Grabung an der Beekstrasse fördert Kriegserinnerungen hervor

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Als ich vor einigen Tagen die Grabungsstelle an der Beekstrasse besichtigte waren mir einige Details der freigelegten Kellergewölbe gar nicht so richtig aufgefallen. Als Markus Mosch, 2. Vorsitzender der ZEITZEUGENBÖRSE DUISBURG, nun noch einmal vor Ort war, entdeckte er einige Aufschriften an den Kellerwänden, die die Erinnerung an den Luftkrieg wieder aufleben lies. Da liest man von der Belegungszahl der LS Räume oder "Ruhe bewahren"! Die Fotos in diesem Beitrag stammen von ihm. Die Pläne der LS Keller hatte er ebenfalls in seinem Archiv.

Diese Fotos haben mich allerdings auch an ein Gespräch mit einer Zeitzeugin erinnert, die in diesen Kellergewölben die Schreckenstage vom 14./15. Oktober 1944 verbracht hat. Diese Erinnerungen gebe ich hier wieder:

Hildegard Witte erlebte den Angriff in einem Kellergewölbe auf der Klosterstraße in der Altstadt:

„Am 14. Oktober war morgens plötzlich Alarm. Mein Vater war von Nachtschicht gekommen. Meine Mutter wollte sich noch kämmen. Ich habe nur noch mein Kind geschnappt. Wir hatten unsere Wohnung da bei Köhler auf der Klosterstraße. Ich mußte allerdings, als mein Mann eingezogen wurde, wieder zu meinen Eltern zurückziehen. Mein Vater hatte sich noch hingelegt.

Und da hätten wir ihn beinahe noch vergessen. Ich sagte nur: „Du, der Paps der schläft noch!“ Und wir wohnten damals da auf dem Unteröderich. Und da sind wir dann nur über die Straße gelaufen, da war damals so ein Gewölbe. Da sind wir dann da rein. Und dann den „Hinkepoot“ angemacht, so nannten wir hier den Drahtfunk, der son bischen an Goebbels erinnerte, so „Klack, Klack, Klack“. Und dann hörten wir immer die Durchsagen

„Angriffe auf das Ruhrgebiet sind zu erwarten“.

Wir sind ja meistens in den Marientorbunker. Doch das wir überhaupt noch lebend rauskommen habe ich während dieses Angriffs nicht mehr gedacht, so schlimm war das. Das war ja nur ein einstöckiges Haus, wie viele in der Altstadt. Und trotz der Gewölbe schwankte der ganze Keller. Und vor lauter Schreck mußte ein kleiner junge auf den Topf. Den Topf hat man später beim aufräumen noch gefunden.

Und nach dem Angriff raus. Und ich wollte zu meiner Wohnung auf der Klosterstraße. Und ich hatte noch meinen Schlüssel vergessen. Als ich auf der Klosterstraße ankam, war da nichts mehr. Da war eine Luftmine gefallen. Ich sah zwar meinen Strangula Teppich noch, wie man die früher hatte, und sonst war nichts mehr da. Und unser Hausvermieter, das war ein Lehrmeister von meinem Mann, die wohnten oben.

Auch da war nichts mehr da. Und dann sahen wir, daß bei uns gegenüber Leute im Keller waren, direkt neben Hohenstein. Und da wollten die von der SHD von oben alles runtermachen und da sagte mein Vater, daß die lieber die Finger davonlassen sollten. Der war ja auf Zeche und sagte man sollte die von unten herausholen. Und da haben die einen Stollen gebaut. Eine Frau hing noch fest mit den Beinen. Aber die haben alle rausgeholt.

Und dann an der Wilhelmstraße, Möbel Unger, das war so ein großes Möbelgeschäft, da waren über 20 Tote. Da ist eine Bombe direkt eingeschlagen. Das war unheimlich.

