23 Gladbecker Jugendliche aus Gladbeck nahmen an Gedenkstättenfahrt nach Berlin teil
Erinnern für eine gemeinsame Zukunft

23 Jugendliche aus Gladbeck nahmen an der jüngsten "Gedenkstättenfahrt" nach Berlin teil, die schon seit 1992 von Georg Liebich-Eisele (knieend rechts) auf ehrenamtlicher Basis organisiert wird. Unser Foto zeigt die Gruppe vor dem Otto Weidt Museum in der Bundeshauptstadt.  | Foto: Privat
  • 23 Jugendliche aus Gladbeck nahmen an der jüngsten "Gedenkstättenfahrt" nach Berlin teil, die schon seit 1992 von Georg Liebich-Eisele (knieend rechts) auf ehrenamtlicher Basis organisiert wird. Unser Foto zeigt die Gruppe vor dem Otto Weidt Museum in der Bundeshauptstadt.
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Auch in 2021 hat der Gladbecker Georg Liebich-Eisele auf ehrenamtlicher Basis für die Arbeiterwohlfahrt für junge Erwachsne eine Gedenkstättenfahrt nach Berlin organisiert.

Diese war seit 1992 nunmehr schon die dreißigste Fahrt in die Hauptstadt, führte die Teilnehmer wieder an die Orte, die sich insbesondere mit dem Holocaust, der systematischen Ermordung der europäischen Juden, auseinandersetzt. Die jüngste Gedenkstättenfahrt mit 23 Teilnehmern fand Ende Juli statt. Ursprünglich sollte die Fahrt bereits in den Osterferien stattfinden, musste jedoch wegen Corona verschoben werden.

Bei einem Vortreffen im "Ida und Max Kaufmann-Haus" an der Horster Straße 54 in Gladbeck-Mitte hatten die Jugendlichen sich auf die fünftägige Gedenkstättenfahrt nach Berlin vorbereitet. Bei dieser Gelegenheit hatten die Teilnehmer aber auch viele Informationen zum leidvollen Weg der Gladbecker Familie Kaufmann erhalten.

Nach der Ankunft in der Bundeshauptstadt stand sogleich eine dreistündige Stadtführung auf dem Programm. Zu Fuß und mit der S.- Bahn wurde die Stadt Berlin erkundet. Im Vordergrund standen hier historische Orte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. So wurden unter anderem die zentralen Gedenkstätten und Mahnmale für die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden, Sinti und Roma und den Homosexuellen besucht.

Am nächsten Tag ging es mit der S-Bahn und dem Bus zur Gedenk.- und Bildungsstätte „Haus der Wannseekonferenz“. Hier kamen am 20. Januar 1942 in einer Villa am Wannsee in Berlin 15 hochrangige Vertreter der nationalsozialistischen Reichsregierung und SS-Behörden zusammen, um unter Vorsitz von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich den bereits begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit der beteiligten Organisationen zu koordinieren. Entgegen verbreiteter Meinung war es nicht Hauptzweck der Konferenz den Holocaust zu beschließen – diese Entscheidung war mit den seit Monaten stattfindenden Massenmorden in vom Deutschen Reich besetzten Gebieten faktisch schon gefallen –, sondern in den Grundzügen die Deportation der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas zur Vernichtung in den Osten zu organisieren und die erforderliche Koordination sicherzustellen. Die Teilnehmer der Konferenz legten den zeitlichen Ablauf für die weiteren Massentötungen fest, grenzten die dafür vorgesehenen Opfergruppen genauer ein und einigten sich auf eine Zusammenarbeit unter der Leitung des Reichssicherheitshauptamts, das Heydrich führte.

Die Historikerin Ingrid Damerow informierte die Jugendlichen der Gedenkstättenfahrt in beeindruckender Weise über das vielleicht schändlichste Dokument der modernen Geschichte, und den damit verbundenen Konsequenzen für Millionen von Menschen.

