Nationalspielerin Alexandra Popp spricht im Interview über das WM-Aus
"Ich dachte, wir hauen die 4:0 weg"

Bereits fünf Mal konnte Alexandra Popp mit dem VfL Wolfsburg die Meisterschale in die Luft strecken. Hinzu kommen acht Pokalsiege, davon zwei mit dem FCR 2001 Duisburg und drei Champions-League-Siege, davon zweimal mit Wolfsburg und einmal mit Duisburg.  | Foto: VfL Wolfsburg/regios24
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  • Bereits fünf Mal konnte Alexandra Popp mit dem VfL Wolfsburg die Meisterschale in die Luft strecken. Hinzu kommen acht Pokalsiege, davon zwei mit dem FCR 2001 Duisburg und drei Champions-League-Siege, davon zweimal mit Wolfsburg und einmal mit Duisburg.
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Geboren in Witten, aufgewachsen im Gevelsberger Ortsteil Silschede, die Rede ist von Deutschlands Fußballnationalspielerin Alexandra Popp, die die Mannschaft bei der WM als Spielführerin aufs Feld führte. Im Exklusiv-Interview mit unserem Volontär Christian Schaffeld spricht die 28-jährige Torjägerin des VfL Wolfsburg über das frühe WM-Aus, Vorurteile gegenüber Frauenfußball und ihre Heimat. Außerdem verrät Sie, warum Sie dem Fußball nach ihrer Karriere möglicherweise den Rücken kehren wird.

Das Gespräch führte Christian Schaffeld

Alexandra, die WM ist jetzt acht Wochen her. Konnten Sie die Erlebnisse schon Revue passieren lassen?

Ja, konnte ich. Klar waren die ersten Tage nach dem Aus schon komisch, schließlich hatte man ja doch anders geplant. Plötzlich war man zu Hause und wusste im Grunde nichts mit sich anzufangen. Durch den Urlaub und den Trainingsauftakt kehrte der Alltag aber schnell zurück.

Ist das frühe Aus am Ende eine Enttäuschung?

Was heißt Enttäuschung. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir selber gespannt sind, wie die WM für uns laufen wird. Wir als Mannschaft haben nie von einem WM-Titel gesprochen. Aber natürlich ist es ärgerlich, dass wir unser Ziel, die Qualifikation für die Olympischen Spiele zu schaffen, nicht erreicht haben.

Welche Gründe hat das?

Wir hatten eine recht unerfahrene Mannschaft. Jeder wird sich hinterfragt haben, welche Gründe es für das Aus gibt. Vielleicht war es ja schon unsere beste Leistung und wir können aktuell einfach noch nicht mehr abrufen. Das zeigt, dass wir noch Arbeit vor uns haben um wieder da zu sein, wo wir hin wollen - und das ist die Weltspitze.

Aber speziell auf das Spiel gegen Schweden bezogen: Warum haben Sie es nicht geschafft, die Führung über die Zeit zu retten oder zurück in die Partie zu kommen? Die ersten Minuten waren stark.

Wenn ich das wüsste. Ich hatte in den ersten Minuten auch das Gefühl, dass wir die bessere Mannschaft sind. Ich dachte, wir hauen die 4:0 weg. Man hat nach dem Gegentor aber die angesprochene Unerfahrenheit gespürt. Plötzlich haben wir total den Faden verloren. Alle waren nervös und angespannt. Dann ist auch der Ball nicht mehr gelaufen. Das ist ein Prozess, aus dem wir lernen müssen, um stärker zu werden.

Haben Sie die knappen Siege zuvor möglicherweise überbewertet?

Nein, das glaube ich nicht. Wenn ich im Nachgang erfahre, dass einige Medien geschrieben haben, dass der Titel zum Greifen nah ist, verstehe ich die Welt nicht mehr. Das ist für mich zu weit hergeholt. Wir als Mannschaft wussten, dass die Ergebnisse zuvor knapp waren und wir dort keinen Power-Fußball gespielt haben. Gegen Schweden haben wir bis zum Ausgleich eine starke Reaktion gezeigt, sind dann allerdings wieder in alte Muster verfallen.

