Interview mit Mathias Schüller (Karo)
Eine kleine aber ziemlich feine Weseler Musikwelt

Mathias Schüller an der Karo-Bühne. | Foto: dibo
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Das Gebäude diente der Stadt Wesel dereinst als Teil der städtischen Realschule. Vom Erscheinungsbild her eher bieder - jedoch alles andere als hässlich. Vier Klassen hatten Platz im Innern.

Heute ist das "Karo" das City-Jugendheim der Stadt Wesel. Eigentlich eine altehrwürdige Einrichtung, denn 1998 erfolgte ein Umzug aus dem ehemaligen Jugendzentrum in der Zitadelle (heute Stadtarchiv) ins Karolinenheim am Herzogenring. Ein wichtiger Teil des alljährlichen Programms sind die Konzerte,  die Leiter Mathias Schüller auf die Beine stellt. Nicht nur Kenner der internationalen Musikszene wundern sich, wie er's schafft, die "Karo"-Bühne mit derartig hoher Qualität zu bespielen. 
Mathias Schüller ist eher der leise Typ. Betont gerne, dass hier ein Team am Werk ist, ohne dessen effektivem Zusammenwirken nichts funktionieren würde. Doch bei aller Bescheidenheit - de Konzerte sind Schüllers Kind. Deshalb haben wir versucht, ihn dazu mit einigen Fragen zu kitzeln ...

Das Interview  ...

dibo: Moin Mathias! Gut erholt, so kurz nach dem Urlaub – und bereit für die anstehende Konzertsaison?
Mathias: Der Urlaub war toll. Jetzt kann es weitergehen. Was die Karo Konzert Herbstsaison betrifft, geht es Schlag auf Schlag.
Das erste Konzert am Donnerstag, 1. September, ist auch direkt ein besonderes. An dem Abend gastiert Toby Beard mit ihrer Band. Toby ist eine australische Vollblut-Musikerin und gibt immer alles. Singer/Songwriter umfasst Tobys Musik-Genre. Sie hat aber ihren komplett eigenen Stil. Ein Live-Auftritt mit Toby und ihrer herausragend guten Band ist ein Hochgenuss. Ihre Bühnenpräsenz, ihr fesselnder Gesang und die Art und Weise, wie sie ihr Publikum einfängt, kann nur verstehen, wer sie gehört und gesehen hat. Urban Folk Singer Phil Vetter, der auch eine Zeit lang in Wesel gelebt hat, wird den Abend eröffnen. (weitere Programm-Infos ganz unten!)

dibo: Warum ist das Karo gegenüber der Royal Albert Hall in London die bessere Wahl?
Mathias: Wesel hat den Auesee, den langen Heinrich und die unglaubliche Natur drum herum. Was hat London zu bieten? Regen, Nebel, den Brexit, den unheimlichen Schatten Boris Johnsons und Jack The Ripper. Selbst der Hund von Baskerville wollte niemals nach London. In der Royal Albert Hall gibt es eine Klimaanlage und wohltemperierte Sitzgelegenheiten. Das Karo hat aber die mit Abstand heißeste Bühne des Niederrheins. Also. Ist doch klar!

dibo: Wie schaffst du‘s eigentlich, derart qualitativ hochwertige Künstler nach Wesel zu locken?
Mathias: Dass so eine große Qualität an Musikern im Karo auftritt, ist keine große Kunst und kaum Zauberei. Das Karo ist in Musiker-Kreisen sehr beliebt, obwohl hier keine großen Gagen zu erwarten sind. Die Organisation im Vorfeld und am Veranstaltungstag läuft. Der Sound ist zumeist überragend wie auch der Besuch. Das Konzept, überregional/international bekannte Bands mit der jungen lokalen Szene in Verbindung zu bringen, hat sich durchgesetzt. Viele Weseler Bands haben im Karo geprobt und hier auch ihren ersten Auftritt absolviert. Überhaupt funktioniert das Ganze auch sowie nur in Verbindung mit den Musikaktivitäten, die das Karo anbietet. 40 Kinder und Jugendliche wöchentlich nehmen an den Angeboten in Gitarren-, Schlagzeug- und Bandprojekten wahr. Das ist leidenschaftliche Nachwuchsförderung. Hier gibt es auch zusätzlich eine schöne Kooperation mit der Rockschule und der Esel Rock Initiative.

