Genesen und doch nicht gesund
Langzeitbeschwerden nach COVID-19 Infektion

Chefarzt Dr. med. Winfried Neukäter während einer Elektroneurografie (ENG). Mittels dieser Untersuchung können beispielsweise Polyneuropathien und Nervenschädigungen, die u.a. als Folge einer COVID-19 Infektion auftreten können, diagnostiziert werden. | Foto: EVK
  • Chefarzt Dr. med. Winfried Neukäter während einer Elektroneurografie (ENG). Mittels dieser Untersuchung können beispielsweise Polyneuropathien und Nervenschädigungen, die u.a. als Folge einer COVID-19 Infektion auftreten können, diagnostiziert werden.
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  • hochgeladen von Petra Zellhofer-Trausch

Aktuell gelten laut Robert-Koch-Institut (RKI) rund 3,7 Millionen Menschen die an COVID-19 erkrankt waren wieder als genesen und somit als nicht mehr ansteckend. Dennoch leiden, trotz überstandener Infektion, viele Menschen auch noch Monate später an den langfristigen gesundheitlichen Folgen der Erkrankung. Diese als Long-Covid-Syndrom oder Post-Covid-Syndrom bezeichneten Symptome können unterschiedlich schwer ausgeprägt sein.

Wesel. Rund zweidrittel der an COVID-Erkrankten leiden auch nach der Genesung noch an den Folgen der Infektion. Das so genannte Long-Covid-Syndrom beschreibt dabei ein breites Spektrum an Symptomen und gesundheitlichen Störungen, die nach einer überstandenen COVID-19 Infektion auftreten können. Diese betreffen sowohl die körperliche, wie auch die psychische und emotionale Gesundheit und können sich auf die gesamte Lebensqualität auswirken.

Oft Monate für die vollständige Genesung
„Selbst nach einem milden Krankheitsverlauf, wie wir ihn oft bei jungen Menschen sehen, benötigen die Erkrankten oft Monate, um wieder vollständig gesund zu werden“, weiß Dr. med. Winfried Neukäter aus seiner täglichen Arbeit in der Klinik für Neurologie, Neurogeriatrie und neurologische Frührehabiliation des EVK Wesel. „Da COVID-19 eine Multiorganerkrankung ist, bei der das gesamte Körpergewebe, Gefäß- und Immunsystem betroffen sind, können überall im Körper unterschiedlichste Beschwerden zurückbleiben.

Spätfolgen oft erst nach Monaten
Manche Spätfolgen treten sogar erst Wochen oder Monate nach der Erkrankung auf“, so der Chefarzt. „Neben einer dauerhaften Müdigkeit, auch als Fatigue bezeichnet und einer damit verbundenen Erschöpfung und niedrigen Belastungsgrenze berichten viele Patienten beispielsweise auch von Problemen der Atemwege, wie Kurzatmigkeit oder anhaltenden Hustenreiz.“ Gelenk- und Muskelschmerzen oder Schmerzen in der Brust und eine allgemeine Muskelschwäche werden ebenso genannt, wie Herz- Kreislaufbeschwerden, Depressionen, Angstzustände und Symptome die den Magen-Darmtrakt betreffen.

Vielzahl neurologischer Symptome
„Im Stationsalltag sehen wir häufig Patienten die nach einer abgelaufenen SARS-CoV-2 Infektion mit einer Vielzahl an neurologischen Symptomen kommen“, erklärt der Facharzt für Neurologie. „Dazu gehören, Geruchs- und Geschmacksverlust, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaf- und Wortfindungsstörungen, aber auch Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme die so ausgeprägt sein können, dass der Wiedereinstieg in das normale (Arbeits-)Leben nur schwer gelingt und eine Eingliederung in das Berufsleben eine sehr lange Zeit überdauern kann.“ Bei kritischeren Verläufen, die insbesondere eine intensivmedizinische Betreuung bedurften, sind manifeste Schädigung des Nervensystems mit ausgeprägten Lähmungen und Gefühlsstörungen nicht selten. Eine europaweite Studie hat gezeigt, dass etwa jeder vierte intensivmedizinisch behandelte Patient nach einem schweren COVID-19- Verlauf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) aufweist. Insbesondere Langzeitbeatmete zeigen hierbei eine eingeschränkte Funktion des Atmungsapparates.

Die Ursache des Long-COVID-Syndroms ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Um die Folgen abzumildern und zu behandeln, ist daher ein spezielles Therapieprogramm notwendig. Dieses sollte in Abhängigkeit der betroffenen Organe und Funktionsstörungen ganz individuell auf jeden Patienten abgestimmt werden.

„Neben einer Physiotherapie, insbesondere mit Atemtraining, Ergotherapie und Logopädie kann auch eine neuropsychologische Therapie notwendig sein“, erläutert Neukäter. „Sinnvoll für die Patient:innen ist es, ein langsames schrittweises Ausdauertraining zu implementieren. Treten Geruchsstörungen auf, kann ein gezieltes Riechtraining beispielsweise mit Rosen- oder Zitrusdüften hilfreich sein, Gerüche wieder bewusst wahrzunehmen.“ Tritt im Zuge des Long-Covid-Syndroms eine eingeschränkte Lungenfunktion auf, ist nach Rücksprache mit einem Lungenfacharzt ggf. auch eine medikamentöse Therapie mit Dosisaerosolen und Inhalationstherapien angezeigt. Auch im Rahmen von Erschöpfungszuständen und depressiven Symptomen kann eine medikamentöse Begleittherapie in Form von antriebssteigernden und antidepressiv wirkenden Medikamenten notwendig werden.

Zeitnahe Behandlung zwingend notwendig
„Damit die Gesundheitsstörungen und Symptome nicht chronisch werden, ist eine zeitnahe therapeutische Behandlung zwingend notwendig“, rät der Ärztliche Direktor des EVK Wesel. „Betroffene sollten keine Scheu haben, auch bei unklaren Symptomen und gesundheitlichen Störungen nach einer COVID-19 Infektion sich vertrauensvoll an ihren Facharzt zu wenden.“

Autor:

Lokalkompass Wesel aus Wesel

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