Bücherkompass Rezension: Tobi Katze "Morgen ist leider auch noch ein Tag – Irgendwie hatte ich von meiner Depression mehr erwartet"

Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Oktober 2015

Irgendwie hatte ich von dem Buch mehr erwartet. Naja, nicht wirklich mehr. Eher etwas anderes. Vielleicht hab ich mich auch mal wieder ein wenig davon täuschen lassen, wie das Werk in den Medien präsentiert wird. Aber wahrscheinlich wäre ich sonst gar nicht erst darauf aufmerksam geworden.

Tobi Katze ist bekannt als Literat. Nicht nur aus dem Ruhrgebiet, sondern auch aus der humoristischen Ecke. Immerhin ist er Träger des Bielefelder Kabarettpreises – eine zweifelsfrei bereits humorvolle Kombination zweier Substantive. Und er leidet unter Depressionen, über die er ein Buch geschrieben hat. Also ist es ein lustiges Buch. So in etwa sind mir die diversen Artikel und Berichte darüber in Erinnerung. Natürlich wurde auch immer wieder erwähnt, wie toll das doch ist, dass jemand, der aufgrund seiner Krankheit, kaum etwas wie Heiterkeit verspürt, sich so humorvoll und offen damit auseinandersetzen und damit andere Menschen so erheitern kann. Für eine neutrale Buchrezension sind diese Hintergrundinfos jedoch eher vorbelastend. Ebenso empfiehlt es sich den Kommentar von Frank Goosen auf der Rückseite des Buches („Tobi Katze […] lässt uns mal ganz anders lachen“) zu übersehen.

Der Autor schildert über einen geschätzten Zeitraum von etwa eineinhalb bis zwei Jahren, wie seine Depression sein Leben beherrscht und mit welchen Minimalschritten er es Tag für Tag, und manchmal auch nur Stunde für Stunde, mühevoll schafft, sich über Wasser zu halten. In Unterhaltungen mit seinen Freunden wird das Gesagte schnell durch mitschwingende Untertitel uminterpretiert. Die Zuneigung anderer wird durch Selbsthass abgewehrt. Die Gespräche/Gedanken mit sich selbst drehen sich im Kreis. Die mit dem Therapeuten sind inhaltlich auch immer gleich. Einzig die gelegentlichen Momente der Erkenntnis und Akzeptanz, lassen sich als infinitesimale Fortschritte bezeichnen. Und die beiden wichtigsten und zugleich schwersten Punkte, die ihm Erkenntnis und Akzeptanz abverlangen sind: Es wird sich keine Ursache für die Erkrankung finden und es gibt keine magische Lösung, die ihn davon befreien wird.

Zugegeben, ganz so falsch lagen meine Vorgänger gar nicht mit Ihren Rezensionen (bzw. Präsentationen) und man kann auch nicht einfach alle Informationen über den Autor außer Acht lassen, um das Werk im richtigen Kontext zu sehen. Depressionen sind nun mal nichts zum Lachen. Aber Tobi Katze hat den besten Weg für sich gefunden damit klarzukommen, indem er sich dieser Krankheit mit überspitzten oder bissigen Kommentaren, die zum Teil auch in seinen eigenen Selbstgesprächen zum Einsatz kommen, entgegenstellt. Zudem ist er schon von Berufs wegen so eloquent und humorvoll, dass sein Buch zwangsweise in den Humorecken der Buchhandlungen ausliegt. Vielleicht auch deshalb, weil es keine eigene Rubrik für „Zynismus“ gibt.

„Morgen ist leider auch noch ein Tag“ ist definitiv kein komisches Buch und eignet sich auch nicht unbedingt als lustiges Geburtstagsgeschenk. Zweifelsfrei ist es aber ein sehr gutes Buch. Man sollte nicht so weit gehen zu behaupten, dass sich anhand des Buches, das Innenleben eines depressiv kranken Menschen nachvollziehen lässt, denn das könnte schnell anmaßend wirken. Es schildert aber eindrucksvoll wie sich jemand fühlt, der eigentlich nichts fühlen kann, weil er sich selbst ständig daran hindert. Und auch wenn man beim Lesen nicht gerade in schallendes Gelächter ausbrechen wird, an manchen Stellen ist ein leichtes Schmunzeln auch nicht ganz unangebracht.

Autor:

Sebastian Cappellacci aus Essen-Süd

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