Bochum und seine Bausünden - Die Plätze

August-Bebel-Platz - Der hässlichste Platz in Bochum
  • August-Bebel-Platz - Der hässlichste Platz in Bochum
  • hochgeladen von Dr. Volker Steude

„Bochum, leider total verbaut“, so bringt es schon Herbert Grönemeyer auf den Punkt. Dem kann man sich leider nur anschließen. Insbesondere bezogen auf die Gestaltung der Plätze der Stadt überkommt einen in Bochum und Wattenscheid oft das Grauen.

Der Husemannplatz, eine gestalterische Katastrophe: Das Glascafe, völlig deplatziert, versperrt den Weg auf den Platz und auf der Kortumstraße. Die hässlichen Hochbeete verhindern zu allen Seiten den Blick. Die Bäume, die dem Platz, nach dem sie über die Jahre etwas gewachsen sind, mittlerweile zumindest einen gewissen Charme verleihen, müssen jetzt alle gefällt werden, da sie die Abdichtung zum unter dem Platz liegenden Parkhaus zerstört haben. Der Jobsiade-Brunnen eigentlich ein schönes Objekt, ist zu klein und wirkt verloren auf dem Platz. Der alte Brunnen des Platzes dagegen fristet heute in Weitmar ein armseliges Dasein als verwahrloster überdimensionierte Pflanzkübel zur Verschönerung eines Parkplatzes.

Auch der Dr.-Ruer-Platz ist nicht viel mehr als ein Parkplatzdeckel. Öd und leer. Nur bei Veranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt verweilt man hier gerne. Die Anbindung des Hellwegs vor der Sparkasse ist immer noch ein Trauerspiel, der Umbau vor ein paar Jahren konnte die Bausünde hier nur marginal mindern. Auch auf diesem Platz gibt es keine nennenswerte Bepflanzung, weil auf Parkhausdächern keine Bäume wachsen.

Wattenscheid hat ebenfalls üble Beispiele verfehlter Platzgestaltung zu bieten: Der Alter Markt wurde scheinbar wahllos mit ungepflegten Hochbeeten umrahmt. Die große grüne Seilscheibe, die an die Zechen in Wattenscheid erinnern soll, sieht eher so aus als hätte man sie am Rand des Platzes gelagert und dann irgendwann dort vergessen. Die Randbebauung ist ein bunter Mix aus, schöner Vorkriegsarchitektur (Apotheke), Belanglosigkeit (Gertrudis-Center), Brachland und Bausünden.

Negatives Highlight der Stadtverschandlung ist der August-Bebel-Platz. Quer über den Platz wurde die Hochstraße gleich 4-spurig gezogen. Der verbleibende Restplatz im Norden mit einem Parkplatz verunstaltet. Und auf dem kleinen Raum, der zum Eingang der Fußgängerzone noch blieb, wurde dann noch wahllos ein Brunnen getackert, wohl nach dem Motto „Woanders ist auch Scheiße“.

Auf all diesen Plätzen will man sich als Bürger nicht wirklich aufhalten. In den 60er und 70ern hat man die Aufenthaltsqualität auf den Plätzen konsequent dem Verkehr geopfert. Das Ergebnis, unter den Plätzen kann man jetzt toll parken oder darüber fahren, die Plätze selbst sind aber tot.

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf der Kurt-Schumacher-Platz vor dem Bahnhof. Eigentlich ist der Name irreführend. Denn es handelt sich nicht mehr um einen Platz, nur noch um eine Straßenwüste, die aufgrund der Verteilebene unter dem Platz, ebenfalls nicht adäquat bepflanzt werden kann. Auch der unverhältnismäßig teure „Rote Teppich“ vor dem Bahnhof konnte daran leider wenig ändern.

Auch der ehemalige Schwanenmarkt ist heute (hier 1905) nichts weiter als eine Kreuzung auf dem Innenstadtring. Der Gustav-Heinemann-Platz vor dem BVZ ist kaum als Platz erkennbar und wird von den wenigsten Bürgern angenommen. Über den Platz des europäischen Versprechens wurde bereits viel berichtet, er steht quasi als Synonym für städtische Fehlplanungen.

Bis heute hat die Politik aus den Fehlern jedoch anscheinend nicht gelernt: In Riemke wundert sich die Politik aktuell, dass das Zentrum des Viertels um den Markt den Bach runter geht. Als die Herner Straße hier vor kurzem saniert wurde, ist die Politik von den Stadtplanern ganz explizit vor die Wahl gestellt worden: Verminderung der Aufenthaltsqualität am Marktplatz, aber vermeintlich besserer Verkehrsfluss bei 4-spuriger Verkehrsführung oder nur 2-spuriger Ausbau und dafür Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Am Ende hat man bewusst auch hier wieder die Aufenthaltsqualität dem Verkehr geopfert. Um zu wissen, dass ein Platz, der zudem eigentlich mehr Parkplatz ist als irgendwas anderes und den man nur nach dem umständlichen Überqueren einer 4-spurigen Straße erreichen kann, ein Stadtviertel unattraktiv macht, das hätte die Bochumer Politik eigentlich mittlerweile wissen müssen.

