Roman Pilgrims Wegzug aus Gelsenkirchen war eine Kunstaktion
Eine etwas andere Kunstaktion

Die Wahrheit ist nun raus: Roman Pilgrim bleibt hier in seinem Revier und das sieht er in Ückendorf mitten drin in der Galeriemeile. | Foto: Frank Helferich
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Kurz vor dem Jahreswechsel sorgte Roman Pilgrim für viel Aufsehen in der Gelsenkirchener Kulturszene. Doppelt sogar. Der Ückendorfer Künstler verkündete im Dezember seinen Abschied von der Stadt. Kurz vor Weihnachten dann das Dementi. Das Ganze war eine Kunstaktion mit einem bestimmten Sinn.

Fake-News, aber ganz bewusste. So kann man grob die Verwirrung beschreiben, die Künstler Roman Pilgrim in den letzten Wochen bei vielen Menschen in Gelsenkirchen auslöste. Auch in der Stadtspiegel-Redaktion - wir berichteten über seinen vermeintlichen Weggang nach Berlin.
Doch den Ückendorfer Maler zieht es nicht in die Hauptstadt, auch wenn alles zunächst danach aussah. Anfang Dezember verkündete er zur Eröffnung des Licht-an-Festivals der Galeriemeile Gelsenkirchen seinen Umzug. Dazu präsentierte er den eigens gedrehten und anschließend über Pilgrims soziale Netzwerke veröffentlichten Dokumentarfilm „1000 warm”.
Darin zu sehen: Ein Rückblick auf Pilgrims fünf Jahre im Atelier in der Bergmannstraße, die letzten Schritte in der alten und die ersten in der vermeintlich neuen Heimat. Auch seine Beweggründe, Gelsenkirchen zu verlassen, wurden thematisiert. In den folgenden drei Wochen spielte Pilgrim diese Rolle in seinem digitalen wie analogen Leben konsequent weiter.

Unterschiedlichste Reaktionen

„Als Reaktionen erfuhr ich viel Verständnis, natürlich auch Enttäuschung, aber auch Verärgerung bis hin zu Kritik an der Stadt”, berichtet der 33-Jährige. “Es war schön zu sehen, dass ich vielen Menschen scheinbar etwas bedeute, aber ich hätte mir durchaus mehr Wille zur Diskussion gewünscht.”
So oder so, alle sind drauf reingefallen. Pünktlich zu Weihnachten löste Pilgrim auf: alles fake! Der gebürtige Gelsenkirchener bleibt seiner Stadt treu und hatte nie vor, nach Berlin zu ziehen. Die Geschichte war eine ausgedachte Kunstaktion, der Film keine Dokumentation, sondern eine „Mockumentary”. Der englische Begriff - ein Mix aus „mock” für „vortäuschen” und „documentary” für „Dokumentarfilm” - beschreibt eine Kunstform, die Fiktion mit realen Hintergründen vermischt und seriös aussehen soll. Diesem Genre bedienten sich so oder so ähnlich schon Orson Welles in „Krieg der Welten” oder die Beatles mit ihrem Film „A Hard Day’s Night”.
„Die Fiktion war, dass ich Gelsenkirchen verlasse. Das würde ich nie tun”, erklärt Pilgrim. „Ich bin aus Überzeugung hier. Nach Berlin oder woanders hinzugehen, ist nicht immer die beste Alternative. Auch das ist eine Aussage der Aktion.” Trotz des Treuebekenntnisses bleiben für Pilgrim aber auch Aussagen im Film bestehen: „Ich habe in den letzten fünf Jahren meines Schaffens in Ückendorf und Gelsenkirchen auch Enttäuschungen erlebt und will den Mut haben, kritisch zu bleiben. Wir müssen Probleme ansprechen, um Entwicklung voranzutreiben.”

Kein PR-Gag für die Eigenwerbung

Pilgrim betont, dass alles kein PR-Gag für ihn selbst sei. Vielmehr solle damit die Diskussionskultur in Gelsenkirchen lebendig gehalten werden. Mehr Bereitschaft Subkultur zu fördern, konsequentes Handeln in der Stadtentwicklung oder mehr Mut zu ungewöhnlichen Ansätzen in Gelsenkirchen, das sind einige seiner Anliegen. „Wenn Gelsenkirchen eine Chance haben will, dann müssen wir was anders machen als andere Städte. Es reicht nicht, zu sagen: ‘Wir machen das auch gut.’ Das ist kein wirkliches Argument, nach Gelsenkirchen zu kommen”, so eines der Statements von ihm im Film „1000 warm”. Daran wolle er in Zukunft auch selbst weiter mitwirken.
Das nächste Ziel sei es jetzt zu einer Debatte in der Stadtgesellschaft aufzurufen, um gemeinsame Lösungsansätze zu finden, so Pilgrim. „Alle Seiten müssen an einem Strang ziehen. Politik und Stadtverwaltung sowie aktive Bürgerinnen und Bürger. Alle untereinander und dann gemeinsam. Es geht nicht um Konsens, aber immer nur unkonstruktiv per se Kritik am Gegenüber zu üben, ist auch keine Lösung. Wir müssen uns bemühen, selbst Lösungsansätze zu finden und aktiv bleiben oder werden.”
Gemeinsam mit dem Gelsenkirchener Kreativen- und Künstlerverein Insane Urban Cowboys, dessen erster Vorsitzender Pilgrim ist, will der 33-Jährige demnächst zu einem Diskussionsabend mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und Kultur einladen. Und auch für sich selbst plant Pilgrim bereits einen nächsten Entwicklungsschritt. Natürlich in Gelsenkirchen: „Ich habe die Vision, ein neues Atelier in Ückendorf zu bauen, um noch mehr Verantwortung für die Entwicklung unserer Stadt zu übernehmen. Den Weg zur Verwirklichung dieser Vision werde ich online der Öffentlichkeit transparent machen.”
Den Film „1000 warm” sowie Pilgrims Auflösungsvideo gibt es auf der Website www.1000warm.de zu sehen.

Die Wahrheit ist nun raus: Roman Pilgrim bleibt hier in seinem Revier und das sieht er in Ückendorf mitten drin in der Galeriemeile. | Foto: Frank Helferich
In dem „Mockumentary”-Film sah man Roman Pilgrim in seiner dargestellten neuen Wahlheimat Berlin mit dem Funkturm im Hintergrund. Doch nun weiß man: Es war alles nur ein gelungener „Fake“.  | Foto: Mockumentary
Autor:

Lokalkompass Gelsenkirchen aus Gelsenkirchen

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