Trend bestätigt sich: Volkskirche bröckelt
Kirchentag: Abschlussgottesdienst mit niedrigster Teilnehmerzahl seit 1977

Der leere Friedensplatz vor dem Rathaus zu Dortmund während des Kirchentags. | Foto: Daniela Wakonigg
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Auch beim Abschlussgottesdienst gab es wohl lange Gesichter bei den Kirchentagsveranstaltern als sie die Teilnehmerzahlen erblickten. Von den erwarteten 70.000 Gläubigen fanden nur 32.000 den Weg ins legendäre Westfalenstadion. Weniger als die Hälfte. An dem Gottesdienst im Westfalenpark nahmen äußerst überschaubare 5.000 Gläubige teil. Von 30.000 erwarteten.

Das ist niedrigste Teilnehmerzahl eines Kirchentagsabschlussgottesdienstes seit 1977. Damals nahmen in West-Berlin, der geteilten Stadt, nur 35.000 Menschen teil. Der Zugang nach Berlin war durch die deutsche Teilung sicherlich erschwert. Zur Stadt Dortmund gab es aber für die Gläubigen freien Zugang.

Die enttäuschenden Dauerteilnehmerzahlen des Evangelischen Kirchentags in Dortmund, die mit 80.000 rund 20.000 unter den erwarteten 100.000 lag, setzt sich nun auch bei den Teilnehmern der Abschlussgottesdienste fort. Die Dauerteilnehmerzahl war 2019 die niedrigste seit 1979.

"Kirchentagspräsident Hans Leyendecker warnte indes davor, den Rückgang bei Dauerteilnehmern schon als Trend zu interpretieren oder gar als Ausdruck der auch sonst schwindenden Bindungskraft der Kirche. Hingegen mache sich offenkundig bemerkbar, dass einerseits die Pfingstferien in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg stark als Urlaubszeit genutzt werden, andererseits Berlin und Brandenburg gerade in die Sommerferien starten. Und gerade in einer dicht besiedelten Region wie Westfalen bieten sich Tagesfahrten an. „Wir werden aber auch genauer untersuchen, ob es Interessenten möglicherweise immer schwerer fällt, sich für eine Großveranstaltung fünf Tage freizunehmen“, versichert Generalsekretärin Julia Helmke an. Schließlich sei denkbar, dass Dortmund als nicht so spannendes Ziel wahrgenommen wurde – ein Folge des überkommenen Ruhrgebiets-Images, das auch der Kirchentag zurechtzurücken versucht.", erklärt dazu der Kirchentag in seiner Pressemitteilung vom 19. Juni 2019.

Die Pfingstferien kamen für die Veranstalter sicherlich sehr überraschend. Urlaub musste man sich wegen des Brückentags am Donnerstag eigentlich keine fünf Tage, sondern in der Regel nur zwei Tage nehmen. Der Kirchentag hatte übrigens extra einen Hinweis auf seiner Internetseite, wie man für das Glaubensfest sogar Bildungsurlaub bekommen konnte: "Wenn Sie zum Kirchentag kommen möchten, müssen Sie nicht unbedingt Urlaub nehmen"
Den eigenen Gläubigen auch zu unterstellen, dass sie ihre Teilnahme an einem Glaubensfest von der Location, sprich Dortmund, abhängig machen, möchte man gar nicht mehr kommentieren.

Angesichts von rund 21,5 Millionen Mitglieder der Evangelischen Kirche Deutschlands, die im Jahr 2017 390.00 Mitglieder verloren hat, sind die Teilnehmerzahlen sowieso erstaunlich niedrig. Allein die evangelische Diakonie hat bundesweit rund 435.000 Beschäftigte. Insgesmt arbeiten bei kirchlichen Einrichtungen 1,3 Millionen Beschäftigte. Selbst die Menschen, die beruflich mit der Kirche verbunden sind, fanden nicht alle den Weg nach Dortmund. Angesichts der meist prekären Arbeitsbedingungen bei den Kirchen ist dies  wohl auch verständlich. Letztlich hätten alle Mitglieder des Evangelischen Kirchenkreis Dortmund mit seinen rund 200.000 Kirchenmitgliedern eigentlich alle geplanten Besucherzahlen allein erfüllen müssen.

"Volkskirche bröckelt", sagte laut dem WDR die Pastorin Sandra Bils beim Abschlussgottesdienst.

Angesichts der bröckelnden Teilnehmerzahlen sollte man auch die Millionenzuschüsse der öffentlichen Hand für die Kirchentage überdenken. Solche Veranstaltungen auf einem Teilnehmerniveau eines ausverkauften Bundesligaspiels bedürfen sicherlich keiner öffentlichen Subvention mehr. Schon gar nicht angesichts des Milliardenvermögens der Evangelischen Kirche.

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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