Auf ein Wort: Der „goldene Oktober“

Pfarrer Gerd Sauer

Der „goldene Oktober“: eine gängige Redensart; manchmal mit einem dankbaren Unterton, manchmal eher enttäuscht: Also in diesem Jahr - das war ja wohl nichts! Warten wir’s ab!
Zu meinen Lieblingsliedern im evangelischen Gesangbuch gehört eines, das auch in katholischen Gemeinden und sogar bei Vereins- und Familienfesten gern gesungen wird, nämlich Paul Gerhardts „Die güldne Sonne“. Ich finde dieses Lied sehr stimmig und lebensnah, aber auch tiefsinnig: „Die gülde Sonne ... bringt unseren Grenzen mit ihrem Glänzen ein herzerquickendes liebliches Licht.“
Wenn Gerhardt von „unseren Grenzen“ sprach, so klang auch seine eigene Lebenserfahrung, sein Kummer an: Als er 12 Jahre alt war, starb sein Vater, 2 Jahre später seine Mutter. Als er dieses Lied dichtete, waren ihm und seiner Familie mehrere eigene Kinder gestorben. „Die güldne Sonne“ ist ein Hinweis darauf, dass „unsre Grenzen“ glücklicherweise nicht endgültig sind, sondern nur eine vorletzte Wirklichkeit. Dagegen  - so Paul Gerhardt - gibt es aber eine letzte Wirklichkeit, die das Zerbrochene wieder heilt, die den Kummer überwindet, die deshalb wie aus einer anderen Welt ein „herzerquickendes, liebliches Licht“ aussendet und uns damit hier und jetzt neuen Mut macht.
Von Michelangelo stammt der wunderschöne Satz: „Die Sonne ist nur ein Schatten Gottes.“ Ich vermute, Paul Gerhardt hat diesen Satz nicht wörtlich gekannt, aber er hat das genannte Lied in derselben Grundüberzeugung gedichtet.

Autor:

Lokalkompass Witten aus Witten

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