Jugendgericht Hattingen
Milde Strafe für jungen Raser

Der große Sitzungssaal des Amtsgerichtes Hattingen in Corona-Zeiten.
  • Der große Sitzungssaal des Amtsgerichtes Hattingen in Corona-Zeiten.
  • hochgeladen von Hans-Georg Höffken

Ein 21-Jähriger aus Sprockhövel hatte sich heute wegen Gefährdung des Straßenverkehrs vor dem Jugendrichter des Amtsgerichtes zu verantworten. Er wurde verwarnt, erhielt eine Geldauflage von 1.200 Euro und muss fünf Monate auf seinen Führerschein verzichten.

Der Unfall ereignete sich am 3. Oktober 2020 mittags auf der BAB 43 in Fahrtrichtung des Autobahnkreuzes Wuppertal Nord. 2 Fahrzeuge waren dort verunfallt. Bei Eintreffen der Feuerwehr hatten sich die Insassen bereits aus den Fahrzeugen befreit. Der Unfallverursacher und die Fahrerin des vom ihm „getroffenen“ Fahrzeuges wurden damals durch einen zufällig anwesenden Arzt und eine Krankenschwester betreut. Auf Anforderung der alarmierten Notärztin wurde ein Hubschrauber zur Unfallstelle gerufen, um den verletzten Unfallverursacher in ein Bochumer Krankenhaus zu fliegen.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beschuldigte jetzt den jungen Sprockhöveler, mit dem Sportwagen seiner Mutter auf der linken Fahrspur der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit auf einen vor ihm fahrenden Wagen aufgefahren zu sein. Dadurch verunfallten beide Wagen, erlitten wirtschaftlichen Totalschaden und es gab zwei Verletzte.

Öffentlichkeit musste Gerichtssaal verlassen

Kurz nach Beginn der Hauptverhandlung wurde auf Antrag des Verteidigers des Angeklagten die Öffentlichkeit vorübergehend aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen. Die Gerichtsparteien trafen sich dann zu einem „Rechtsgespräch“. Anschließend wurden fünf der sechs geladenen Zeugen nicht mehr angehört, der Strafverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Scherenberg, gab eine Erklärung ab und gestand im Namen seines Mandanten, am Tage der Tat mit Tempo 180 auf den vor ihm fahrenden Wagen aufgefahren zu sein.
Staatsanwaltschaft und Richter ließen nach dem Rechtsgespräch, als die Öffentlichkeit wieder in den Gerichtssaal durfte, den strafschärfenden wesentlichen Anklagepunkt des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr fallen. Somit war am Ende der Beweisaufnahme eine Strafe für Nötigung und fahrlässige Körperverletzung zu finden.
„Er hat mich mit voller Wucht von hinten erwischt“, sagte die geschädigte Fahrerin, eine 51-Jährige aus Sprockhövel, die sich mit ihrem Auto zuerst gedreht hatte und dann in die Mittelleitplanke katapultiert wurde. Sowohl der Unfallverursacher als die geschädigte Autofahrerin wurden dabei verletzt. Vom Angeklagten war im Gerichtssaal kein Wort einer Entschuldigung gegenüber der geschädigten Autofahrerin zu hören, was Jugendrichter Dr. Amann bemängelte. Das man so einem jungen Mann schon einen Sportwagen zur Verfügung stellt und dass es auf diesem Autobahnabschnitt keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt, bemängelte das 51-jährige Unfallopfer.

Angeklagter sieht sich nicht als Raser

Obwohl in den Unterlagen der Jugendgerichtshilfe der Stadt Sprockhövel für den Angeklagten bereits 2017 eine Nötigung im Straßenverkehr vermerkt war, war dieses weder der Staatsanwaltschaft noch dem Jugendgericht bekannt.
Nun war der Angeklagte zum Tatzeitpunkt schon zwanzig Jahre alt und lebte in einer eigenen Wohnung, dennoch erkannte man bei ihm eine "Reifeverzögerung" und somit kam das mildere Jugendstrafrecht und nicht das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung.
Am Ende der Hauptverhandlung wurde er dann wegen Nötigung und fahrlässiger Körperverletzung verwarnt. Er muss 1.200 Euro in Raten an die Malteser zahlen und erhält erst in etwa drei Monaten seinen Führerschein zurück. Bis dahin muss er weiterhin im ÖPNV fahren um zu seiner Berufsschule zu gelangen.
„Ein Gaspedal bis zum Anschlag kann auch ein Schimpanse durchdrücken, aber Verantwortung tragen, das müssen Sie noch lernen“, sagte Amtsgerichtsdirektor Dr. Amann am Schluss zum Angeklagten.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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