Bettler mit großem Herzen

Als ich mein Auto auf dem überfüllten Parkplatz in der Klever Unterstadt abstelle, steht er schon da. Er spricht mit einem Paar, das gerade seine Einkaufstaschen in den Kofferraum verstaut und losfahren möchte. Ich sehe aus den Augenwinkeln, wie er von den beiden einen Parkschein in die Hand gedrückt bekommt.

Ich nehme meinen Rucksack vom Rücksitz und bin schon fast auf dem Weg in die Klever City. „Entschuldigung“, höre ich seine Stimme hinter mir. „Können Sie mir bitte Geld geben für eine Tasse Kaffee?“ Diesen Satz höre ich nicht das erste Mal. In der kälteren Jahreszeit ist es der Kaffee, im Sommer wird um eine Kugel Eis gebeten.

Ja, es berührt mich immer wieder, auch wenn ich nicht jedes Mal etwas gebe. Aber jedes Mal mache ich mir Gedanken darüber, wie schnell man, auch oder gerade in Deutschland, in solch eine Situation kommen kann. Gedanken über das Einzelschicksal, was hinter dieser Bitte stecken mag. Und ich glaube nicht, dass es jedem leicht fällt, dieses Begehr zu äußern.

Die plötzliche Arbeitslosigkeit. Eine schwere Krankheit, die einen nicht mehr das schaffen lässt, was früher eine Selbstverständlichkeit war. Vielleicht als nächster Schritt das Abwenden des Partners, der Freunde, durch diese scheinbare Stigmatisierung. Wenn Du in unserer Gesellschaft nichts mehr leisten kannst, bist Du auch nichts mehr wert.

Keine Arbeit, krank, kein soziales Netzwerk - und irgendwann auch keine Wohnung mehr? Ja, man liest und hört gelegentlich davon. Aber das ist ja alles ganz weit weg - kann uns doch nicht passieren, oder? Ganz ehrlich - ich fände es vermessen, so zu denken. Und so krame ich in meiner Geldbörse und es ist mir fast peinlich, nur ein paar einzelen 20 Cent-Stücke darin zu finden.

Der Mann bedankt sich und - drückt mir seinen Parkbon in die Hand. „Nehmen Sie, ist noch eine halbe Stunde drauf“, sagt er zu mir. Ich bin gerührt von dieser Geste, bedanke mich und packe ihn hinter die Windschutzscheibe. Und nehme mir ganz fest vor, ihm auf dem Rückweg von meinem bis dahin sicherlich aufgestocktem Kleingeld abzugeben.

Leider ist er nicht mehr da, als ich zurückkehre.

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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