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Liebe, Schläge, Tränen und die Scharia – Der Montagmorgen im Amtsgericht

Ein 25jähriger, in Hattingen lebender Syrer, hatte sich heute wegen Körperverletzung und Bedrohung seiner Ehefrau vor dem Strafrichter zu verantworten. Nach einer emotionalen Gerichtsverhandlung wurde er nach 90 Minuten nach dem Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten, freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn, seine Ehefrau Ende Mai 2019 mit der Faust in´s Gesicht geschlagen zu haben. Weiterhin soll er gedroht haben, seine Frau mit kochendem Wasser zu übergießen.

Aber von vorne: Der Angeklagte stammt aus Syrien, heiratete auf der Flucht vor vier Jahren in der Türkei seine Ehefrau und lebt mit ihr seit 2015 in Hattingen. Seit der Heirat soll es zwischen der Familie des Angeklagten und der Familie seiner Ehefrau immer öfter zu Spannungen gekommen sein, obwohl sich beide Familien aus Syrien kennen und bisher gut miteinander auskamen.

Um immer übersetzte der Dolmetscher
„Er hat mich öfter geschlagen und gequält“, sodass ich zweimal versucht habe, mich umzubringen, sagte die Ehefrau des Angeklagten vor Gericht aus. Während der gesamten Gerichtsverhandlung übersetzte ein Dolmetscher die Einlassungen des Angeklagten und der geschädigten Ehefrau aus dem Arabischen, was nicht einfach zu sein schien.

Hatte die geschädigte Ehefrau bei der Polizei noch die Schläge ihres Mannes gegen sie als Faustschlag bezeichnet, schilderte sie diese in der Hauptverhandlung unter Tränen dann als Ohrfeige. Sehr wortreich waren die Einlassungen des Angeklagten, der unter Tränen alle Vorwürfe seiner Ehefrau vehement bestritt und mehrmals schilderte, dass er seine Frau immer noch liebe.

Familie mischte sich immer ein
Er räumte ein, dass es in ihrer Ehe öfter Meinungsverschiedenheiten gegeben habe, bestritt aber, jemals seine Frau geschlagen oder bedroht zu haben. Grund für die Meinungsverschiedenheiten wären die immer wieder erfolgten intensiven, teils mit Bedrohungen unterlegten Einmischungen der beiden Familien in Angelegenheiten des Paares gewesen.

Nach dem angeblichen Schlag in ihr Gesicht hatte die geschädigte Ehefrau des Angeklagten zwei Tage später Strafanzeige gestellt und war aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Acht Wochen später aber noch zu einem „kuscheligen Beisammensein“ in die Wohnung des Angeklagten zurückgekehrt. Hierbei soll es auch mit ihrem Einverständnis zu intimen Fotos gekommen sein, mit der der Angeklagte anschließend gedroht haben soll, diese ihrem Vater zu schicken.

Keine Scharia-Scheidung am Ende der Hauptverhandlung

Während es die Ehefrau nach der Hauptverhandlung noch im Gerichtssaal ablehnte, vom Angeklagten noch einmal umarmt zu werden, lehnte es dieser auf dem Gerichtsflur dann ab, seine Ehefrau nach dem Recht der Scharia dreimal zu verstoßen.

Vorher hatte Richter Kimmeskamp der Ehefrau durch den Dolmetscher erklären lassen, dass ihre Erwartung, am Ende des Strafprozesses gleichzeitig auch nach Scharia-Recht geschieden zu sein, nicht funktioniere und beide an das Familiengericht verwiesen.

Somit standen am Ende der Beweisaufnahme Aussage gegen Aussage. Da der Vertreter der Staatsanwaltschaft beide Aussagen als gleichwertig und ohne besondere Belastungstendenzen einstufte, plädierte er auf Freispruch, weil sich die Anklagevorwürfe nicht bestätigt hätten. Dem schloss sich Strafverteidiger Peter Steffen in seinem Plädoyer und nach dem Grundsatz : Im Zweifel für den Angeklagten (in dubio pro reo), an.

Richter Kimmeskamp sprach dann in seinem Urteil den Angeklagten auf Kosten der Landeskasse frei.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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