Heribert Hölz – Ein "humanitärer Irrer“ hilft armen Familien in Bosnien

Ein Leben für arme Menschen in Bosnien
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Es war am 27. Januar, als der Hauptausschuss Duisburger Karneval (HDK) an den Begründer und unermüdlichen Organisator der Bosnienhilfe, Heribert Hölz, die höchste Auszeichnung des Verbandes „Bürger des Jahres“ im Hotel Montan in Marxloh verlieh. Wir berichteten!

Doch da stellte sich auch die Frage: Wer ist Heribert Hölz?

Dieser Frage sind wir am Tag vor der Ehrung einmal nachgegangen und haben Heribert Hölz, der sich selbst als "humanitärer Irrer" bezeichnet, in seinem kleinen Büro im CARITAS Zentrum am Sittardsberg in Buchholz besucht und in einem fast zweistündigen Gespräch berichtete dieser über sein Werk.

Zur Person:

Am 9. Oktober 1942 wurde er in Hochfeld geboren. Sein Vater war 1944 an der Ostfront gefallen und er wuchs in der Nachkriegszeit im Arbeiterstadtteil Hochfeld unweit der Kupferhütte auf. So lernte er bereits in seiner Kindheit Not und Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre am eigenen Körper kennen. So wurde er geprägt und sein Drang, Menschen zu helfen. 1968 trat er als Diplom Sozialarbeiter eine Beschäftigung beim Caritasverband Duisburg an, wo er bis zu seiner Pensionierung im Oktober 2007 arbeitete. Die Freizeit wurde beim Bolzen zwischen den Trümmern verlebt. Heute ist Heribert Hölz ein begnadeter MSV Fan.

Sein größter Wunsch: „Ein Treffen mit MSV Topspieler Ivo Grlic! Er kommt aus der Region in die unsere Hilfe geht!“

Für den Abend seiner Ehrung hatte Heribert Hölz dann am Tag zuvor noch ein musikalsiches Highlight angekündigt:

„Ich werde morgen mit meiner Gitarre auf die Bühne gehen und ein Lied spielen, daß früher der „Immendahl Adel“ gesungen hat. Ich erinnere mich noch an „Die 4 Hajos“, die das Lied in den Sälen Hochfelds im Karneval nach dem Krieg gesungen haben.“

Und es war die „Hochfelder Serenade“ von Matthias Lixenfeld, was Schreiber dieser Zeilen sehr erfreute, war es doch das Lied, das er im November 2010 beim Festabend zum 111. Geburtstag des Komponisten singen durfte.

Hier nun das Gespräch mit Heribert Hölz:

„Im Herbst 1991 begann der Balkankrieg. Und anders als zuvor konnte man die Auswirkungen des Scharmützels im Fernsehen weltweit miterleben. Er wurde förmlich in die Wohnstuben der Menschen auch in Deutschland hineingetragen, fand praktisch im eigenen Wohnzimmer statt.

Und ich stand nun einmal in einem Beruf bei der Caritas, der die Hilfe für Menschen zum Ziel hat. Es gab noch keinen offiziellen Auftrag, als ich ansichtlich der schrecklichen Bilder beschloss, hier musst du helfen.

Ich habe zunächst einen Brief an die rund 500 – 550 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verschickt und um Geldspenden zum Kauf der nötigsten Lebensmittel gebeten. Und diese sammelten 6 Wochen lang fleißig und wir konnten für fast 11.000 DM Lebensmittel kaufen. Doch wie die Sachen dort runter bringen?

`Ich fahre zur Sicherheit mit dahin!´ sagte ich damals etwas flapsig. Und dieses in eine Gebiet in dem geschossen und gestorben wird, und Menschen verletzt werden, nicht nur am Körper sondern auch an der Seele. Ich hatte damals ja bereits Familie und ich Idiot fahre tatsächlich da runter. Da bekam man es doch dann irgendwo mit der Angst zu tun. Aber das mußte ich jetzt durch und zu meinem Wort stehen. Meine Familie gab mir grünes Licht und so konnte ich den verwegenen Plan durchziehen.

