Fachkräfte- und Azubi-Mangel am Niederrhein
Beispiel LASE: Recruiting und Bewerberflaute - auf der Suche nach passendem Mitarbeiter-"Kapital"

Elektroniker, Ausbilder und Verwaltungsleitung bei LASE in Wesel sind sind besonders zufrieden mit der aktuellen Situation. | Foto: dibo
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  • Elektroniker, Ausbilder und Verwaltungsleitung bei LASE in Wesel sind sind besonders zufrieden mit der aktuellen Situation.
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Man kann's schon nicht mehr hören, aber - ja: der Fachkräftemangel und die Azubi-Flaute halten an. Corona und der Ukraine-Krieg verschärfen die Situation enorm. Betroffen sind nicht nur Unternehmen, die am Rande der regionalen Wirtschaftswelle surfen, sondern auch jene, die in den zurückliegenden Jahren den Wellenkamm quasi dauerhaft gebucht hatten.

Ein Beispiel ist die Firma LASE in Wesel. Auch dort verzeichnen die Verantwortlichen krisenbedingte Schwachstellen. Wir fühlen ihnen auf den Zahn. Fragen des Redakteurs beantworten Johanns Kosinowski (Prokuristin) und Michaela Grebe (Personal). 

dibo: LASE ist ein Weseler Vorzeige-Unternehmen. Habt Ihr genügend Azubis?
Michaela: Leider nein. In diesem Jahr blieben zum Beispiel drei unserer angebotenen Ausbildungsplätze (z. B. als Elektroniker für Betriebstechnik – m/w/d) unbesetzt. Dies finden wir sehr schade, weil wir gerne jungen Menschen die Möglichkeit geben, ihre ersten Schritte in der Berufswelt zu gehen.
Unsere Ausbildungsangebote werden auch in den umliegenden Schulen ausgehängt, wir sind auf dem Portal ausbildungsmarkt.de aktiv, bei der Lehrstellenbörse der IHK und veröffentlichen natürlich auch in der Jobbörse der Arbeitsagentur. Auch unsere Teilnahme beim Azubimarkt der Gesamtschule Am Lauerhaas hat bisher wenig Reaktionen hervorgebracht.

dibo: Was könnt Ihr Ausbildungswilligen bieten?
Johanna: LASE ist ein moderner und familiärer Arbeitgeber, der nicht nur den Auszubildenden eine Menge benefits bietet. Dazu zählen zum Beispiel sehr gute Sozialleistungen wie die betriebliche Altersvorsorge, eine private Krankenzusatzversicherung, Zuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen, ein sehr moderner und hochwertig ausgestatteter Arbeitsplatz, man kann ein JobRad leasen (natürlich auch zur privaten Nutzung), kostenlose Getränke und Obst, Weiterbildungsmaßnahmen und regelmäßige Schulungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, jährliche Veranstaltungen wie Weihnachtsfeiern und Kohlfahrten sowie regelmäßige After-Work-Events und Vergünstigungen bei vielen namhaften Herstellern durch unser „corporate benefits“-Programm.

dibo: Es mangelt flächendeckend an Interessenten. Woran könnte das liegen?
Johanna: Man stellt immer deutlicher fest, dass die Schulabgänger*innen noch gar keine Idee haben, in welche Richtung sie beruflich gehen wollen. Viele der Abiturient*innen wollen studieren, ohne sich über die Möglichkeiten einer Ausbildung intensiv informiert zu haben; eine Ausbildung kommt oft gar nicht in Frage, obwohl die Entwicklungsmöglichkeiten oft dieselben sind.

dibo: Gibt’s viele Abbrecher bei Euch?
Michaela: Nein, das ist in den letzten 10 Jahren nur einmal geschehen .
Grundsätzlich werden unsere Auszubildenden auch alle übernommen. Manche von ihnen möchten sich einige Zeit nach ihrer Ausbildung neuen Herausforderungen stellen, aber viele der jetzigen Mitarbeiter*innen haben bei LASE ihre Ausbildung absolviert und sind heute auch in Führungspositionen im Unternehmen.