dibo: Gibt es eine/n Musiker/in, die/den Du besonders gerne auf der Karo-Bühne hättest?
Mathias: Die Nerven, Isolation Berlin und Motorpsycho. Realistischerweise noch Jack White und Radiohead.

dibo: Wie schafft Ihr es, die Auftritte zu finanzieren, wenn nur 30 zahlende Gäste kommen?
Mathias: Viele Bands verzichten auf die ganz großen Gagen, um im Karo spielen zu können. Die meisten Konzerte finden montags statt. Viele sind froh, den Montag im Tourplan zu füllen und in Wesel hat sich für die Montage ein Publikum gefunden. An den Montagen gibt es auch keinen Ausfall für die Angebote der Offenen Tür, da das Karo für die Kids dienstags bis einschl. sonntags geöffnet ist. 30 zahlende Zuschauer kommt vor, zumeist sind die Karo Konzerte besser besucht. Bei ca. 15 Konzerten im Jahr (vor Corona) hat es sich immer ausgeglichen. 2-3 Konzerte im Jahr müssen halt so richtig knallen. Und die Getränkeeinnahmen kommen hinzu. Der Zuschauerschnitt über die Jahre lag stabil bei 80 Personen. Allerdings gab es in der Corona-Zeit lediglich drei Konzerte mit hochwertigen Bands, die unter den Auflagen auf 40 Zuschauer limitiert waren.

dibo: Hat Wesel ein sachverständiges Musikpublikum?
Mathias: Das Karo Konzert Publikum ist unglaublich toll. Bis in die USA und Australien ist das Karo bekannt und auch beliebt für sein aufmerksames Publikum. Bekannt, weil hier u.a. Jason Isbell und Larkin Poe aufgetreten sind, beide mittlerweile Superstars in den USA, die Stadien füllen, so wie auch die Black Sorrows in Australien, die ja im September hier spielen. Das Weseler Publikum liebt Musik, hört zu und wenn der Funke überspringt, kann es zur Explosion kommen. Der Niederrheiner ist ja sehr herzlich, erst mal zurückhaltend, aber dann …

dibo: Im Karo gibt’s auch jede Menge andere Aktionen. Läuft’s (trotz Corona) gut?
Mathias: Die tägliche Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen war, ist und bleibt der mit Abstand wichtigste Schwerpunkt. So ein tolles Haus, wie das alte Karolinenheim, vermutlich fertig gestellt im Jahre 1908, hat aber noch eine Menge mehr Möglichkeiten zu bieten. Das Karo Team will alles ausloten, um für die Weseler ein buntes Angebot auf die Beine zu stellen.
In der Corona-Zeit waren wir immer mit unserem Stammpublikum verbunden. Das Karo bedeutet für alle in Wesel vertretenen Kulturen Heimat und – so pathetisch das klingt- auch Familie. Wir haben in der Corona-Zeit getan, was wir konnten, was mit Maskenpflicht und Gruppenbeschränkungen nicht immer ganz einfach war. Seit Monaten sind alle Beschränkungen aufgehoben und die Bude ist voll mit bis zu 100 Kids täglich. (unten weiter: siehe "Programm und Aktionen")

dibo: Hast Du aktuell eigene musikalische Pläne?
Mathias: Ich habe auch immer eigene Pläne, weil Musik zu meinem Leben gehört, wie die Luft zum Atmen. Es ging mir, wie allen anderen auch so, dass ein neues Album brachlag. Das soll jetzt mit Konzerten im Oktober/November 2022 und Februar 2023 nachgeholt werden.

dibo: Drauflos gesponnen: Bob Dylan, Lady Gaga und Sting erklären sich bereit, für 1000 Euro Gage im Karo aufzutreten. Wen lädst Du ein?
Mathias: Mit meinem rauen niederrheinischen Charme würde ich Bob, die Lady und Sting überreden, für je 333,33 Euro zu spielen. Bob und die Lady performen "Knocking On Heaven´s Door" mit Sting am Bass. Anschließend gibt es eine herzzerreißende Version von Roxanne. Außerdem hätte ich noch einen Glücks-Cent übrig …

dibo: Was ist dein sehnlichster Wunsch für den Karo-Herbst?
Mathias: Ich hoffe, dass die Corona Lage möglichst stabil bleibt und sich langsam abschwächt. Ich wünsche mir, dass alle Angebote stattfinden können, dass der Zuspruch bei unseren Kids und bei den Konzertbesuchern (nach der Pause wieder) so gut bleibt. Über allem steht aber die Gesundheit, ein friedvolles Miteinander und der Blick in eine positive Zukunft.

