Vertragswidrige Kündigungen bei Strom und Gas
Energieversorger sorgen für Alarm

Die Strompreise explodieren und verschiedene Händler ziehen für sich die Notbremse. Foto: Pixelio/Henrik Gerold Vogel
  • Die Strompreise explodieren und verschiedene Händler ziehen für sich die Notbremse. Foto: Pixelio/Henrik Gerold Vogel
  • hochgeladen von Marc Keiterling

Viele Verbraucher haben die Erfahrung seit dem Herbst 2021 bereits gemacht: Mit sehr kurzfristigen Fristen kündigen Energieversorger Lieferverträge für Strom und Gas. Hintergrund sind die drastisch gestiegenen Preise für die Lieferanten, besonders beim Strom schlägt dies aktuell durch. Diese Kündigungen sind nach Ansicht der Verbraucherzentralen vertragswidrig. Eine außerordentliche Kündigung sei bei Energielieferverträgen nur im Ausnahmefall möglich, und wirtschaftliche Gründe zählten nicht dazu.

Begründet werden die Massenkündigungen mit den hohen Energiepreisen. In den vergangenen Monaten hätten sich die Beschaffungspreise für Erdgas und Strom am Terminmarkt verdreifacht, die Preise für kurzfristige Beschaffung sogar verfünffacht. Mit einer solch rasanten und bisher tatsächlich nie dagewesenen Entwicklung haben verschiedene Unternehmen, die unter anderem zu Stromhändlern gehören, nicht gerechnet.

Strom wird in Leipzig gehandelt

Gehandelt wird Strom in Deutschland an der Energiebörse EEX in Leipzig. Grundsätzlich gibt es zwei Märkte: Terminmarkt und Spotmarkt. Am Terminmarkt werden langfristige Verträge abgeschlossen, am Spotmarkt steigen und fallen die Preise kurzfristig mit Angebot und Nachfrage. Stromhändler benötigen anders als die Stromerzeuger kein eigenes Kraftwerk, weil sie die Energie extern einkaufen. Sie schließen deshalb beispielsweise Verträge mit dem Erzeuger ab oder kaufen den Strom an der Energiebörse ein. Neben dem Einkauf von Strom beteiligen sie sich gleichzeitig am Verkauf, zum Beispiel am Großhandelsmarkt sowie an der Strombörse. Stromhändler geben den Strom zur Einspeisung an die Netzbetreiber weiter. Hierfür zahlen sie ein entsprechendes Nutzungsentgelt, damit sie die Leitungen der Stadtwerke beziehungsweise der regionalen Versorger nutzen können.

Branchenkenner rechnen damit, dass vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise damit zu rechnen ist, dass weitere Händler Verträge mit Kunden plötzlich kündigen oder auch insolvent gehen.

Einer der Anbieter, die das Einstellen der Belieferung vollzogen haben, ist Immergrün. Der genaue Grund der angekündigten Belieferungseinstellung wurde in den bekannten Fällen nicht genannt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat Immergrün inzwischen abgemahnt. Dem Belieferungsstopp fehle die juristische Grundlage, eine Kündigung der Verträge sei dem Unternehmen erst zum Laufzeitende möglich. Eine außerordentliche Kündigung sei bei Energielieferverträgen immer möglich, allerdings muss ein wichtiger Grund vorliegen. Der wichtige Grund müsse jedoch so erheblich sein, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrages bis zum vereinbarten Ende oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dann könne der Vertrag auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vom Anbieter beendet werden.

Gaspreis-Überprüfung beim Grundversorger

Im Allgemeinen könne die außerordentliche Kündigung nur auf Gründe gestützt werden, die im Risikobereich der Gekündigten liegen, so die Verbraucherzentrale weiter. Selbst die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens könne grundsätzlich keinen wichtigen Grund für die Kündigung darstellen. Generell sei das Insolvenzrisiko der Sphäre des Anbieters zuzuordnen und könne diesen grundsätzlich nicht zur Kündigung berechtigen.

Vielerorts sei derzeit der örtliche Grundversorger gar der günstigste Gasversorger, so die Verbraucherzentrale abschließend und empfiehlt, sich dort zu erkundigen.

Weitere Infos zur Energieversorgung unter www.verbraucherzentrale.de.

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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