Gedenken an Pogromnacht 9. November 1938
Vor 82 Jahren in Essen: Zerstörte Menschenleben - verbrannte Synagogen und Existenzen

Der Holbeckshof und die Aaronstrasse in Steele kurz oberhalb der Fürstin-Christine-Stiftung nahe des Steeler Bahnhofs. In einer umzäunten Barackenlagerhalle mussten viele jüdische Bürger*innen unserer Stadt die letzten Wochen und Monate verbringen, bevor sie dann aus der Stadt deportiert und in verschiedene Konzentrationslager transportiert wurden, aus denen die wenigsten noch lebend wieder herauskamen. Derweil freuten sich deutsche "arische Volksgenossen" darüber, wenn sie in den Kriegsjahren die plötzlich leere Wohnung einer jüdischen Familie zugewiesen bekamen.  | Foto: Walter Wandtke
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  • Der Holbeckshof und die Aaronstrasse in Steele kurz oberhalb der Fürstin-Christine-Stiftung nahe des Steeler Bahnhofs. In einer umzäunten Barackenlagerhalle mussten viele jüdische Bürger*innen unserer Stadt die letzten Wochen und Monate verbringen, bevor sie dann aus der Stadt deportiert und in verschiedene Konzentrationslager transportiert wurden, aus denen die wenigsten noch lebend wieder herauskamen. Derweil freuten sich deutsche "arische Volksgenossen" darüber, wenn sie in den Kriegsjahren die plötzlich leere Wohnung einer jüdischen Familie zugewiesen bekamen.
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Trotz Corona-Pandemie und trotz der Blicke auf das hoffnungsvolle Ergebnis der Präsidentenwahlen in USA darf auch dieses Jahr das Gedenken an die 1938 von Deutschland organisierte Katastrophe für jüdische Menschen und ihre Existenz nicht verloren gehen.
Dass nach einem Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris diese vom deutschen Staat unter Hilfe vieler SA und SS Truppen organisierte vorgebliche Volkserhebung gegen die Juden so mitten im Frieden, fast noch ein Jahr vor dem Beginn des II. Weltkriegs am 1. September 1939 Pogromaktion stattfinden konnte, ohne sichtbaren Widerstand in der bevölkerung auszulösen, musste das NS-Regime ermuterigen, bald auch weitere schritte zum Massenmord unerwünschter Bevölkerungsteile einzuleiten.

Erinnerung an Deportationen und Rechtlosigkeit in Deutschland

Eine Erinnerung fand am heutigen Samstag in Steele statt - Die VVN- Vereinigung der Verfolgten des Nazisregime und der Antifaschisten hatten sich mit Kooperationspartnern wie "Essen stellt sich Quer" oder "Steele bleibt bunt" am Holbeckshof und der Aaronstrasse zu einer Kundgebung versammelt. Später wurden dann Stolpersteine in Steele besucht und ihre Sichtbarkeit mit Kerzen und Blumen erneuert. An all diesen Häuser an Steeler Strassen hatten jüdische Bürger*innen unserer Stadt gelebt, bevor sie vom nationalsozialistisch regierten deutschen Staat in die Deportation gezwungen und dem späteren industriell gesteuerten Massenmord zugeführt wurden. Der wenige Jahre später nach Kriegsbeginn in den Vierziger Jahren folgende Massenmord all dieser Menschen hat aber einen wichtigen Ausgangspunkt auch gerade am 9. November 1938. Erkennbare öffentliche Empörung oder Rebellion von deutschen Bürger*innen, die nicht selbst unmittelbar von der Verfolgung betroffen waren, gab es im November vor 82 Jahren leider nicht.
Am Montag , dem 9. November wird es um 17.00 Uhr eine Gedenkveranstaltung vor der Alten Synagoge an der Schützenbahn in der Innenstadt geben. Organisiert wird diese Veranstaltung mit der VVN, wie auch vielen Kooperationspartnern wie DGB, Essen stellt sich quer, dem Antirassismus Telefon Essen, wie auch Steele bleibt bunt und der Unterstützung des Schauspiels Essen. Zu hoffen bleibt, dass die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nicht zuviele Essener*innen davon abhalten wird, an diesem Gedenken vor Ort teilzunehmen.
Gerade unsere Heimatstadt Essen, sich sich in der nationalsozialistischen Diktatur als nicht nur "Gaustadt Hauptstadt" und angesichts von Besuchen von Hitler und Mussolini als "Rüstungsschmiede des Reichs" titulierte und unter ihrem NS-Oberbürgermeister Reismann-Grone auch eine besondere  faschistische Kulturhauptstadt sein wollte, ein "braunes Weimar", muss sich dieser Erinnerung auch nach 8 Jahrzehnten in aller Konsequenz stellen.

Trotz Corona - am 9. November zur Alten Synagoge kommen!

Schade, dass die offizielle Gedenkveranstaltung in der Alten Synagoge, die seit vielen Jahren immer unter Beisein des Oberbürgermeisters und/oder der Bürgermeister ausgerichtet wurde, diesmal  ausfällt. Aber zivilgesellschaftliche Gruppen sollten diesen Ausfall sichtbar wettmachen können. Es geht eben auch nach 82 Jahren nicht um eine "Kristallnacht" mit kaputten Glasscheiben, wie im NS-Jargon damals zynisch in die Welt gesetzt, sondern um zerstörte und verletzte Leben, abgebrochene wirtschaftliche Existenzen und in unserer Stadt z.B. um die nach Brandschatzung zerstörten Syngogen im Essener Zentrum und in Steele, deren Übereste dort wenig später abgerissen wurden. Es geht um das Aus eines architektonisch bemerkenswert modernen Jugendheims der jüdischen Gemeinde - an deren Stelle dann aber immerhin 20 Jahre später die neue kleine synagoge der jüdischen Nachkriegsgemeinde gebaut werden konnte.

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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