Wir fuhren damals nach Bremerhaven und kauften einen 7,5 Tonner LKW. Dieser wurde beladen und an einem nasskalten und dunklen Januartag 1992 fuhren wir los.

Da kommen wir an die österreichisch slowenische Grenze und da ist niemand an der Grenzkontrolle. Nur so ein Fünzelchen brannte. Und dann kommt ein entgeisterter Zöllner und fragte nur `Sie wissen was sie da tun?´ und versuchte noch uns die Sache auszureden.
Naja wir wussten es und weiter ging es bei Schneesturm durch die Karawanken und durch Slowenien, wo es noch relativ ruhig war. Nur viel Militär und Checkpoints waren zu sehen. Wir fuhren geradewegs in das Kriegsgebiet!

Dort Soldaten und Hinweisschilder auf Schutzräume. Wir hatten zuvor die Caritas in Zagreb angerufen und fuhren zu einem Kloster in den Schwestern lebten. Wir sprachen die Sprache nicht und hatten keine Ortskenntnis. Wir kamen dort an, aber niemand wußte Bescheid. Wir sahen unglaubliche Bilder.

Und die Menschen dort meinten wir kämen von einem anderen Stern. Hier in dem Kloster waren gut 1000 Flüchtlinge untergebracht. Hygienisch war es der Horror. Und nun kam ein LKW voll mit Lebensmitteln. Wir wollten eigentlich nur ausladen und sofort wieder zurück. Doch als wir dieses Elend sahen, ging es einfach nicht. Wir blieben dort!

Zunächst haben wir Kontakte gesucht und auch gefunden. Wir waren im deutschen Büro für Aufbauhilfe und der dortige Legationsrat Schmitz gab uns Tipps und Hilfestellung bei unserem Vorhaben. Dann im kroatischen Innenministerium. Die wussten Bescheid. Und dort trafen wir an diesem Tag einen Mann. Das war wie ein „Sechser“ im Lotto. Er war der persönliche Berater von Franjo Tudjman, dem ersten Präsidenten von Kroatien.

Über diesen lernten wir Professor Ivo Baucic von der Uni Zagreb und später Direktor im Zentrum für Migrationsforschung daselbst kennen. Als Ethnologe kannte er die Ursachen für den Krieg sehr genau. Wir konnten es von Anfang an sehr gut miteinander und verstanden uns. Daraus ist eine wunderbare Freundschaft geworden. Wenn wir ihn nicht kennen gelernt hätten, wären wir gar nicht so weit gekommen.

Er gab uns z.B. Hinweise auf die beste Anreise in das Krisengebiet durch Mitteldalmatien und das Wellebitgebirge. Die Krajina Serben lagen hinter dem Gebirge und beschossen die Jadranska Magistrala (Adriatische Küstenstraße), die durch Kroatien und Montenegro, aber in kleinen Teilen auch durch Bosnien und Herzegowina und Slowenien verläuft.

So war ein sicherer Weg nur über die Inselwelt möglich, wenn man in den Süden wollte. Zadar in Norddalmatien war damals heiß umkämpft. Da bekamen wir Schutz durch Panzerfahrzeuge und Hubschrauber. Ich dachte mir, fahr dahin wo es am Schlimmsten ist. Ich wollte ja auch kein Hasardeur sein. Bis heute sind es 70 Fahrten gewesen.

Nach dem Krieg zogen sich die Helfer nach und nach zurück. Aber auch heute gibt es dort Menschen, die haben nichts. Null Einkommen! Wir diskutieren hier über die Erhöhung der Grundsicherung und dort unten in Bosnien leben die Menschen ohne irgendetwas.

Darum ist die Hilfe von Außen auch heute noch immer sehr wichtig. Und wenn wir uns in einem Jahr hier wieder treffen, hat sich daran immer noch nichts geändert. Die Wirtschaft liegt brach. Dort sieht man auch nur karges und steiniges Gebirge. Ein paar Ziegen und Schafe, keine Industrie und auch keine Agrarwirtschaft.

