Die Sonne geht nicht auf

Kapitalismus und Sozialismus treffen aufeinander: die beiden Jugendfreunde Hoffmann (Dietmar Bär, links) und Loth (Matthias Redlhammer). Foto: Diana Küster | Foto: Diana Küster
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Zu einem Skandal wurde die Uraufführung von Gerhart Hauptmanns Stück „Vor Sonnenaufgang“ im Jahr 1889. Anselm Webers Inszenierung des düsteren Dramas im Schauspielhaus dagegen wurde jetzt vom Premierenpublikum umjubelt.

Hauptmanns Drama gehört zu den Hauptwerken des Naturalismus‘ und schildert bis dahin auf der Bühne vernachlässigte soziale Themen, wie Alkoholismus, Ehebruch und Inzest, mit denen Alfred Loth (Matthias Redlhammer) konfrontiert wird, als er nach Witzendorf kommt, um die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bergarbeiter zu untersuchen. Dort trifft er auf seinen Jugendfreund Hoffmann (Dietmar Bär), der in die Bauernfamilie Krause eingeheiratet hat, die durch das Kohlevorkommen unter ihren Feldern reich geworden ist. Moral und Grundsätze sind hier zu Fremdwörtern geworden, während Loth immer noch an den sozialistischen Utopien seiner Jugend festhält und bestrebt ist, die ganze Welt zu retten. Dabei hält er jedoch so unnachgiebig an seinen Prinzipien fest, dass er es noch nicht einmal schafft, Krauses Tochter Helene (Xenia Snagowski) zu retten, die als einzige unter den Verhältnissen leidet und hofft, mit ihm daraus zu entfliehen.
Matthias Redlhammer spielt diesen Loth mit einer eindringlichen Strenge, die sich auch physisch in Stimme, Körperhaltung und Kostüm widerspiegelt. Im krassen Gegensatz dazu steht Lebemann Hoffmann, von Dietmar Bär jovial, aber zugleich skrupellos angelegt, der elegante Kleidung trägt und wie die übrige Familie auf keinerlei Freuden verzichtet.
Aber trotz Hummer, Austern und Champagner schwingt die ganze Inszenierung hindurch ein Gefühl der Ausweglosigkeit mit, das durch das karge Bühnenbild von Alex Harb und eine bedrückende Geigenmelodie, die mehrmals wiederkehrt, konsequent verstärkt wird.
Ein Happy End gibt es in diesem Stück für niemanden. Auch für Frau Krause, ihren Neffen Wilhelm und Bauer Krause nicht, denen die Darsteller Katharina Linder, Felix Rech und Claus D. Clausnitzer eine erschreckende Zügellosigkeit verleihen. Die drei wurden einerseits zu Opfern, weil sie mit ihrem Wohlstand nicht umgehen können, während sie andererseits in ihrem Umgang mit Helene, die Xenia Snagowski mit einer Mischung aus Verzweiflung und Naivität spielt, zu Tätern werden.
Für das von ihm auf die Spitze getriebene Ende des Hauptmann‘schen Dramas findet Regisseur Anselm Weber lange nachwirkende Bilder, wenn erst Loth sich von allen Figuren umringt sieht, die Helenes Leben zerstört haben, und dann Bauer Krauses verstörende Schlussworte laut vom Tonband durch den Zuschauerraum dröhnen.
Das Stück „Vor Sonnenaufgang“ ist wieder am 9., 13. und 30. Juni sowie 1. Juli im Schauspielhaus zu sehen. Karten gibt es unter der Telefonnummer 0234/33335555.

Kapitalismus und Sozialismus treffen aufeinander: die beiden Jugendfreunde Hoffmann (Dietmar Bär, links) und Loth (Matthias Redlhammer). Foto: Diana Küster | Foto: Diana Küster
Für einen kurzen Moment scheinen Helene (Xenia Snagowski) und Loth (Matthias Redlhammer) eine Zukunft miteinander zu haben. Foto: Diana Küster | Foto: Diana Küster
Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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