„Wir schießen Fragezeichen ins Universum“: Romy Schmidt bringt am Prinzregenttheater „Sisyphos!“ auf die Bühne

Martin Widyanata (links) und Linus Ebner befragen den Mythos des Sisyphos auf seine Bedeutung für die heutige Zeit. | Foto: Schuck
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  • Martin Widyanata (links) und Linus Ebner befragen den Mythos des Sisyphos auf seine Bedeutung für die heutige Zeit.
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„Unser Spielzeitmotto 'Wahrheit und Pflicht' verdichtet sich“, erklärt Intendantin Romy Schmidt, die das Prinzregenttheater nach dieser Spielzeit verlassen wird. Am 17. März hat ihre erste eigene Inszenierung in dieser Saison Premiere, eine Stückentwicklung zur „Sisyphos“-Thematik. Schmidt zeigt auf, was dieses Stück für sie so besonders macht: „Wir haben eine Arbeitsweise angewandt, die für uns am Prinzregenttheater neu ist.“

Auch in der Vergangenheit hat Schmidt in ihren Inszenierungen inhaltlich und formal sehr unterschiedliche Mittel eingesetzt – man denke an die eigenwillige „Peer Gynt“-Adaption, den feministischen Humanismus des Märchens „Die Schöne und das Biest“ und die schräge Ruhrpott-Komödie „Sommerfest“. „Diesmal“, steckt die Regisseurin den Rahmen ab, „haben wir unseren eigenen Zugang zum Sisyphos-Stoff gewählt – mit den Themen, die uns interessieren. Mein persönlicher Schwerpunkt ist dabei der Komplex 'Freiheit und Verantwortung'. Verantwortung ist ohne Freiheit ja gar nicht möglich.“

Schauspiel und Musik

Auf der Bühne umgesetzt wird das Ganze von dem Schauspieler Linus Ebner und dem Musiker und Performer Martin Widyanata. „In der Musik wird das bekannte Motiv, dass Sisyphos den Stein immer wieder den Berg hochrollen muss, nur um festzustellen, dass er dann wieder hinunterrollt, aufgegriffen“, verweist Romy Schmidt auf die besondere Bedeutung der Musik in dieser Inszenierung.
Als Inspirationsquelle dient natürlich Albert Camus' Essay „Der Mythos des Sisyphos“ aus dem Jahre 1942. „Man hat aber natürlich auch Homer im Kopf“, so Linus Ebner, „der den Mythos schriftlich festgehalten hat – so wie die Brüder Grimm die Märchen fixiert haben.“ - Dabei geht es im „Sisyphos!“ des Prinzregenttheaters aber weder vorrangig um Homer noch um Camus, wie Dramaturg Frank Weiß erklärt: „Uns interessieren die Auswirkungen im Heute, die wir erlebbar machen wollen.“ - Welche Auswirkungen das sein könnten, deutet Linus Ebner an: „Die These, Sisyphos sei ein glücklicher Mensch, ist auch heute noch provokant. Wenn ich durch eine Buchhandlung gehe, stoße ich überall auf aufgeblähtes Schicksalsdenken.“

Improvisation als Grundlage

In einem vergleichsweise langen Probenprozess haben die Beteiligten sich den Stoff erschlossen und Linus Ebner hat auf dieser Grundlage improvisiert. „Die Ergebnisse haben wir immer wieder aufgezeichnet und transkribiert“, gibt Romy Schmidt Einblick in den Probenprozess. So hat sich allmählich die endgültige Form herausgebildet.“ - „Vielleicht gehe ich etwas freier mit dem Text um als bei anderen Inszenierungen“, meint Ebner, „aber das ganze ist schon ein festgelegter Theatertext, der aus einer Stückentwicklung entstanden ist.“ - Der Musiker Martin Widyanata, der ja ebenfalls auf der Bühne agiert, sieht seine Arbeit ähnlich: „Die Stückreihenfolge steht fest; ich mache keinen Free Jazz, drücke aber auch nicht einfach nur auf Play, um einen Soundtrack abzuspulen.“

Assoziationsflächen öffnen

„Da nur ein Schauspieler auf der Bühne agiert, gibt es keine Dialoge, aber das ist ja bei anderen Ein-Personen-Stücken auch nicht anders. Wir wollen Assoziationsflächen öffnen“, deutet Dramaturg Frank Weiß die Richtung an. Romy Schmidt fügt an, worum es inhaltlich geht: „Wir haben uns – auch anhand von Hannah Arendt und Friedrich Nietzsche – mit politischer Freiheit beschäftigt. Jeder Mensch muss sich dem Absurden im eigenen Leben immer wieder stellen. Das ist die erste existentielle Erfahrung, die man als Erwachsener machen muss. Denkt man an Camus' provokative Behauptung, Sisyphos sei ein glücklicher Mensch, muss man sich vor Augen halten, dass er mit seinem Essay gegen seinen Selbstmordwunsch angeschrieben hat.“
„Die Musik, die auf Wiederholungsschleifen baut, hat in der Inszenierung ein ähnlich hohes Gewicht wie der Text“, ordnet Schauspieler Linus Ebner, den das Publikum bereits aus „Michael Kohlhaas“ und „Angst essen Seele auf“ kennt, ein. Der Musiker Martin Widyanata ist dagegen ein neues Gesicht an der Prinz-Regent-Straße. „Wir setzen Geschehen und Musik in Beziehung“, kündigt er an. Und das Bühnenbild? - „Wir spielen“, verrät Romy Schmidt, „in einer poppigen Kraterlandschaft, aus der Fragezeichen ins Universum geschossen werden.“

Termine
„Sisyphos!“ feiert am Samstag, 17. März, um 19.30 Uhr Premiere im Prinzregenttheater, Prinz-Regent-Straße 50-60. Diese Vorstellung ist bereits ausverkauft.
Karten gibt es derzeit noch für die Aufführung am Sonntag, 18. März, um 18 Uhr.
Das Theater ist unter Tel.: 77 11 17 zu erreichen.

Martin Widyanata (links) und Linus Ebner befragen den Mythos des Sisyphos auf seine Bedeutung für die heutige Zeit. | Foto: Schuck
Schauspieler Linus Ebner (links) und Musiker Martin Widyanata stehen in "Sisyphos!" gemeinsam auf der Bühne. | Foto: Schuck
Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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