Beeindruckt haben Sie die Zuschauer allerdings bei dem Energie-Sieg über Spanien, bei dem Sie, als gelernte Stürmerin, nahezu überall auf dem Platz zu sehen waren. War das im Vorfeld mit der Bundestrainerin so abgesprochen?

Ich wusste, dass es im Laufe des Turniers mal passieren kann, dass ich auf der Sechs spielen würde. Wann das passieren würde, wusste ich nicht. Aber grundsätzlich war ich darauf ja vorbereitet, dass es sein kann, dass ich ein Stück nach hinten rutsche. Das war aber kein Problem, zumal ich beim VfL Wolfsburg in der vergangenen Saison auch schon häufig auf der Sechs gespielt habe. Von daher war es für mich kein Neuland.

Trotzdem schauten bei den Deutschland-Spielen knapp 30 Millionen Zuschauer zu. Ist die hohe Resonanz da wenigstens eine Art Trostpflaster?

Grundsätzlich sind wir froh über die positive Resonanz. Allerdings haben wir ja schon im Vorfeld thematisiert, dass wir uns erhoffen, dass es jetzt auch nachhaltig so ist, dass uns so viele Menschen zuschauen. Deshalb ist es zwar schön, aber kein richtiges Trostpflaster.

Sie haben es angesprochen: Frauenfußball erfährt in Deutschland immer noch nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient hätte. Ein Werbespot, der sämtliche Klischees erfüllt hat, sorgte im Vorfeld der WM für Aufregung. Warum gibt es aus Ihrer Sicht immer noch so viele Vorurteile gegenüber dem Sport?

Ich glaube, das größte Problem ist der grundsätzliche Vergleich mit dem Männerfußball. Da sieht man natürlich, dass wir ein langsameres Tempo spielen und die ein oder andere technische Versiertheit noch nicht so gegeben ist. Trotz alledem hat sich der Frauenfußball in den vergangenen Jahren unheimlich entwickelt. Aus meiner Sicht wäre die Resonanz höher, wenn die Sportarten nicht immer miteinander verglichen würden.

Wie wichtig sind dementsprechend Spielerinnen, wie die US-Amerikanerin Megan Rapinoe?

Solche Spielerinnen sind immer wichtig. Man kann allerdings auch den amerikanischen nicht mit dem deutschen Frauenfußball vergleichen. Die Amerikanerinnen haben in ihrem Land ein ganz anderes Ansehen. Da steht der Frauenfußball teilweise sogar über dem Männerfußball. Eine Megan Rapinoe hat daher auch eine ganz andere Aussagekraft, als ich sie hätte. Trotzdem ist es wichtig, dass man an gewissen Stellen auch den Mund aufmacht.

Sie haben auf Vereinsebene mit Duisburg und Wolfsburg alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Mit dem DFB steht bislang nur die Medaille bei Olympia.
Bleibt der WM-Titel also das große Ziel?

Das ist eine gute Frage. Grundsätzlich ja, allerdings bin ich bei der nächsten WM schon 32 Jahre alt. In diesem Alter muss ich schauen, ob ich überhaupt noch aktiv spielen kann und werde.

Das heißt, Sie schließen einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft nicht aus?

Im Moment habe ich definitiv nicht vor, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten. In vier Jahren kann es anders aussehen, das kann ich heute aber noch nicht sagen.


Um auch auf Sie als Person zu sprechen zu kommen: Sie sind in Witten geboren und in Gevelsberg aufgewachsen. Wie eng ist die Bindung noch zu den beiden Städten?

Die Bindung ist sehr eng. Wenn ich die Möglichkeit habe, bin ich schon relativ häufig zuhause bei meiner Familie und meinen Freunden in Gevelsberg. In Witten wohnen von mir keine Verwandten. Daher bin ich dort eher selten.