dibo: Ist Social Recruiting für LASE ein Thema? 
Michaela: Dieses Thema wird für uns immer wichtiger – besonders, um die junge Generation mit Beiträgen auf Instagram und TikTok zu begeistern. Wir möchten einfach zeigen, wie es bei uns zugeht und dass es toll ist, bei uns und mit uns zu arbeiten. Aus einer Stellenanzeige lässt sich das nicht entnehmen. Hier stecken wir aber gerade noch in den Anfängen. Aber auch ein tolles Projekt für neue Azubis.
Auch auf Facebook werden wir unsere Reichweite erhöhen – wobei unser Fokus dort eher bei der Ansprache der Eltern unserer zukünftigen Auszubildenden liegt.

dibo: Finden Absolventen Eurer Ausbildung eine Stelle in unserer Region?
Johanna: Die wenigen, die uns nach ihrer Ausbildung verlassen, sind bisher sehr schnell fündig geworden. Mit einer guten Ausbildung findet man auch gute Jobs. Aber wie schon gesagt, wir übernehmen unsere Auszubildenden auch sehr gerne, da wir natürlich auch viel Zeit in die Ausbildung investieren. Unser Know-How, das wir weitergeben, möchten wir natürlich auch bei uns behalten.

dibo: Welche Eigenschaften muss ein LASE-Azubi mitbringen?
Michaela: Die jungen Menschen sollten schon Interesse bzw. Begeisterung für Ihren zukünftigen Beruf mitbringen und zumindest einen guten mittleren Bildungsabschluss haben. Je nach Fachbereich wird auf adäquate Noten in bestimmten Fächern besonderer Wert gelegt. Allerdings geben wir auch Bewerber*innen eine Chance, wenn sie uns nachvollziehbar erklären, warum es mit den Noten mal nicht so gut geklappt hat., Sie sollten aufgeschlossen, neugierig und kommunikativ sein und idealerweise grundlegende PC- und Englisch-Kenntnisse haben – den Rest lernen sie ja bei uns.

dibo: Es herrscht ja nicht nur ein Mangel an Bewerber*innen für Ausbildungsstellen, auch berufserfahrene Fachkräfte fehlen ja überall. Ist das bei LASE auch so?
Johanna: Leider ja. Wir suchen zum Beispiel seit über zwei Jahren Elektroniker*innen, um unser Team auszubauen. Auch für Positionen in der Verwaltung (z. B. für die Export-Sachbearbeitung) gibt es so gut wie keine Bewerber*innen, die dann entsprechende Erfahrung haben. LASE ist ein stetig wachsendes Unternehmen, aber dafür brauchen wir natürlich auch gute Mitarbeiter*innen. Denn die sind nun mal unser Kapital!

dibo: Wie steht’s bei Euch mit der vielzitierten Work-Life-Balance?
Michaela: denke, da sind wir ganz gut aufgestellt. Wir bieten flexible Arbeitszeiten, und durch die Zeiterfassung wird natürlich minutengenau abgerechnet. Sollten also mal Überstunden anfallen, können diese natürlich in Freizeitausgleich umgewandelt oder auch ausgezahlt werden.
Für die Verwaltungsmitarbeiter*innen, für die es möglich ist, im Home-Office zu arbeiten, bieten wir dies ebenfalls an.
Außerdem bieten wir in Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse auch regelmäßig Gesundheitstage und -maßnahmen für unsere Mitarbeiter*innen an.

dibo: Wie schätzt die Geschäftsführung die mittelfristige Entwicklung auf dem Markt ein?
Johanna: Geschäftlich gesehen befinden wir uns derzeit in einer Wachstumsphase und unsere Zukunftsaussichten sehen sehr gut aus. Wir arbeiten weltweit hauptsächlich im Bereich der Automatisierung, und hier gibt es noch sehr viel Potential.
Wenn wir uns den Arbeitsmarkt anschauen, schauen wir vor allem auch auf die demografische Entwicklung. Wir merken bereits jetzt, dass viele Fachkräfte in den wohlverdienten Ruhestand gehen, ohne dass rein zahlenmäßig genug Fachkräfte nachwachsen. Wir sind aber sicher, dass wir unseren Personalbedarf in der Zukunft wieder schneller decken können, wenn wir unseren Bekanntheitsgrad (auch über die Grenzen von Wesel hinaus) als attraktiver Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber noch steigern.

