Umfrage bei lokalen Versorgern
Kann unser Gas bald knapp werden?

Wird's bald knapp bei der Gas- und Stromversorgung?
Manche befürchten das. | Foto: dibo
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  • Wird's bald knapp bei der Gas- und Stromversorgung?
    Manche befürchten das.
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Der Frühling bricht sich zum zweiten Mal Bahn am Niederrhein. Doch die Eisheiligen sind nicht mehr fern und wir alle wissen, dass es bis Mitte Mai noch recht schattig sein kann zwischen Kleve und Oberhausen.

Und dann diese beunruhigenden Nachrichten aus dem Osten, die - abseits des unermesslichen menschlichen Leids - vielen Verbrauchern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Werden wir im nächsten Winter in kalten Wohnzimmern sitzen, weil's nicht genügend Gas gibt? Eine aktuelle Umfrage der Niederrheinischen IHK unter den regionalen Unternehmen macht solche düsteren Gedanken nicht wirklich besser: "Der Angriff auf die Ukraine, die schrecklichen Verbrechen dort und die Drohungen Putins lassen ein Gas-Embargo befürchten. Für die Wirtschaft an Rhein und Ruhr wäre ein solcher Schritt dramatisch, oft sogar existenzbedrohend!" So formulieren IHK-Präsident Burkhard Landers und Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelbinger ihre Einschätzung.

In der Region wären 87 Prozent der Unternehmen direkt oder indirekt betroffen. Umso wichtiger sei es, dass Politik und Verwaltung die Betriebe frühzeitig in die Planungen einbeziehen. Nur so können sie sich auf den Notfall vorbereiten. „Bei uns in Duisburg und am Niederrhein verbrauchen die Unternehmen rund neun Prozent der in Deutschland gewerblich genutzten Energie. Unsere Wirtschaft ist also besonders auf Gas, Strom und Kohle angewiesen. Wenn die Produktion bei uns ins Stocken gerät, bekommen wir bundesweit ein Problem, denn viele unserer Grundstoffe, etwa Chemie- und Stahlerzeugnisse, stecken in vielen anderen Produkten“, betont Burkhard Landers.

Laut IHK sehen 14 Prozent der Befragten ein Gas-Embargo als existenzgefährdend an. „Viele Anlagen können nicht beliebig hoch- und heruntergefahren werden. Reicht die Gasmenge nicht aus, geht die Anlage kaputt. Große Industriebetriebe sind deshalb aktuell sehr besorgt“, erläutert Dr. Stefan Dietzfelbinger. „Hinzu kommt, dass viele ihre Fertigung bei den hohen Energiepreisen drosseln oder sogar ganz herunterfahren müssen. Es lohnt sich dann nicht mehr“, so Dietzfelbinger weiter.
47 Prozent der befragten Betriebe haben bereits Maßnahmen ergriffen, um Gas einzusparen. „Das kürzlich verabschiedete Gesetzespaket zum Ausbau erneuerbarer Energien ist ein richtiger Impuls für mehr Unabhängigkeit “, so Landers. Seine Forderungen: Geplante Projekte durch Vorab-Genehmigungen ermöglichen, alternative Energieträger nutzen, Laufzeiten bestehender Technologien verlängern oder sogar bestehende Regeln temporär aussetzen.

Aktuell bezieht Deutschland 55 Prozent seines Erdgasbedarfes aus Russland. Knapp 40 Prozent des Erdgases werden in der Industrie verwendet. Viele Prozesse sind eng miteinander verzahnt. Am Niederrhein sind zum Beispiel auch viele Wohnungen von der Industrieproduktion abhängig: Sie werden mit der Prozesswärme über Fernwärmeleitungen beheizt.

Und wie sieht's bei den Privathaushalten aus? Eine Anfrage bei lokalen Versorgern zeigt ein relativ beruhigendes Ergebnis.

Einschätzung in Dinslaken

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat bereits am 30. März die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Dazu heißt es in den weitergehenden Informationen im Online-Auftritt des Ministeriums: „Die Versorgungssicherheit mit Gas ist aktuell gewährleistet. Es gibt aktuell keine Versorgungsengpasslage“. Dennoch müsse das Ministerium die Vorsorgemaßnahmen erhöhen.

