Ausbildungschance für benachteilige Jugendliche: Kümmern ist in der Alte Schmiede in Borbeck Programm

Die abgeschlossene Berufsausbildung öffnet die Tür in den ersten Arbeitsmarkt. Eine Chance, die die Azubis nutzen möchten. Ihre Motivation haben sie allesamt zuvor in einem Praktikum an der Hülsmannstraße unter Beweis gestellt.
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  • Die abgeschlossene Berufsausbildung öffnet die Tür in den ersten Arbeitsmarkt. Eine Chance, die die Azubis nutzen möchten. Ihre Motivation haben sie allesamt zuvor in einem Praktikum an der Hülsmannstraße unter Beweis gestellt.
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"In Deutschland spielen Zeugnisse, Schulabschlüsse und ein lückenloser Lebenslauf eine ganz entscheidende Rolle, wenn es um den beruflichen Erfolg geht." Robert Bosch weiß, wovon er spricht. Er gehört zu den Männern der ersten Stunde. Denjenigen, die das Projekt "Alte Schmiede" 2003 auf die Schiene gesetzt haben. Seitdem hat der Werkstattbetrieb, der als gemeinnützige GmbH geführt wird, 15 Gesellen ausgebildet.

An der Hülsmannstraße 78 hat die Alte Schmiede ihren Sitz. Die modern ausgestattete Werkstatt ist Meisterbetrieb der Kfz-Innung Essen. Das Rolltor zur Werkhalle im Hinterhof steht offen. Die Hebebühnen sind allesamt belegt. Konzentriert arbeitet das Team um die beiden Meister Anselm Quaas und Thomas Handke.

Eine ganz normale Kfz-Werkstatt - mit besonderer Philosophie

Nebenan im kleinen Büro klingelt das Telefon. Es werden Termine abgesprochen, für TÜV, Service und Reparaturen. Die Abläufe sind klar, jeder im Team weiß, was er zu tun hat. Der Umgangston ist kollegial, es wird gescherzt und gelacht. Trotz der Hitze, die unter dem Werkstattdach herrscht. Auf den ersten Blick unterscheidet die Alte Schmiede nichts von jeder anderen Kfz-Werkstatt. Vielleicht lässt der Zusatz "gemeinnützig" vor der Gesellschaftsform aufhorchen. Den findet man nicht allzu oft. "Aber es sind nicht alle Kunden, die deswegen den Weg zu uns finden", erklärt Robert Bosch. Seit 2003 ist der Sozialarbeiter und -pädagoge mit Handwerksmeistertitel neben Hans-Heinrich Beilharz Geschäftsführer der Alten Schmiede. "Und als Sozialpädagoge bin ich häufig gefragt", räumt der 45-Jährige ein.

Förderung durch Wertschätzung

Denn in der Fachwerkstatt im Herzen Borbecks bekommen sozial benachteiligte oder bildungsferne Jugendliche die Möglichkeit, eine Ausbildung im Kfz-Bereich zu absolvieren. "Wir fördern die Jugendlichen, die aufgrund sozialer Auffälligkeiten oder auch durch körperliche Beeinträchtigungen kaum eine Chance haben, sich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren."
Ein Konzept, das aufgeht. Einmal im Jahr, wenn das Team der Alten Schmiede zum Mitarbeiterfest einlädt, sind nämlich auch all diejenigen mit dabei, die ihren Gesellenbrief dank der intensiven und begleitenden Betreuung durch Meister und Sozialpädagogen bereits in der Tasche haben. "Die abgeschlossene Ausbildung hat ihnen die Tür zum ersten Arbeitsmarkt geöffnet", weiß Robert Bosch aus Erfahrung. Nicht jeder Ehemalige arbeitet heute in einem Werkstattbetrieb, einige sind an einer Tankstelle oder im Reifenhandel tätig, aber sie alle haben ihre Chance genutzt.

Mitarbeiterfest mit allen Ehemaligen

Mitte August beginnt ein neuer Azubi an der Hülsmannstraße. Er darf seine Ausbildung in der Alten Schmiede zu Ende machen. "Etwa ein halbes Jahr hat er noch, dann kann er zur Prüfung zugelassen werden", so Robert Bosch. Warum sein alter Ausbildungsbetrieb die Reißleine gezogen und ihn auf die Straße gesetzt hat, weiß der junge Mann. "Und er ist sich bewusst, dass es an ihm lag." In enger Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft und dem Jobcenter wurde an einer Lösung gearbeitet, in der Alten Schmiede in Borbeck wird sie nun umgesetzt. "Kümmern ist bei uns Programm", macht Bosch auf den besonderen Ansatz aufmerksam. Und dieses Kümmern geht weit über Hilfe bei schulischen Problemen hinaus. "Wir sind Ansprechpartner auch in privaten Dingen", so Bosch. Es ist nicht unüblich, dass die Azubis mit Formularen in sein Büro kommen und der Bitte, beim Ausfüllen für die Ämter zu helfen.

Mahdi besucht jetzt die Meisterschule

Mit Mahdi Atrian unterstützt aktuell ein Geselle das Team der Alten Schmiede. Der Iraner ist aus seiner Heimat nach Europa geflüchtet. In Borbeck bekam er die Chance auf eine Ausbildung. Auch der junge Flüchtling hat sie genutzt, besucht aktuell die Meisterschule. "Mit dem Ziel, irgendwann seine eigene Firma aufzumachen", freut sich Bosch über die Erfolgsgeschichte.

Das Fernsehen hat aus Borbeck berichtet

Dass in der Alten Schmiede nach einem besonderen Konzept gearbeitet wird, hat sich inzwischen nicht nur in Essen herumgesprochen. So waren bereits verschiedene Fernsehsender zu Gast an der Hülsmannstraße und haben über Robert Bosch und seine Mitstreiter berichtet. "In den Tagen nach Ausstrahlung haben wir Bewerbungen aus ganz Deutschland erhalten, ein Bewerber stand sogar einmal persönlich früh morgens vor der Tür", erinnert sich der Geschäftsführer.

Chance mit beiden Händen ergreifen

Doch es sind in der Regel Auszubildende aus Essen und Umgebung, die an der Hülsmannstraße eine Chance auf eine Ausbildung in ihrem Traumberuf Kfz-Mechatroniker bekommen. Christian, Marcel, Alexander und Felix haben sie mit beiden Händen ergriffen und sind fest entschlossen, das Beste daraus zu machen. "Wir sind nicht günstiger als andere Werkstätten", bringt es Robert Bosch den Arbeitsansatz der Alten Schmiede auf den Punkt, "aber dafür besonders."

Die Alte Schmiede wird von drei Vereinen getragen: dem Weigle Haus, Zug und Zug e.V. und der Gefährdeten Hilfe Essen-Borbeck e.V.
Das Leitungsteam setzt sich aus den beiden Geschäftführern (Hans-Heinrich Beilharz / Robert Bosch) und Serviceleiter Jochen Guntermann zusammen.
An der Hülsmannstraße wird sowohl der berufliche Werdegang der Jugendlichen gefördert, wie auch kundenorientiert gearbeitet. 

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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