dibo: Was wünscht Ihr Euch für die nahe Zukunft?
Johanna: Dass junge Menschen sich wieder mehr mit dem Thema Ausbildung beschäftigen und Interesse und Freude daran haben.
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Statement des IHK-Präsidenten

Burkhard Landers, Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer, schickte uns auf Anfrage dieses Statement: "Die Ausbildung ist und bleibt das Fundament für den Arbeitsmarkt: Bröckelt es hier, gerät die Lage ins Wanken. Deswegen freuen wir uns, dass sich die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit Corona wieder stabilisiert hat. Unsere Umfragen zeigen, dass die Betriebe am Niederrhein geeignete Fachkräfte suchen und ausbilden wollen. Demgegenüber stehen viele Jugendliche, die noch unschlüssig sind und keinen Ausbildungsplatz haben. Das digitale Angebot, das wir in der Corona-Zeit ausbauen konnten, wird uns weiterhin begleiten. Es reicht aber nicht aus, denn der persönliche Kontakt ist essenziell. Die Betriebe gehen derzeit wieder in die Schulen und unsere Matching-Angebote sind auch wieder aus der Cloud aufgetaucht. Ein Azubi-Speed-Dating funktioniert einfach besser, wenn man sich direkt gegenübersitzt. Ich kann nur allen Jugendlichen ans Herz legen, sich umzusehen und Initiative zu zeigen. Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz waren nie so gut wie heute."

Statement der Leiterin der Arbeitsagentur

Barbara Ossyra, Geschäftsführerin der des Agentur für Arbeit im Kreis Wesel, bewertet die Situation so: ".Der Ausbildungsmarkt in der Region hat sich nach zwei Pandemiejahren weiter stabilisiert. Von den Unternehmen wurden in etwa so viele Ausbildungsstellen wie im Vorjahr gemeldet. Mittlerweile geht aber die Schere am Ausbildungsmarkt auseinander. Gab es früher rechnerisch zu wenige Stellen für Ausbildungssuchende, hat sich dieses Verhältnis nun umgekehrt. Zum einen verlassen weniger junge Menschen die Schulen, aber auch das Interesse an einer betrieblichen Ausbildung lässt nach. Für die Unternehmen wird es daher schwieriger, dazu kommen Passungsprobleme bezüglich des Wunschberufs oder des Arbeitsortes. Dennoch führt an der Ausbildung kein Weg vorbei, denn schon jetzt gibt es einen Arbeits- und Fachkräftebedarf, der sich quer durch die Branchen zieht. Das betrifft beispielsweise die Pflegeberufe, Gastronomie, aber auch Handwerksberufe und einige kaufmännische Berufe. Zudem wird in den nächsten zehn Jahren fast jeder vierte Beschäftigte das 65. Lebensjahr erreichen. Ausbildung bleibt allen Schwierigkeiten zum Trotz der Königsweg, um sich Fachkräfte zu sichern. Hier sollten Unternehmen auch bislang unbekanntere Wege gehen und jungen Menschen zum Beispiel eine Assistierte Ausbildung oder eine Einstiegsqualifizierung, also ein Langzeitpraktikum, ermöglichen. Für etwas Ältere, die bislang keine Ausbildung haben oder sich neu orientieren möchten, kann sich eine Betriebliche Einzelumschulung anbieten. Dabei sollte man auch an bereits Beschäftigte denken, die man weiter qualifizieren kann. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, die auch finanziell unterstützt werden können und zu denen man sich am besten von den Kammern oder unserem gemeinsamen Arbeitgeber-Service beraten lassen sollte. Einen weiteren Beitrag zur Versorgung der Unternehmen mit Arbeits- und Fachkräften leistet die Zuwanderung, ohne die es auch in Zukunft nicht gehen wird. Es gibt also verschiedene Stellschrauben zur Fachkräftesicherung – welches die richtigen für ein Unternehmen sind, muss man jeweils ganz individuell betrachten.

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Info: Die LASE Industrielle Lasertechnik GmbH ist ein Hersteller von Laser-Messanlagen für den Einsatz im industriellen Umfeld mit Hauptsitz in Wesel sowie der Softwareentwicklung in Bremen.
Die Messsysteme von LASE werden weltweit hauptsächlich für Hafen- und Krananwendungen, Profil- und Volumenermittlungen in Halden oder Bunkern sowie für die Vermessung von Stahlerzeugnissen eingesetzt.

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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