Die Spätsommer-Mucke ...

Nach der Programm-Eröffnung mit Toby Beard und Phil Vetter folgt ein Paukenschlag: Am Montag, 12.09.22, gibt es einen australischen Abend mit The Black Sorrows und den Hussy Hicks. Wer im Känguru Kostüm kommt und das den ganzen Abend trägt, erhält freien Eintritt. Die Black Sorrows, angeführt von Mastermind Joe Camilleri, stehen seit Jahrzehnten an der Spitze der australischen Musikszene. Die Band begeistert mit Blues, Country, Soul und Rock´n Roll. Die nächste Spitzen-Klasse-Abteilung besetzen die Hussy Hicks. An diesem Abend spielen sie mit einer kompletten Band. Leesa Gentz Soul-Gesang verliert sich in unfassbare Sphären und Julz Parker gehört zu den besten Gitarristinnen Australiens. Das ist zwei Mal Weltklasse an einem Abend.
Am Montag, 19.09.22, kommen My Darling Clementine zum ersten Mal nach Wesel. Sie sind ein britisches Gesangsduo, bestehend aus dem Ehepaar Michael Weston King und Lou Dalgleish. Sie interpretieren ihren special kind of Country mit einem Schuss Soul. Der local support tull &more wird den Abend eröffnen.
Wieder an einem Montag, den 26.09.22, kommt mit Joseph Parsons ein ganz besonderer Songwriter ins Karo. Er schreibt phantastische Songs und hat diese Stimme, die man sich merkt. Er ist immer mit den besten Musikern unterwegs, diesmal mit der Folk-Rock-Band The End Of America.
Zum Abschluss der Herbst-Konzert-Welle gibt es am Montag, 03.10.22, eine Wahnsinns double show. Suzan Köcher´s Suprafon ist eines der spannendsten deutschen Projekte der letzten Jahre. Die Band hat einen einzigartigen Sound entwickelt, der von Köchers magischer Stimme, eindringlichen Melodien und einem schwebenden Klang lebt. Die Musik bietet eine Mischung aus Sixties Beat, Folk und Psychedelic Rock. Den Auftakt macht das zauberhafte schottische Folk Duo Doghouse Roses. Iona MacDonalds honigsüße Stimme korrespondiert hervorragend mit dem Gitarrenpicking Paul Taskers. Ihre Songs sind warm und vertraulich.
Der Einlass zu allen Konzerten beginnt ab 19 Uhr. Start ist in der Regel um 20 Uhr. Die VVK-Preise bewegen sich zwischen 10 und 20 €, die AK-Preise zwischen 15 und 25 €. Reservierungen zum VK-Preis gibt es unter mail jz-karo@gmx.de. Zudem gibt es einen VVK im Eventkiosk & Ticketshop in der Weseler Grünstraße2. Hier können tickets unter karokonzerte.de vorbestellt werden. Weitere Infos unter www.jz-karo.de.

Programm und Aktionen ...

Vor den Sommerferien gab es zusätzlich u.a. Lesungen und Theaterprojekte zum Thema Antisemitismus und Integration, die Durchführung einer U-18 Wahl mit zusätzlichen Angeboten zur Schulung des Demokratieverständnisses, Projektunterricht mit den weiterführenden Schulen Wesels (hier vor allem Alkohol- und Drogenprävention), die Betreuung einer Nachmittags AG der neuen Gesamtschule vis a vis. In den Sommerferien hatten wir einen täglichen Besuch von 50 – 80 Kids mit vielen Aktionen (Musik natürlich, Sport, Graffiti, Zirkus, Film, Kochen, einer gruseligen Nachtwanderung u.v.m.). Am Samstag, 13.08., veranstalten wir eine HipHop Balkan Party für die Kids sowie am gleichen Wochenende eine Fahrt zur Sport-Jugendherberge nach Hachen. Im September gibt es ein großes Social Media Projekt sowie eine Woche des Weltfriedens mit vielen tollen jugendkulturellen Angeboten, eingebunden in die landesweite Nacht der Jugendkultur. In den Herbstferien wird es einen Boys Day geben sowie weitere tolle Ferienangebote. Ende Oktober starten wir mit 50 Jugendlichen eine Halloween Fahrt in den Movie Park. Dazu gibt es die tägliche Arbeit im Bereich der Offenen Tür an sechs Tagen in der Woche, inklusive samstags und sonntags.

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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