Zenica in Zentralbosnien, dort wo unsere Hilfe hingeht, sind 75 Prozent der Menschen ohne Arbeit. Eine riesige Stahlfirma, mit einstmals 30.000 Arbeitsplätzen, gibt es nicht mehr. Es wurde zwar viel gebaut und es gibt auch Geschäfte, doch sind die armen Menschen in der Überzahl. Vor dem Krieg waren die Menschen auch arm, aber es ist viel schlimmer geworden. Lehrer bekommen z.B. 3 Monate lang kein Gehalt.

Es gibt aber auch noch viele andere Projekte. Man kann zum Beispiel eine Patenschaft für eine arme bosnische Familie übernehmen. Diese liegt bei 25.- € pro Monat für eine Familie mit Kindern. Diese Patenschaft ist auf ein Jahr begrenzt. Interessenten sind immer gerne gesehen. Die Paten erhalten Dossiers über die Familien die unterstützt werden.

Oder die Hilfe für alte und kranke Menschen, die oft allein vor sich hin vegetieren und sich nicht mehr helfen können kommt hinzu. Wir versorgen diese auch und dieses auch auf medizinischem Gebiet. Es gibt eine Krankenschwester und einen Arzt. Auch hier wird eine Patenschaft angeboten.

Die Hilfe mussten wir allerdings auch auf ein solides Fundament stellen. Zur Finanzierung unserer Suppenküche in Zenica werden pro Jahr 7000 Gläser Marmelade hier in Neukirchen Vluyn hergestellt und verkauft. Und hier kommt auch meine Frau Ursula ins Spiel. Man nennt sie auch „die gute Fee vom Niederrhein“.

Die Kosten für die Verwaltung und auch das Essen in der Suppenküche von Zenica liegen bei 17.000 € im Jahr. Damit können etwa 123 Essen pro Tag ausgegeben werden. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Und dafür muss man schon viele Gläser Marmelade verkaufen. Doch wenn wir eben diese 7000 Gläser Marmelade, die in Handarbeit hergestellt werden, verkauft haben, können wir die Finanzierung der Suppenküche für ein weiteres Jahr sichern.

Und auch hier hat alles klein angefangen. Es gab viele bettelarme Leute, darunter eine Familie mit 6 Kindern, die in einer Lehmhütte auf dem nackten Erdboden hausten. Wie konnten wir dieser Familie helfen? Ein Haus zu bauen ging aus finanziellen Gründen nicht. Die Familie Tomic war 1992 vor den Serben geflohen und sie war heimatlos und bitterarm. Die Kinder schliefen in einem einzigen Bett, die Eltern in der Küche, die zugleich Esszimmer, Wohnraum und Lager war.

Und damals sagte meine Frau, sie war Hausleiterin in „Maria in der Drucht“: `Wir müssen die Familie aus der furchtbaren Lehmhütte raus kriegen.´ Aus den Spendengeldern ging dieses natürlich nicht, denn diese waren für alle Familien da. `Ich koche Marmelade damit sie sich ein eigenes Haus bauen kann.´ sagte meine Frau.

Durch den Verkauf der Marmelade wurde Geld eingenommen und wir waren in der Lage, ein bescheidenes Haus zu bauen. Es musste nur Material beschafft und das Grundstück bereitgestellt werden. Arbeitskraft war ja vorhanden. Das „Marmeladenhaus“ konnte 2003 eingeweiht werden.

Doch was für eine Aufgabe hatten wir uns da auferlegt? Zwischen Mai und Oktober muss Obst für die „Marmeladenfabrik“ gepflückt werden, von Juli bis September sind zwei Frauen alleine nur damit beschäftigt die Gläser zu spülen. Dafür mussten aber auch erst einmal gut 3000 Gläser gesammelt werden. Und diese müssen nicht nur sauber sondern rein sein.

Aber wir finden breite Unterstützung für unser Projekt. Die guten Kontakte, wie z.B. zum Obstbaubetrieb von Friedrich Freiherr von der Leyen in Neukirchen-Vluyn, helfen uns, genügend Obst für das Einkochen zu sammeln. Das sind ja einige Zentner. Und viele andere Obstspender kommen hinzu, auf den Märkten der Region und auch von den Bauern. Aber da brauchen wir natürlich auch Sammler und Pflücker, sowie Fahrer die das Obst abholen. Nachbarn, Freunde und Bekannte helfen mit.