Mittlerweile hat aber zumindest die Stadtplanung erkannt, dass an den Plätzen der Stadt dringend etwas getan werden muss. Bei fast allen Plätzen waren die Gestaltungen in den letzten 40 Jahren für die Tonne. Sie haben die Stadt unattraktiv, ja an vielen Stellen sogar ausgesprochen hässlich gemacht. Viele Plätze werden von den Bürgern konsequent gemieden. Die Gestaltungssünden der Stadtplanung jetzt wieder rückgängig zu machen, wird Millionen kosten, ist aber umgänglich, sonst kehren die Menschen den Vierteln weiter den Rücken.

Umgestaltet wurde der Platz am Kuhhirten. Zu einer wirklichen Belebung des Platzes hat das allerdings nicht geführt. Auch funktioniert die Attraktion des Platzes, der Wasserlauf mangels Geldes für die Instand- und Unterhaltung eher selten. Leider ein für Bochum typischer Fall von Fehlplanung.

Der Brunnenplatz in der Hustadt wurde ebenfalls umgestaltet. Hier ist das Ergebnis ansehnlich und scheint gut angenommen zu werden. Gerade wird der Springerplatz umgestaltet, zu hoffen ist, dass die Umgestaltung dem Stadtviertel wieder neues Leben einhaucht.

Eigentlich braucht jedes Stadtquartier einen attraktiven Platz, der die Menschen anzieht, der Urbanität ausstrahlt, wo die Menschen des Viertels gerne verweilen. So wird der Platz zum Identifikationspunkt für das Viertel und siedeln sich rund um den Platz neue Geschäfte, kleine Unternehmen und Stadtteilinitiativen an.

Innerstädtische Plätze müssen viele Funktionen erfüllen: zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, aber auch als Kultur-, Freizeit- und Begegnungsstätte und das für alle Bevölkerungsgruppen. Für jeden Platz muss überlegt werden, welche Funktionen er erfüllen sollte und wie man den entsprechenden Anforderungen durch die Gestaltung gerecht werden kann. So fehlt auf den Plätzen der Innenstadt ein großer urbaner Spielplatz, also sollte überlegt werden, welcher Platz diese Funktion übernehmen kann.

Bei der Gestaltung wollen die Bürger mitwirken. Ihre Ansprüche sind vielfältig: Schön, grün, kinderfreundlich sollen die Plätze sein, aber auch Autos sollen dort teilweise fahren können. Daneben müssen die Plätze noch pflegeleicht und robust sein und das zu möglichst geringen Kosten (Till Rehwaldt Landschaftsarchitekt, Unser Platz, mobil 08.2013). Die Planung der Plätze muss also im Dialog mit den Bewohnern des Stadtviertels erfolgen.

Beispiele für gelungene Plätze gibt es in anderen Städten genug. Der St. Jakobs-Platz in München zeigt einen urbanen Platz, der seine Funktion als zentraler Ort der Begegnung im Angerviertel durch die gelungene Neugestaltung wieder erlangen konnte. Der mehrfach ausgezeichnete Jenny-Steiner-Weg in Wien zeigt wie eine frühere Straße in einen besonders fußgängerfreundlichen Platz mit hoher Aufenthaltsqualität verwandelt werden kann.

Ein besonders interessanter Platz entsteht aktuell in der wie Bochum ebenfalls verbauten Stadt Rotterdam: De Waterpleinen. Zentraler Bestandteil dieses Platzes werden zwei Wasserbecken sein, in denen das Regenwasser der Dächer von den Häusern ringsum gesammelt wird. Der Platz verändert je nach Wasserstand seine Gestalt. Die entstehenden Wasserflächen werden dann im Sommer zum Spielen und der Erfrischung dienen, im Winter als Fläche zum Schlittschuhlaufen.

Neben den Plätzen, die in den Stadtvierteln umgestaltet werden müssen gibt es auch in Bochum viele Verkehrs- und Industriebrachen, die sich für eine Umwidmung in parkähnliche Plätze eignen. In Berlin ist der Nöldnerplatz ein gutes Beispiel, wie so etwas gelingen kann.

Ideen sind gefragt und ein systematisches Vorgehen, wie, wo welche Plätze neu- bzw. umgestaltet werden sollen. Wichtig dabei ist die Bürgerbeteiligung, nicht nur bei der Planung sondern auch bei der Umgestaltung. Die Stadt hat praktisch kein Geld, also werden Platzumgestaltungen nur Realität werden können, wenn die Bürger einen wesentlichen Teil auch der Umgestaltungsarbeit übernehmen.

Volker Steude,
BÄH - Bochum ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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