Klaus Johannknecht: "Gerecht ist anders..."
AWO Essen-Vorsitzender warnt weiter vor der Spaltung der Gesellschaft

Klaus Johannknecht (rechts) am "Tag der Arbeit" im Gespräch mit DGB-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand. Forderung: "Gerechte Bezahlung von Arbeit". Foto: AWO
  • Klaus Johannknecht (rechts) am "Tag der Arbeit" im Gespräch mit DGB-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand. Forderung: "Gerechte Bezahlung von Arbeit". Foto: AWO
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Im Sommer 2017 hat die AWO Essen mit ihrer Kampagne "Wir machen Druck" bundesweit für Reaktionen gesorgt. Der Vorsitzende des Essener Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt, Klaus Johannknecht, warnte vor der Spaltung der Gesellschaft in "Arm und Reich". Wie sieht er die Situation aktuell im Jubiläumsjahr "100 Jahre AWO"?

Alters- und Kinderarmut bekämpfen, faire Pflegebedingungen, bessere Kita-Betreuung, mehr sozialer Wohnungsbau und angemessene Arbeitslöhne, so sehen die Kern-Forderungen der AWO Essen aus. Hat sich da schon etwas verbessert?
Klaus Johannknecht: Lange nicht genug. 5,4 % der Bevölkerung leben in Armut und das bedeutet eben auch Kinder- und Altersarmut. Allein 1,5 Mio. Menschen in Deutschland müssen die Angebote der Tafeln nutzen, kämen sonst gar nicht mehr klar. Wer heute im Jahr weniger als 25.000 Euro verdient, dem droht später die Hartz IV-Rente. Viele Senioren müssen im Altenzentrum mit monatlich 112,30 Euro Taschengeld auskommen und davon meist Haar- und Nägelpflege bezahlen. Gibt's keine Verordnung zahlen sie auch die Krankenfahrten oder werden an diesen Kosten beteiligt - ein Unding.

"1,5 Mio. Menschen
müssen zur Tafel
und die Regierung
leistet sich Berater
für 1,4 Mrd. Euro"

Wegen steigender Kosten in der stationären Pflege sind immer mehr Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen. U.a. das ZDF hat von Menschen berichtet, die deshalb im Alter Deutschland verlassen müssen.

Kann man diese Szenarien denn überhaupt noch ändern?
Natürlich. Es ist genug Geld vorhanden, die Lasten müssen nur gerecht verteilt werden. Mindestlohnerhöhung von 8,84 auf 9,19 Euro - wie sollen diese Menschen je eine vernünftige Rente erhalten? Immerhin 25 Euro-Kindergelderhöhung in drei Jahren - aber dagegen gibt die Bundesregierung allein rund 1,4 Mrd. Euro für externe Berater aus. Natürlich werden jetzt wieder einige sagen, dass man das nicht vergleichen kann. Aber den normalen Menschen kannst du das nicht mehr erklären, die winken ab.

Mal was Positives: Aktuell gab's den Kita-Gipfel in Essen und z.B. im Osten der Stadt ist die AWO als Träger für sozialen Wohnungsbau "in der Verlosung".
Dass immer noch fast 3.000 Kita-Plätze in Essen fehlen, steht eindeutig für die Versäumnisse in den vergangenen Jahren. Hier hätte OB Thomas Kufen viel früher aktiv werden müssen. Und bezahlbarer Wohnraum ist wichtig. Die AWO Essen fordert deshalb schleunigst einen "Sozialer Wohnungsbau-Gipfel" mit allen Essener Wohnungsbauunternehmen.

Fordern, mahnen, aber auch organisieren und moderieren - ist das die neue Rolle der AWO?
Das ist eigentlich unsere alte und neue Rolle. Es muss sich dringend etwas ändern im Verhältnis zwischen super-reichen und bitter-armen Menschen, sonst gerät unser demokratisches Staatswesen in Gefahr. Wir brauchen einen Aufbruch zur Verhinderung von Armut - jetzt, nicht irgendwann. Und die AWO muss mit Klartext die Öffentlichkeit, die Politik, unsere Volks-Vertreter, wachrütteln.

Autor:

Detlef Leweux aus Essen-Steele

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