Bei dem Angriff am 14. Oktober wurde auch die Werft „Berninghaus“ getroffen. Und die dort im Büro saßen hatten einen extra Bunker, und da ist auch eine Bombe voll eingeschlagen. Meine Cousine war ebenfalls unter den Toten. Von der haben die nur noch einen Arm gefunden und am Ring hat man sie dann identifiziert. Auf dem Waldfriedhof ist ein Ehrengrabfeld nur für Berninghaus. Berninghaus war ganz furchtbar. Das ganze Büropersonal muß weg gewesen sein. Und dann kam meine Tante von Kaßlerfeld und mein Cousin. Die waren ja morgens schon total ausgebombt, und erzählten uns das.

Dann kam der Abend. Meine kleine Tochter, die ist 1941 geboren, wollte abends nie ins Bett gehen. Die sagte immer: „Kommt ja doch gleich Alarm.“ Das war damals gerade für die Kinder schlimm. Und dann nachts. Da ging es wieder los. Bei dem Großangriff am morgen kam zuerst der Bereich Kaßlerfeld dran. Die Tommys sind da so richtig systematisch vorgegangen.

Die haben hier aufgehört und an der gleichen Stelle nachts wieder angefangen. Und dann konnten wir nicht nach gegenüber. Da lag ein Blindgänger. Und dann wollten wir über die Schwanentorbrücke. Aber da waren alles Brandbomben geworfen worden. Die leuchtete richtig im Phosphor. Da konnten wir auch nicht rüber. Und dann wollten wir bei C&A rein. Auch da brannte alles. Und da sind wir dann zum Rathaus. Und da war ein Chaos.

Da waren so viele Menschen drin, das war ganz unheimlich. Und am anderen Tag wollten wir dann raus, konnten aber nicht weil alles noch brannte. Dann kamen welche mit Matratzen. Die haben wir uns dann geteilt. Da lagen wir dann nachts nebeneinander. Mein Vater war oben geblieben. Die Männer kriegten kaum Luft. Meine Mutter war noch die Treppe runter gefallen. Da haben wir dann einige Zeit verbracht.

Morgens kam noch mein Schwager, der drüben auf der anderen Rheinseite, unter dem Rhein her in den Rathauskeller und hat uns da gefunden. Die ganze Stadt war nur noch Trümmer. Das war ganz, ganz furchtbar. Das war grauenhaft. Nur vereinzelt standen noch einige Häuser. Aber die ganze Altstadt, wo wir gewohnt haben, war alles weg. Das Schönste war, meine Mutter, die war vielleicht waghalsig.

Die ist hintenrum zu unserem Haus gegangen, da lag ja der Blindgänger, und da liefen unsere angesengten Hühner umher, und sie hat die dann notgeschlachtet und zu den anderen Leuten mitgenommen. Als wir dann zurück kamen, da war meine Mutter ja nicht da. Und wir denken noch so, ob da was passiert ist, und da war eine Bombe in die Eisenbahn Überführung an der Essenberger Straße eingeschlagen und die mussten hinten über Kaßlerfeld nach Duisburg. So hat man manchmal Glück gehabt.

Von denen da oben kriegten wir dann Essen aus der Gulaschkanone und dann gab es Gutscheine mit denen wir einkaufen konnten, als alles vorbei war. Da sind wir beim Einkaufen, und ich hatte meinem Mann ein Telegramm geschickt, nach Russland und es ist wirklich durchgekommen, denn mein Vater kam zu mir und seiner Mutter und sagte: „Der Max ist da!“ Da bin ich direkt hingerannt. Der hatte ihn genau an Bahnhof abgepasst, sonst hätte der uns gar nicht gefunden. Der hat meine Tochter und mich dann nach Goslar gebracht.

Und wenn man bedenkt, wie es dazu gekommen ist. Mit 60 Pfg. die Stunde für den Bau der Reichsautobahn hat es angefangen und hinterher hat man uns zum Ruin verdonnert.“

Interview mit Frau Witte, Neuenkamp, 1994

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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