Dann die Beschriftung der Gläser mit einem Etikett und einem netten Deckelchen samt Stoffläppchen drauf. Oder der Verkauf der liebevoll hergestellten Gläser. Es geht durch die Hilfe zahlloser Kirchengemeinden, Kindergärten, Schulen, Freunde und Bekannte oder bei Vereinen. Hinzu kommen die vorweihnachtlichen Feste oder der „Kappesmarkt“ in Serm oder der „Appelmarkt“ in Moers Kapellen, bei denen uns die Standgebühren erlassen werden.

Doch auch solch wichtige Dinge wie der Strom für die 2 Kochapparate ist ein Kostenfaktor. Da kommen gut 500.- € pro Jahr zusammen. Eine Bitte um Reduzierung der Kosten bei der ENNI (dem Stromversorger für über 80.000 Menschen in der Region um Moers und Neukirchen-Vluyn) war nicht von Erfolg begleitet.

Oder auch das Beköstigen der Leute, die beim Einkochen helfen kommt hinzu. Hier können wir bei einem Bauern hinter Schaephuysen Kartoffeln auflesen, von denen wir dann etwas für die Helfer kochen können. Und auch weitere materielle Unterstützung wird uns zuteil. Irgendwo sind wir eine kleine, verschworene Gemeinschaft.

Das 40.000te Glas, das im Jahr 2009 hergestellt wurde, wurde öffentlich versteigert. Den Zuschlag erhielt für 500.- € die Sparkasse Niederrhein.

Und nun kam der Zeitpunkt, als sich die Herstellung von Glas 44.444 ergab. Und da kam mein Kontakt zu NRZ Redakteur Bodo Malsch, seines Zeichens auch Präsident des HDK Duisburg, ins Spiel. Da der HDK auf sein 55 jähriges Bestehen zurückblicken kann, ersteigerte er dieses ganz besondere Glas zum Preis von 55,55.- €.

Wir sind ein wenig stolz auf unsere erfolgreichen Projekte. Seien es die Patenschaften oder der Bau von Kindergärten, Bildungseinrichtungen und Unterkünften, die Vermittlung der ärztlichen Versorgung oder die Hilfe zur Selbsthilfe durch die Anschaffung von Nutztieren zum Überleben und der Hilfe für Landwirte um eine funktionierende Nutz Gemeinschaft einzurichten.

Diese „Kleinbauern Genossenschaft“ hat bislang 33 Familien wieder in die Lage versetzt, ihr Leben wieder selbst zu gestalten, sich selbst zu ernähren und Gewinne zu erwirtschaften. Wir haben diesen Familien eine neue Heimat gegeben. Gut 40.000.- €haben Traktoren und Erntemaschinen gekostet. Aber es war eine lohnende Investition.

Ebenso kümmern wir uns um etwa 1000 Schüler, die aus ärmsten Verhältnissen kommen und denen wir eine Schulausbildung ermöglichen. Auch hier wurde eine „Kleinlandwirtschaft“ eingerichtet, um die Schüler zu versorgen.

Dann haben wir noch drei Kindergärten, die im Krieg zerstört wurden, wieder aufgebaut. Dazu noch weitere Häuser, Schulen und Kirchen in großer Zahl.

Dort unten bin ich mittlerweile bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. Ich stehe mit Vertretern aus Kirche und Staat in Kontakt, die unsere Arbeit unterstützen. Ich fahre auch schon einmal mit Schülern aus Duisburg nach Bosnien. Zweimal war ich mit dem Hildegardis Gymnasium dort unten. Es ist ein herrliches und gastfreundliches aber dennoch armes Land.“

Für das Jahr 2012 werden einige Aktionen anlässlich des 20 jährigen Bestehens geplant, worüber wir hier gerne wieder berichten.

Das Gespräch wurde von LOKALKOMPASS Fotograf Detlef Schmidt im Foto dokumentiert und die Bilder sind hier zu finden:

http://www.lokalkompass.de/duisburg/kultur/fotostrecke-heribert-hoelz-ein-qhumanitaerer-irrer-hilft-armen-familien-in-bosnien-d41173.html

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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