„Bei den Stadtwerken Dinslaken und der Fernwärmeversorgung Niederrhein sieht man die Versorgung der von ihnen belieferten Haushalte mit Strom, Gas und Fernwärme, die in Dinslaken 60 Prozent der Wärmeversorgung ausmacht, derzeit nicht gefährdet“, bestätigt Geschäftsführer Josef Kremer. „Dazu tragen insbesondere unsere Biomasse-Anlagen bei, in denen wir Wärme und Strom erzeugen“.

Zudem stehen Fernwärmeanlagen, die Haushaltskund*innen und grundlegende soziale Dienste wie Krankenhäuser und Schulen versorgen, nach der Erdgas-Sicherheitsverordnung (SoS-VO) und dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) unter einem besonderen Schutz. Dieser gilt entsprechend auch für die Gas-Versorgung privater Haushalte. Deshalb bewertet man bei den Stadtwerken Dinslaken auch deren Belieferung selbst im Fall eines Lieferstopps aus Russland als sicher.

Einschätzung in Emmerich

"Derzeit bestehen keine Einschränkungen bei der Erdgasversorgung im Netzgebiet der Stadtwerke Emmerich GmbH", betonen Steffen Borth (technischer Prokurist) und Tobias Mies (kaufmännischer Prokurist). 
Bedingt durch die Sorge um die Zuverlässigkeit der Gasversorgung aus Russland wurde am 30. März 2022 mittels Pressemitteilung durch das Bundeswirtschaftsministerium die erste Stufe (sog. „Frühwarnstufe“) des Notfallplans Gas ausgerufen. Ziel dieser Phase ist insbesondere die Bildung eines Krisenstabs zur Umsetzung eines behördlichen Monitorings der Gaseinspeisungen und -ausspeisungen in der Bundesrepublik Deutschland. Auf der Homepage der Bundenetzagentur wird hierzu ein täglicher Bericht veröffentlicht. Erst durch das Ausrufen der zweiten oder dritten Stufe des Notfallplans wird bundesweit auf weitere Maßnahmen zurückgegriffen.

Borth/Mies: "Wir beobachten die aktuelle Lage ebenfalls sehr genau und haben zusätzlich ein internes Team eingerichtet, um auf mögliche Entwicklungen und deren Auswirkungen auf unser Netzgebiet schnellstmöglich reagieren zu können. Dennoch möchten wir bekräftigen, dass aktuell -weder in Emmerich am Rhein noch in der bundesweiten Gasversorgung- eine sogenannte „Gasmangellage“ ersichtlich ist.
Sollte es zu einer Gasmangellage kommen, so zählen bundesweit die mit Erdgas versorgten Privat- oder Haushaltskunden gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) als sogenannte „Geschützte Letztverbraucher“. Die Sicherstellung der Erdgasversorgung geschützter Letztverbraucher hätte in einer Notfallsituation also Vorrang.

Weseler Einschätzung

Rainer Hegmann, Geschäftsführer der Weseler Stadtwerke, beurteilt die Situation so: "Wir gehen davon aus, dass die bestehenden Lieferverträge eingehalten werden!" Angesichts der ausgerufenen und zurzeit gültigen Notfallwarnstufe 1 sei man vor Ort aktiv geworden und habe alle betroffenen Kunden informiert, dass sie im Eskalationsfalle nicht zu den per Gesetz geschützten Letztverbrauchern gehören würden.
Damit spielt Rainer Hegmann auf die Möglichkeit an, dass das Bundeswirtschaftsministerium eine höhere Warnstufe ausrufe. "Das ist eine Situation, die wir uns alle nicht wünschen", so der Stadtwerke-Chef. Zurzeit sprächen die Speicherstände allerdings dafür, dass man sich bezüglich des Winters 2022 keine Sorgen machen müsse.
Auch die Stadtwerke Wesel haben einen Krisenstab eingerichtet, der die Lage jeden Tag sorgfältig beobachtet. Im Notfall , so erklärt Hegmann, sei die Weisungskette jedoch folgende: Aktuelle Maßnahmen gibt der Bundeswirtschaftsminister vor, und zwar direkt an die Bundesnetzagentur. Diese informiert die Netzbetreiber, welcher am Niederrhein Thyssen Gas ist. Der setzt die lokalen Anbieter in Kenntnis, woraufhin diese wiederum ihre Kunden über aktuelle Entwicklungen informieren

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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