Welcher ist denn Ihr Lieblingsort in Gevelsberg?

Ganz klar Silschede.

Dort haben Sie bis zu Ihrem 14. Lebensjahr auch Fußball gespielt, damals allerdings noch in einer gemischten Jungen-Mädchen-Mannschaft. Wie hat sich das auf Ihre Karriere ausgewirkt?

Das ist richtig. Ich glaube, dass das für meine Entwicklung unglaublich wichtig war. Von den Jungs habe ich auch meinen etwas härteren Spielstil gelernt, den ich heute als einen Vorteil sehe.

Auf Ihren Social-Media-Profilen zeigen Sie sich nicht nur gerne auf dem Fußballplatz, sondern auch mit Ihrem Hund. Welche Rolle spielen Tiere in Ihrem Leben?

Tiere haben schon immer eine sehr große Rolle in meinem Leben gespielt und gleichen mich total aus. Ich bin von klein an mit Hunden und Pferden aufgewachsen. Mein Großvater, mein Vater und mittlerweile auch mein Bruder sind alle Jäger und dementsprechend war ich als ich noch kleiner war viel in der Natur unterwegs. Ich habe deshalb ja auch nicht von ungefähr die Ausbildung in der Zootierpflege gemacht. Dass ich irgendwann auch einen Hund in meiner Wohnung haben werde, war daher glaube ich nur eine Frage der Zeit.

Planen Sie, nach der Fußballkarriere zurück in die Zootierpflege zu gehen oder wollen Sie auf jeden Fall dem Sport treu bleiben?

Im Moment tendiere ich dazu, wieder in Richtung Tiere zu gehen. Ob es dann wirklich die Zootierpflege wird, weiß ich noch nicht. Zur Zeit überlege ich nämlich, Tierphysiotherapie zu studieren.

Haben Sie denn auch vor zurück nach Gevelsberg oder um genau zu sein nach Silschede zu kommen?

Eigentlich schon, ja. Ich bin wie schon gesagt auch jetzt schon so oft es geht in meiner Heimat in Silschede.

Zur Person Alexandra Popp (VfL Wolfsburg):

->  Geboren wurde Alexandra Popp am 6. April 1991 in Witten.
->  Mit dem Fußballspielen begann sie in der Jugend von Schwarz-Weiß Silschede, wo sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr blieb.
->  Anschließend wechselte sie in die Jugend des 1. FFC Recklinghausen. Für den Klub debütierte Popp dann im Seniorenbereich.
->  Von 2008 bis 2012 stand sie beim FCR 2001 Duisburg unter Vertrag und gewann in der Zeit zweimal den DFB-Pokal (2009+2010) sowie die UEFA Champions-League im Jahr 2009.
->  Seit ihrem Wechsel zum VfL Wolfsburg hat sie auf Klubebene alles gewonnen. Neben fünf Meistertiteln (2013, 2014, 2017, 2018, 2019) stehen sechs DFB-Pokalsiege (2013, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019) sowie zwei Champions-League-Siege (2013+2014) in ihrer Vita.
->  Höhepunkt ihrer Karriere war der Triple-Gewinn aus Meisterschaft, DFB-Pokal und UEFA Champions-League im Jahr 2013 mit dem VfL Wolfsburg.
->  Im Jahr 2016 wurde Sie mit der Nationalmannschaft zudem Olympiasieger in Rio de Janeiro.
->  Alexandra Popp wurde in den Jahren 2014 und 2016 Deutschlands Fußballerin des Jahres.
->  Seit Februar 2019 ist sie unter der neuen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg Kapitänin der Deutschen Nationalmannschaft.
->  Popp absolvierte eine Ausbildung in der Zootierpflege im Tierpark Essehof in der Nähe von Wolfsburg.
->  Unglaubliche Quote: von 441 Profispielen gewann die Gevelsbergerin 333:

Autor:

Christian Schaffeld aus Oberhausen

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