Eine Milliarde für einen Mord

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Panem et Circenses, Krimi-Dinner oder musikalisch-kulturelle Meile - die Verbindung von Kunstgenuss und kulinarischem Schwelgen stößt seit Jahren auf große Resonanz. Dr. Andreas Herzog, Theater-Lehrer am Theodor-Heuss-Gymnasium nahm den Trend auf und inszenierte Dürrenmatts Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ in eigener Weise – bei Getränken, passend zur Handlung wurden die Zuschauer unmittelbare Zeugen des makabren Schauspiels.

Aus der „alten Dame“ bei Dürrenmatt wird die „junge Dame“ in der THG-Inszenierung. Und jung sind nicht nur die Schauspieler, sondern auch der Text. Komplett neue formuliert spielt die Handlung nicht mehr in irgendeinem Städtchen, sondern in Kettwig selbst. Der Anlass des Wiedersehens alter Bekannter passt zum Aufführungsort: Ein Ehemaligentreffen der Schule.

Und dann taucht sie auf: Die junge Dame, die von Mona Fromm oder Anna Bielefeld bestechend verkörpert wurde (In den beiden Aufführungen wechselten die Hauptrollen). Und sie fordert Rache. Wofür? Als junges Mädchen ist sie bis über beide Ohren verliebt in Adam, absolut überzeugend gespielt von Marvin Braun sowie von Jan Breker. Und sie überlässt ihm Nacktfotos als Liebesbeweis. Adam verbreitet sie im Netz. Schulabbruch und zwei Jahre Psychotherapie sind das Ergebnis, das Leben des Mädchens scheint zerstört. Doch sie lernt den Richtigen kennen, wird selbst Finanzökonomin und kehrt zurück nach Kettwig, zum Ehemaligentreffen am THG. Und die Stadt, inzwischen völlig ruiniert, lässt sich kaufen für zweimal 500 Millionen.

Und nun sitzt der Zuschauer selbst am Ort der Handlung. Vor seinen Augen spielt sich ab, was kommen muss. Nach allgemeiner Empörung fällt einer nach dem anderen um, bis es schließlich in der gemeinschaftliche Tötung des ehemaligen Kameraden mündet. Anfänglich sitzen alle noch bei Brot und Wasser (auch die Zuschauer), dann wächst der Reichtum auf Pump und schließlich fließt der Champus. (Auch der natürlich fürs Publikum.) Die Schauspieler kommen an die Tische und servieren Getränke. Adams Sohn fährt im schnittigen Sportwagen auf dem Schulhof und Polizist Peter bekommt endlich sein langersehntes Mofa.

Die Schülertruppe spielt gekonnt und textsicher, so wie ihr die Rollen auf den Leib geschrieben ist. Als Filmeinspielung findet man sich vor Schloss Landsberg wieder, als Adam versucht, Clara an alte (Liebes-)zeiten zu erinnern. Doch eine kurz aufkeimende Hoffnung in ihm zeplatzt schnell - eiskalt lässt Clara den ehemaligen Liebhaber spüren: Sie hat nichts vergessen, und eben deshalb kauft sie sich Gerechtigkeit, also eine Milliarde für einen Mord. Als es dann wirklich dazu kommt, überrascht es nicht. Allzu überzeugend haben sich die Kettwiger verändert.

Eine mutige Inszenierungsidee, die zeigt, dass sich Schülertheater und Experimentierfreude durchaus nicht ausschließen. Mit Sicherheit hat sie den Blick geweitet für die Möglichkeiten des Schauspiels und Lust gemacht auf mehr.

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Autor:

Goswin Stuebe aus Essen-Kettwig

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