Verena Wassermann vom Vorstand der Kinderstiftung Essen im Interview
"Früh übt sich!" - gesunde Ernährung bei Kindern

Gesunde Ernährung sollte schon im Kindesalter selbstverständlich sein. | Foto: Udo Geisler
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Noch immer müssen Kita- und Grundschulkinder in der Zeit der Corona-Krise zuhause bleiben. Gesunde Ernährung und Bewegung sind auch jetzt wichtige Elemente der Kindergesundheit. Der SÜD ANZEIGER sprach mit Verena Wassermann vom Vorstand der Kinderstiftung Essen über dieses Thema.

Wie kam die Kinderstiftung Essen auf die Idee, die Aktion „Gesundes Kinderrezept“ zu starten?

Wassermann: Gesunde Kinderernährung ist schon lange eines unserer Leitthemen. Die Kinderstiftung Essen hat 2010 gemeinsam mit dem Jugendamt und dem Gesundheitsamt in ausgewählten Essener Kitas das Modellprojekt „Fünf am Tag – machen Kinder stark“ gestartet. Die beteiligten Kitas bekommen Geld für den Obst- und Gemüseeinkauf, für ergänzende Bewegungsangebote und professionelle Ernährungsberatung. Pädagogische Fachkräfte werden fortgebildet und Eltern einbezogen, damit nicht nur in der Kita gesundes Essen auf den Tisch kommt. Zurzeit sind wegen der Corona-Krise die Kitas längerfristig geschlossen. Die Kinder essen also ausschließlich zuhause.

In vielen Familien wird jetzt so viel gekocht wie lange nicht …

Wassermann: So ist es – und was liegt da näher, als die Kleinen an der Zubereitung der Mahlzeiten zu beteiligen und gemeinsam mit ihnen ein Rezept auszuprobieren? Zumal viele Kinder jetzt öfter mal Langeweile haben. Wer selbst kocht, weiß, was in dem Essen steckt: wie viel Fett, wie viel Zucker etc. Davon steckt in Fertiggerichten oft mehr als man denkt. Aus unseren Projektkitas wissen wir, dass schon Drei- bis Fünfjährige viel Spaß am Kochen haben. Dort wird den Kindern nicht nur mehrmals am Tag Rohkost und Obst angeboten, sondern es wird gemeinsam geschnibbelt und gerührt. Was Kinder selbst zubereitet haben, probieren sie auch viel lieber. Und sie lernen auf diese Weise viele verschiedene Obst- und Gemüsesorten oder auch gesunde Kräuter kennen und lieben.

Mal ehrlich: Die meisten Kinder knabbern doch lieber Kekse statt Kohlrabi. Mit welchen Tricks gelingt es denn in Ihrem Programm, die Kleinen für gesunde Ernährung zu begeistern?

Wassermann: Für gesunde Ernährung gilt: Früh übt sich! Der Grundstein für ein gesundes Ernährungsverhalten wird schon sehr früh gelegt. Unser Programm ist entstanden, weil schon viele Vorschulkinder bei den Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes durch Übergewicht aufgefallen sind. Oft ist das die Folge von falscher Ernährung und zu wenig Bewegung. Daher ist es wichtig, schon Kleinkindern Lust auf gesundes Essen zu machen und es ihnen in seiner ganzen Vielfalt anzubieten. Wenn Kinder eine neue Geschmacksrichtung – zum Beispiel den bitteren Geschmack von Chicorée – zunächst ablehnen, sollte man das Gemüse trotzdem immer mal wieder anbieten. Der Geschmack ändert sich und er lässt sich trainieren. Wenn ich zum Beispiel beginne, weniger Zucker in meinen Tee zu rühren, schmeckt mir der süße Tee irgendwann gar nicht mehr.

Spielen Vorbilder auch eine Rolle?

Wassermann: Auf jeden Fall! Kleine Kinder wollen in der Regel das Gleiche essen wie die Großen. Wenn der große Bruder herzhaft ins Vollkornbrot beißt und die Mama mit Begeisterung Rohkost knabbert, wird das Kleinkind es vielleicht auch probieren. Apropos Rohkost: Wer Möhren, Gurken und Paprika in mundgerechte Stücke schneidet und nett anrichtet, steigert die Chance, dass das Gemüse auch gegessen wird. Ein guter Trick ist, zu Beginn der Mahlzeit erst einmal nur Rohkost anzubieten und dann das Hauptgericht aufzutischen. Auf diese Weise ist der erste Hunger auf eine sehr gesunde Weise gestillt.

Welche Tricks gibt es noch, um Lust auf gesundes Essen zu machen?

Wassermann: Besonders schön ist es, mit den Kindern gemeinsam Gemüse, Obst oder Kräuter anzupflanzen. Sie lieben es, in der Erde zu buddeln, zu gießen und zu beobachten, wie aus Samen kleine Pflänzchen sprießen. Was Kinder selbst geerntet haben, probieren sie auch gerne. Und sie erleben dabei den gesamten Kreislauf der Natur. Wir ermöglichen diese Erfahrung, indem wir in unserem Programm in den Kitas das Anlegen von Obst- und Gemüsebeeten unterstützen. Dieses Teilprojekt nennt sich „Essbare Kita“. Im Hochbeet lassen sich zum Beispiel wunderbar Erdbeeren, Tomaten oder Kräuter anbauen.

Und dann gibt es in der Kita zum Nachtisch Erdbeer-Smoothie statt Eis?

Wassermann: Zum Beispiel. Ein Smoothie oder ein Milchshake mit Erdbeeren ist eine leckere Süßigkeit. So ein Nachtisch ist perfekt, um den Appetit auf Süßes, den jeder einmal hat, zu stillen. Noch ein Tipp für Eltern: Es ist völlig in Ordnung, seinem Nachwuchs an einem schönen Tag auch mal ein Eis zu spendieren. Süßigkeiten sollten allerdings nie als Belohnung oder Trostpflaster eingesetzt werden. Wer als Kind nach einem Sturz mit einem Lolli von seinem Schmerz abgelenkt wird, der läuft Gefahr, auch als Erwachsener seinen Frust mit Schokolade zu bekämpfen. Eine Süßigkeit sollte immer etwas ganz Besonderes sein und mit Genuss verzehrt werden.

Noch eine Frage zum Schluss: Sie sind selbst mehrfache Mutter und Großmutter. Was kochen Sie besonders gern für Ihre Familie?

Wassermann: Für meine Familie koche ich sehr gern Eintöpfe, von Minestrone bis zu den Klassikern wie Linsensuppe oder Grünkohl, aber auch orientalisch gewürzte Variationen, je nach Jahreszeit!

Gesunde Ernährung sollte schon im Kindesalter selbstverständlich sein. | Foto: Udo Geisler
Verena Wassermann. | Foto: Foto: Herbert Schaar/ commedia
Autor:

Petra de Lanck aus Essen-Süd

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