Nach einer kurzen gemeinsamen Pause am Potsdamer Platz, besuchte die Gruppe anschließend die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die sich im ehemaligen Bendler-Block in der Stauffenbergstraße befindet. Im Vordergrund der Führungen stand hier das Thema „Jugend im Widerstand“. Hier erfuhren die Besucher von den drei Referenten der Gedenkstätte, dass es in der NS-Zeit durchaus eine Vielzahlen von Jugendlichen gab, die aktiven Widerstand leisteten. Umfangreiche Informationen haben die Jugendlichen zu den Widerstandsgruppen „Weiße Rose“, „Edelweißpiraten“ und der „Swing-Jugend“ erhalten. Die jungen Gladbecker zeigten sich sehr beeindruckt vom Mut und der Entschlossenheit dieser jungen Menschen, die sich gegen das bestehende Unrecht auflehnten, obwohl sie genau wussten, dass ihre Aktivitäten auch mit dem Tod auf dem Schafott enden konnten.

Ein ganz besonderer Programmpunkt war nach Aussage der Jugendlichen aus Gladbeck das Zusammenkommen mit fünf jüdischen Jugendlichen im „Centrum Judaicum". Dieses befindet sich in der Neuen Synagoge in der Oranienburgerstraße. Nach einer umfangreichen Führung durch die Ausstellungsräume des "Centrum Judaicum", hatten die jungen Gladbecker die Möglichkeit im Gespräch mit jungen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, jüdisches Leben in Deutschland aus erster Hand zu erfahren. Bei dieser Begegnung stellten Eyal, Daniel, Galina, Jess und Roman ihr persönliches Judentum vor und beantworteten die vielen Fragen der Jugendlichen. Besonders betroffen machte die Gladbecker Jugendlichen die Schilderungen der jungen Juden von den vielen und regelmäßigen Anfeindungen und Angriffen auf Juden, die immer wieder in ihrem Umfeld stattfinden.

Am Nachmittag besuchte die Gruppe das Jüdische Museum in Kreuzberg. In kleinen Gruppen wurden die Jugendlichen durch das Museum geführt und erhielten viele Informationen zur Jüdischen Kultur und ihren Traditionen sowie zum leidvollen Weg durch den Holocaust.

Der letzte Programmpunkt war der Besuch des Otto-Weidt Museums in der Rosenthaler Straße, gleich neben den Hackeschen Höfen. Hier hat in den letzten Jahren immer ein Gespräch und eine Führung mit der Zeitzeugin Inge Deutschkron stattgefunden. Leider konnte das Gespräch mit dieser mutigen und außergewöhnlichen Frau dieses Mal nicht stattfinden. Begrüßt wurde die Gruppe vielmehr von drei Referenten in der ehemaligen Werkstatt des Unternehmers Otto-Weidt, berichteten vom Leben und Wirken des „Stillen Helden“. Dieser betrieb während der Naziherrschaft eine kleine Firma in der Nähe der Hackeschen-Höfe, um dort Besen und Feger für die Wehrmacht und Karstadt zu produzieren. Er stellte fast ausschließlich blinde und gehörlose Juden ein (Inge Deutschkron arbeitete ebenfalls für Otto Weidt und war eine von drei sehenden Mitarbeitern), um sie somit vor der drohenden Deportation zu retten, was ihm auch eine längere Zeit gelang. Im Jahr 1942 wurden dann aber doch 30 von den 35 Beschäftigten in die Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet. Inge Deutschkron, die mit ihrer Mutter in einem Versteck in Potsdam untergetaucht war, gehörte zu den fünf Überlebenden der Belegschaft von Otto-Weidt. Deutschkron, die nach dem Krieg lange Zeit in England und Israel gelebt hatte, kam Ende der achtziger Jahre wieder zurück nach Berlin. Ihr Leben diente als Vorlage für das berühmte Theaterstück “Ab heute heißt du Sarah“, welches in regelmäßigen Abständen im Kinder- und Jugendtheater „Grips“ aufgeführt wird.

Auch in diesem Jahr waren sich die Jugendlichen aus Gladbeck wieder einig, dass die Tage in Berlin für sie eine sehr emotionale und beeindruckende Zeit war. Sie hätten viele Informationen zu der Zeit bekommen, in der Menschen wegen ihrer Religion oder politischen Überzeugungen verfolgt und ermordet wurden. Ihre Eindrücke und die vielen Informationen wollen sie an ihre Familien und Freunde weitergeben. Denn alle waren sich bei der gemeinsamen Auswertung der Fahrt einig, dass sich diese schlimmen Zeiten nicht weiderholen dürfen.

Autor:

Uwe Rath aus Gladbeck

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