Zum 90. Geburtstag von Cees Nooteboom
Immer noch neugierig

„Manchmal geschieht so etwas, man hat Dinge in aller Unschuld geschrieben, und Jahre später hat ein italienischer Bildhauer sie gelesen und einen Zusammenhang mit dem entdeckt, was er selber macht“, schreibt Cees Nooteboom in seinem jüngst erschienenen Band „In den Bäumen blühen Steine“, in dem er sich mit den Berührungspunkten seiner Gedichte und den Skulpturen des italienischen Künstlers Giuseppe Penone (Jahrgang 1947) auseinander setzt.

Dem niederländischen Schriftsteller geht es darin aber nicht nur um eine genreübergreifende Annäherung, sondern auch um eine intensive Auseinandersetzung mit der Natur – vor allem mit Steinen, ein bevorzugtes Arbeitsmaterial von Penone. Und mit Penones Affinität zu Steinen verbindet Nooteboom viele visuelle Eindrücke aus seiner Zweitheimat Menorca, wo die Natursteinmauern (ähnlich wie auf Mallorca) in den ländlichen Regionen das Landschaftsbild maßgeblich prägen. Ein Bändchen voller Assoziationen, voller Neuentdeckungen eines bereits in die Jahre gekommenen Autors, der sich offensichtlich eine Portion jugendlichen Entdeckergeist erhalten hat. Papst Franziskus hat Penone im Februar 2019 zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der schönen Künste und der Literatur ernannt.
In Zeiten des zusammen wachsenden Europas gewann das Werk von Cees Nooteboom immer mehr an Bedeutung. Der bekennende Kosmopolit mit Wohnsitzen in Amsterdam (nahe dem Zentralbahnhof) und auf Menorca (dort spielt sein schmaler Roman "Der Ritter ist gestorben") räumt zwar ein, dass es schwierig sei, "sein Leben auf mehrere Länder und damit auch auf mehrere Sprachen zu verteilen", doch künstlerisch ist ihm dies hervorragend gelungen. Für Nooteboom mischen sich beim Reisen und Erkunden fremder Schauplätze und Kulturen Passion und Profession.
In Deutschland erfreut sich Cees Nooteboom, der heute* vor 90 Jahren in Den Haag geboren wurde, ausgesprochen großer Beliebtheit. Vor rund 30 Jahren setzte - nicht zuletzt ausgelöst durch Marcel Reich-Ranickis lobenden Stoßseufzer ("Dass die Niederländer so einen Schriftsteller haben.") - ein wahrer Nooteboom-Boom ein.
Dass Nooteboom in seiner Heimat auf eine vergleichsweise nur geringe Resonanz stößt, liegt vermutlich darin begründet, dass der Autor am allerwenigsten ein typisch niederländischer Schriftsteller ist und durch seine schon in jungen Jahren ausgeprägte Reiselust eher als literarischer Kosmopolit gilt. Schon im Teenager-Alter trampte er nach Belgien. Was dann folgte, war eine unendliche Reise - bis in die entlegensten Winkel aller Kontinente.
Trotz seiner großen internationalen Erfolge leidet Nooteboom an der weitgehenden Ignoranz seiner Landsleute: "Ich bin und bleibe ein niederländischer Schriftsteller, der auch im eigenen Sprachraum gewürdigt werden will."
Der Verfasser der bedeutenden Romane "Allerseelen", "Rituale" "Der Ritter ist gestorben" und "Paradies verloren", der einst glühende Verfechter der Europäischen Union, neigt inzwischen zum Skeptizismus. Seine Stimme ist dunkler geworden, in seinen Gedichten ist auffallend oft vom Tod die Rede, und die Zukunft Europas schätzt er arg pessimistisch ein – nicht erst seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Bereits vor einem Jahr hat der Suhrkamp Verlag (man könnte meinen im Vorgriff auf den 90. Geburtstag) einen opulenten Band mit Prosa und Gedichten heraus gegeben. Poetisch und geografisch äußerst breit gefächert.

Cees Nooteboom: In den Bäumen blühen Steine. Die erdachte Welt von Giuseppe Penonen. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 101 Seiten, 24 Euro.

Cees Nooteboom: Gesammelte Werke. Prosa und Gedichte 2016 bis 2021. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen und Ard Posthuma. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022, 1104 Seiten, 68 Euro

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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