Das Schauspielhaus feiert mit dem Liederabend "O, Augenblick" seinen 100. Geburtstag
Von Schmitt bis Haußmann

"O, Augenblick" ist ein knallbuntes Vergnügen, bietet aber durchaus auch Stoff zum Nachdenken.  | Foto: Roder
  • "O, Augenblick" ist ein knallbuntes Vergnügen, bietet aber durchaus auch Stoff zum Nachdenken.
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Spätestens wenn Georgios Tsivanoglou als demonstrativ übellauniger und im Umgang mit der Öffentlichkeit bisweilen ziemlich undiplomatischer Frank-Patrick Steckel „Don't let me be misundertood“ anstimmt, wird klar, dass der Liederabend „O, Augenblick“, mit dem das Schauspielhaus sein 100-jähriges Jubiläum feiert, sich selbst, aber auch die Historie des Traditionshauses an der Königsallee mit einer guten Portion Ironie betrachtet.
Schließlich lassen sich 100 Jahre Theatergeschichte, die ja immer auch mit der gesellschaftlichen Entwicklung verknüpft sind, nicht adäquat in knapp drei Stunden abbilden. Gerade darin liegt allerdings eine Chance – und die wissen die Macher dieses Abends durchaus zu nutzen.
Da die Aufgabe, vor die sich der Regisseur Tobias Staab gestellt sieht, kaum so zu lösen ist, dass zumindest die Erwartungen der meisten Besucher befriedigt werden, hat er gemeinsam mit seinem künstlerischen Team – zuvorderst Torsten Kindermann als Musikalischer Leiter – einen ziemlich eigenwilligen Weg gewählt: Amüsant überzeichnete Szenen über Bochums Intendanten von Saladin Schmitt bis Leander Haußmann, der das Haus bis ins Jahr 2000 führte, werden mit Liedern überwiegend aus der Popmusik konfrontiert, von denen einige in den vergangenen Jahrzehnten bereits an der Königsallee zu hören waren. „Kleiner Mann, was nun?“ und Johnny Cashs „God's gonna cut you down“ dürfen da natürlich nicht fehlen. Dass die Rahmenhandlung - eine Touristengruppe aus der Zukunft erkundet das Schauspielhaus - nicht ganz überzeugt, ist zu verschmerzen.

Witzige und erhellende Beziehungen zwischen Musik und Spielszenen

Immer wieder gelingen nämlich witzige und bisweilen erhellende Verbindungen zwischen den Songs und den Spielszenen. Was es für Saladin Schmitt bedeutet haben mag, das Schauspielhaus von der Weimarer Republik über das Dritte Reich bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zu führen, klingt dabei als Frage durchaus an. Überhaupt spart der Abend ernste Themen nicht aus, gibt aber eher Denkanstöße als fertige Antworten. So erinnert Brechts wunderschöne Kinderhymne daran, wie sehr sich Hans Schalla darum verdient gemacht hat, diesen Autor auch auf den Bühnen der Bundesrepublik zu etablieren – und das in der Zeit des Kalten Krieges.
Die Regie-Ikonen Peter Zadek und Claus Peymann werden liebevoll-ironisch ins Visier genommen. Der oft geschmähte Frank-Patrick Steckel wird als Intendant, der dem Schauspielhaus ein unverwechselbares politisches Profil gegeben hat und dem es gelungen ist, bedeutende Regisseurinnen wie Andrea Breth und Reinhild Hoffmann ein Forum zu bieten, gewürdigt. Und auch Leander Haußmann kommt - auch dank des durchgängig überzeugenden Ensembles - zu seinem Recht.

Intendanten von Schauspielerinnen verkörpert

Die "überwiegend männlichen Intendanten", wie es in "O, Augenblick" süffisant heißt, werden meist von Schauspielerinnen verkörpert: Ann Göbel, Margarida Neto, Mercy Dorcas Otieno, Romy Vreden und Jing Xiang machen ihre Sache großartig. Und die Musiker sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Volker Kamp, Oliver Siegel, Jan-Sebastian Weichsel und natürlich Torsten Kindermann beweisen dabei auch beachtliches darstellerisches Talent. Un wenn als Zugabe noch "Irgendwo im Nirgendwo" von "Element of Crime" intoniert wird, geht man beschwingt in die Nacht hinaus.

Termine
"O, Augenblick" ist am Donnerstag, 28. Februar, um 19.30 Uhr und am Samstag, 2. März, um 20 Uhr wieder im Schauspielhaus, Königsallee 15, zu sehen.
Karten gibt es unter Tel.: 3333 5555.  

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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