Wertvolles aus Liudgers Bibliothek

Propst Jürgen Schmidt präsentiert das druckfrische Bändchen, eingerahmt von den Machern des Buches und einer eindrucksvollen Urkunde aus dem Archiv seiner Pfarrei. 
Foto: Henschke
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Neues Buch präsentiert mittelalterliche Handschriften und Urkunden der Benediktinerabtei

Die Urkunde aus dem Jahr 1103 ist ein wenig durch Knickstellen und Moderschäden angeschlagen. Aber ihr Inhalt ist unmissverständlich: Es geht um Privilegien.

Anlässlich einer Synode stellte der Kölner Erzbischof Friedrich I. von Schwarzenburg Dinge klar. Zum Beispiel, dass nur der Hochaltar des Heiligen Liudgerus das Recht habe, zu taufen. Und nicht „wie von manchen behauptet“ die neuen Kapellen. In St. Lucius und St. Clemens durfte also weiterhin nur in zwingenden Notfällen getauft werden. Die bestehenden Verhältnisse waren gesichert, der Werdener Abt Otto I. von Sappenheim konnte zufrieden sein.

Akribische Forschung

Über 900 Jahre später hält Propst Jürgen Schmidt ein eher unscheinbares Bändchen in Händen. Es wird den Fokus der wissenschaftlichen Welt auf die Werdener Benediktinerabtei lenken. Das druckfrische Buch ist in der Reihe „Inventare nichtstaatlicher Archive“ erschienen. Herausgegeben von der Archivberatungsstelle Rheinland, finanziell unterstützt vom Institut für kirchengeschichtliche Forschung des Bistum Essens. Ein spannendes Projekt mit aus dem Lateinischen übersetzten Texten und farbigen Abbildungen von Quellen aus dem achten Jahrhundert bis zur Reformation. Ein zukünftiger zweiter Band soll sich den Jahren nach 1517 widmen.
Als Spezialisten konnten Gerhard Karpp (Leipzig) für die Bearbeitung der Handschriften und Dr. Hans Budde (Billerbeck) für die Registrierung der Urkunden gewonnen werden. Für ihre langwierige Forschung fand der Propst lobende Worte.
Erstmals sind die noch in Werden verbliebenen mittelalterlichen Schriften in einem Band versammelt. Ungewöhnlich, da sonst die Welten der Urkunden und Handschriften, der Archivare und Bibliothekare getrennt sind. Ein Novum ist also die Zusammenführung in einem Band: „Das gab es so noch nie.“ Durch die von Historikerin Dr. Annette Löffler (Leipzig) erstellten gemeinsamen und sehr ausführlichen Indices kann die jeweilige Quelle zielgerichtet gefunden werden. Es wird ein Standardwerk der Grundlagenforschung werden, zumal auch etliche Fragmente aufgeführt sind. Dies waren oft Blätter, deren Einbände sich gelöst hatten oder deren Inhalt nicht mehr benötigt wurde. Ein wahrer Schatz für jeden Buchbinder: Die rauen Holzdeckel zerrieben die wertvollen Pergamente, also wurden Fragmente als Vorsatzpapiere eingeklebt. Diese Makulatur ist oft um Jahrhunderte älter als ihr Trägerband und daher noch interessanter für die Wissenschaft.

Liudgers Bücherschrank

In der Bibliothek des um 799 gegründeten Benediktiner-Klosters gab es einen Grundstock an Büchern, die Liudger aus seinen vorherigen Stationen Utrecht und York mitgebracht hatte. Schnell kamen weitere Werke hinzu, im Werdener Skriptorium wurde eifrig gearbeitet. Hier war man sehr konservativ, so wurde noch lange in angelsächsischer Minuskel geschrieben, nicht in der Carolina, die gerade Westeuropa eroberte. Vieles wurde dazu gekauft, die Bücher türmten sich, die riesige Bibliothek suchte Ihresgleichen. Man spricht von 11.000 Bänden. Die Säkularisation veränderte alles: Am 3. Januar 1803 wurde die Aufhebung des Klosters verkündet. Abt Beda Savels und seine Mitbrüder gaben Werden als Wohnort auf. Nun war aber der Abt zugleich auch Pastor der Katholischen Gemeinde, also musste ein Nachfolger her. Die Pfarre St. Ludgerus wurde gegründet, mit Theodor van Gülpen als erstem Pastor. Auch an Kirchengebäude wurde Hand angelegt: So wurden die Nikolauskapelle am Markt 1806 zum Abbruch verkauft und 1817 die Clemenskirche abgerissen. Der St. Lucius-Kirche blieb dieses Schicksal erspart, allerdings wurde sie für rund 150 Jahre als Lager und Wohnhaus genutzt. Auch die Werdener Bibliothek wurde verteilt: nach Münster und Düsseldorf, vieles ist in der ganzen Welt verstreut. So manches Liebhaberexemplar mögen die letzten Mönche mitgenommen haben. Was in Werden verbleiben durfte, fand seinen Weg in das Pfarrarchiv von St. Ludgerus. Im Hause Brückstraße 77 hat Archivar Franz Josef Schmitt alles versammelt: Was noch in den 80er Jahren in Kartons und Umschlägen gelagert wurde, ist nun fachmännisch restauriert und in Stahlschränken aufbewahrt.

Geschichte ist Geschichtetes

Monsignore Schmidt übernahm vor fünf Jahren als Nachfolger von Heinrich Engel und Johannes Kronenberg nicht nur das Amt des Propstes. Er übernahm auch das bereits seit 1989 laufende Buchprojekt, welches endlich fertig gestellt werden konnte. Ein anderes Projekt ist der viel diskutierte Pfarreientwicklungs-Prozess. Die Zeiten sind stürmisch, Kirche muss auf die demografische Entwicklung reagieren. Am 30. November entschieden Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat über Maßnahmen, im neuen Jahr wird das Werdener Votum dem Bischof vorgelegt. Propst Jürgen Schmidt: „Von daher ist es sehr beeindruckend, wie wir uns gerade in dieser Phase der Ursprünge unserer Pfarrei vergewissern können. Geschichte ist aufeinander Geschichtetes.“

Propst Jürgen Schmidt präsentiert das druckfrische Bändchen, eingerahmt von den Machern des Buches und einer eindrucksvollen Urkunde aus dem Archiv seiner Pfarrei. 
Foto: Henschke
Liudger brachte Bücher aus Utrecht und Münster mit. Dieses Bildnis war ursprünglich in der St. Clemens-Kirche, ist nun in der St. Lucius-Kirche zu sehen. 
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Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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