitteln, den sie für die Zentralen Abschlussprüfungen nach Klasse zehn beherrschen müssen. Aber ansonsten sind wir viel freier in der Unterrichtsgestaltung als andere Schulen", sagt Kolewe.

Stundenplan sieht anders aus

Täglich absolvieren die Privatschüler vier Blöcke, wobei der vierte jeweils aus einem "Club", einer Art AG, besteht. Statt Physik, Bio und Chemie gibt es Naturwissenschaften, Kunst wird durch Designunterricht ersetzt. Es gibt Gesellschaft als Kombination aus den Fächern Erdkunde, Sozialwissenschaften und Politik sowie Nachhaltigkeit und Wirtschaft. Einen hohen Stellenwert nehmen Medien- und Sozialkompetenzen ein. "Unsere Schüler arbeiten mit I-Pads, auf denen die Lerninhalte immer verfügbar sind." Statt Frontalunterricht sieht man beim Gang durch die Schule überall verstreut Schüler sitzen und an ihren I-Pads arbeiten.

Das I-Pad ist fester Bestandteil des Unterrichts an der Villa Wewersbusch, die Schulkleidung übrigens auch. | Foto: Villa Wewersbusch
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Selbstständiges Arbeiten

Wie man denn verhindere, dass Schüler im Unterrichts nichts tun, möchte ich von Kolewe wissen, während wir durch den Gang der Fünft- und Sechstklässler schlendern. "Am Ende eines Blocks kontrollieren die Lehrer den Lernfortschritt. Wenn sie sehen, dass ein Schüler nicht sein Soll erfüllt hat, wird er verwarnt und muss ggfs. beim nächsten Mal im Klassenraum unter Aufsicht arbeiten." Die Klassenzimmer haben wenig gemein mit denen in städtischen Gebäuden. Sie sind recht klein, sehr aufgeräumt und im Mittelpunkt ist eine weiße Leinwand, auf der Dateien gezeigt werden.

Digitale Ausrichtung

"Dank unserer digitalen Ausrichtung war Corona kein großes Problem für uns. Wir konnten vom einen auf den anderen Tag auf Distanzunterricht umstellen." Zu den Aufgaben, die die Schüler an der Villa Wewersbusch bearbeiten, gehören auch Appdesign, Videodrehs oder das Kreieren interaktiver Produkte. "Wir haben den Anspruch, schülerfreundlich zu unterrichten. Das bedeutet, einen neuen Zugang zu Themen durch entdeckendes und emotionales Lernen zu ermöglichen." Als Beispiel nennt Kolewe das Mathethema "Primzahlen zerlegen". Seine Schüler sollten eine App mit Videos und Erklärungen gestalten. "Das prägt sich viel mehr ein als wenn ich das Thema einfach nur besprochen hätte."

Reguläre Lehrpläne "fünf bis zehn Jahre" hinterher

Er konstatiert, dass die vom Ministerium vorgegebenen Lehrpläne um "fünf bis zehn Jahre hinter dem aktuellen Geschehen hinterher" seien und berichtet von einem Positiv-Beispiel, das man aus diesem Grund an anderen Schulen vergeblich sucht: Vor Kurzem war ein Professor aus Berlin zu Gast in Langenberg, um den Schülern die Blockchain-Technologie und Kryptowährungen zu erklären.

Schulkosten

So viel Engagement, individuelle Förderung und alternatives Lernen hat aber auch seinen Preis. 1250 Euro pro Monat kostet die Privatschule für pendelnde Schüler, wer das Internat besucht, zahlt 2250 Euro monatlich. "Das muss man sich leisten können", weiß Kolewe, sieht aber keine Alternative. "Dieses Bildungsangebot ist nicht in Einklang zu bringen mit staatlicher Förderung wie etwa Ersatzschulen sie erhalten. Die haben beispielsweise die Vorgabe ,ein Lehrer auf 24 Schüler'. Das wollen wir nicht." Zum Schluss erwähnt er das Stipendien-Programm, schränkt aber gleich ein: "Das ist sehr begehrt." Hin und wieder übernimmt das Land die Finanzierung - dann muss aber eine Diagnose wie Autismus vorliegen. Einfach nur hochbegabt reicht da nicht aus.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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