„east winds“ – albanische Musikstudenten und Professoren aus dem Kosovo zu Gast beim Symphonischen Blasorchester Essen

„Der Kosovo ist isoliert“ – so lautet die Übersetzung von GoogleTranslate in einem Gespräch über Einreise-Visa zwischen mir und unserem albanischen Besuch aus dem Kosovo. Für junge Menschen aus dem Kosovo, die gerne die Welt entdecken möchten, ist es schwierig, ein Visum genehmigt zu bekommen. Doch für Deutschland hat es bei fast allen funktioniert und so sind Ende Juni 21 albanische Musikstudenten und vier Musikprofessoren aus dem Kosovo nach 35-stündiger Busfahrt für ein Konzertprojekt in Essen angekommen. Mein Partner und ich, Trompeter und Klarinettistin des Symphonischen Blasorchesters Essen, warteten gespannt auf unsere zwei Besucher, welche für eine Woche unsere Gäste sein werden. Arsim Kelmendi, welcher mit unserem Dirigenten Desar Sulejmani die Kooperation des Symphonischen Blasorchesters Essen mit der Musikfakultät der Universität in Peja organisiert hat, bringt sie bei uns vorbei. Nach einer freundlichen, aber zuerst einmal verhaltenen Begrüßung, sehnt sich unser Besuch nach einer Dusche und möchte danach noch ein bisschen die Stadt erkunden oder wie GoogleTranslate es ausdrückt „Können wir irgendwo hingehen, wo es interessanter ist?“. Bisher haben wir uns immer über die teils schrecklichen Übersetzungen von GoogleTranslate geärgert, doch jetzt sind wir sehr dankbar dafür, die Verständigung mit ein paar Brocken Englisch sowie Händen und Füßen durch die Google-Übersetzung ergänzen zu können.

Am nächsten Tag geben die albanischen Musikstudenten und Professoren ein eigenes Konzert in Oberhausen. Als absehbar wird, dass es knapp werden könnte, den Konzertort pünktlich zu erreichen, insbesondere weil der Reisebus kein Navi hat, bleiben unsere Gäste entspannt. Es wird einfach Kolonne gefahren, immer dem Auto mit dem Navi hinterher. Wir werden im Laufe der Woche reflektieren, dass uns dauergestressten Deutschen eine Portion von dieser gelassenen Herangehensweise an Probleme vielleicht guttun würde. Wir erleben ein gelungenes Konzert und verlassen den Konzertort mit dem Gefühl der Vorfreude auf das Zusammenspiel mit den albanischen Musikstudenten und Professoren.

In der Generalprobe für das Konzert „east winds“, in welchem das Symphonische Blasorchester Essen Ende Juni osteuropäische Klassik von Mussorgsky bis Khachaturian spielte, erwartete mich eine Überraschung: Ein weiterer Saxofon-Student aus dem Kosovo ist heute mit dem Flugzeug in Düsseldorf gelandet. Er wird ab jetzt unser dritter Gast sein. Auf dem Nachhauseweg stelle ich fest, dass er fast fließend deutsch spricht. „Wo hast du das gelernt?“, frage ich erstaunt. „Durch Fernsehen“, lautet seine Antwort, „wir hatten Zuhause nur deutsches Fernsehen – RTL II und Super RTL“. Doch bevor wir uns von der Probe auf den Weg nach Hause machten, erlebte ich noch eine Überraschung. Ein Polster meiner Klarinette ging kaputt, wodurch ich keinen Ton mehr aus dieser bekam. Zu meinem Glück versprach mir der albanische Klarinetten-Professor in der Pause zu helfen. Nachdem wir Kleber aus der Wohnung eines in der Nähe wohnenden Mitspielers geholt hatten, machte sich der Professor ans Werk. Das muss ein Bild für die Götter gewesen sein: Drei meiner Mitspieler halten auseinandergebaute Teile meiner Klarinette fest, der albanische Klarinetten-Professor flickt mit einer Seelenruhe mein Klappen-Polster und ich halte mit einem ängstlichen Gesicht die Kappe von der Kleber-Tube fest, weil ich mir nicht sicher bin, ob wir ihm gerade deutlich machen konnten, dass es sich nicht um normalen, sondern um Sekundenkleber handelt.

Am Freitag stürzen sich ein paar von uns mit unseren Gästen ins Essener Nachtleben. Zuerst wird noch in der Dampfe gemütlich im Biergarten zusammengesessen und dann geht es ab zum Karaoke im Irish Pub. Noch so ein göttliches Bild, welches ich wahrscheinlich nie vergessen werde: Vier albanische Musikstudenten aus dem Kosovo singen „You can leave your hat on“ von Joe Cocker. Sie sind zwar nicht wirklich textsicher, bringen aber so viel Spaß mit auf die Bühne, dass das Publikum sie mit tosendem Applaus feiert.

Tosenden Applaus erhielten wir auch nach unseren Konzerten am Wochenende. Insgesamt waren wir fast 100 Musiker auf der Bühne. Das ergab an Tutti-Stellen wie beim großen Tor von Kiew aus Bilder einer Ausstellung einen bombastisch-voluminösen Klang. Es gab aber auch leise, filigrane Stellen zum wegträumen, wie das Oboen-Solo am Anfang von Lullaby aus der Ballettsuite Gayaneh. Nach unserer zweiten Zugabe, dem Säbeltanz aus der Ballettsuite Gayaneh, stand den fast 100 Musikern die Freude über die erfolgreichen Konzerte und den gelungenen musikalisch-interkulturellen Austausch ins Gesicht geschrieben. Unseren Besuch aus dem Kosovo empfanden wir als extrem bereichernd und dankten ihnen dafür als Abschluss der Konzerte symbolisch durch das Überreichen einer Gerbera-Blume. Falls Sie jetzt Lust bekommen haben, das Symphonische Blasorchester Essen live zu erleben, dann kommen Sie doch zu unseren Weihnachtskonzerten am 14.12.19 und am 15.12.19. Nähere Informationen zu den Konzerten finden Sie zu gegebener Zeit auf unserer Homepage sbessen.de

Autor:

Nora Schumm aus Essen

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