Angeklagter saß im Zuhörerraum statt "auf der Anklagebank" – Reporter wurde sogar verdächtigt

"Es könnte der Mann in der Mitte des Zuhörerraumes sein oder der Mann links außen" sagte die Zeugin vor Gericht aus, als sie von Richter Kimmeskamp gefragt wurde, ob sie den Mann im Gerichtssaal erkennen würde, den sie alkoholisiert hatte wegfahren sehen. Übrigens war der Mann links außen der Gerichtsreporter des Stadtspiegel. Erst bei der zweiten Betrachtung der möglichen Verdächtigen identifizierte sie dann nach dem Ausschlussprinzip den „richtigen Angeklagten“. Ihr Ehemann erkannte den Angeklagten später spontan. Dieser machte vor Gericht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Im August 2015 war sie abends mit ihrem Ehemann in der Altstadt unterwegs. Dabei fielen den Zeugen ein Pärchen auf, welches schon deutliche Wirkungen des Alkoholgenusses zeigte. Nachdem die Zeugen auf dem Nachhauseweg Bekannte trafen und sich mit diesen noch „auf ein Glas“ in ein anderes Altstadtlokal setzten, bemerkten alle plötzlich wieder das nach Ansicht der Zeugen alkoholisierte Pärchen.

Zeugin empfahl ein Taxi zu nehmen

Dieses ging auf ein Auto zu um damit wegzufahren. Die Zeugin ging spontan zu dem Fahrer und bat ihn, nicht zu fahren, da er doch getorkelt wäre und er sollte besser ein Taxi nehmen. Dieser hielt sich "nach einem unschönen Wortwechsel" nicht an diese Empfehlung, sodass der Ehemann der Zeugin die Polizei über die vermutete Trunkenheitsfahrt informierte.

5 Polizeibeamte als Zeugen vernommen

Die Polizei traf das Pärchen kurze Zeit später zu Fuß vor der Wohnanschrift in der Hattinger Innenstadt an. Bei der Überprüfung der Personalien zeigte sich, wie ein Polizeibeamter später aussagte, der Beschuldigte nicht kooperativ. „Der Angeklagte hat alle Register gezogen, die Polizei bei ihrer Arbeit in der Nacht an die Grenzen zu führen“, so der Polizeibeamte vor Gericht. Nachdem der Alko-Test positiv ausfiel, wurde der Angeklagte zur Polizeiwache gebracht, wo ihm eine Blutprobe entnommen wurde, die später einen Blutalkoholwert von über 1,5 Promille ergab.

Den Zeugen wurde später noch von einem Polizeibeamten ein Handyfoto vom Angeklagten zwecks Identifizierung gezeigt, nachdem deren Personen-Beschreibung vorher noch einmal abgefragt worden war.

Für den Vertreter der Staatsanwaltschaft war am Ende der Beweisaufnahme der Anklagevorwurf der Trunkenheitsfahrt bewiesen. Er beantragte, den 53 Jahre alten Angeklagten zu einer Geldstrafe von 1.600 Euro zu verurteilen und den Führerschein für weitere 6 Monate einzuziehen.

Anwalt forderte Freispruch

Das sah der Anwalt des Angeklagten anders. Er beantragte für seinen Mandanten Freispruch, da die Zeugen seinen Mandanten nicht zu hundert Prozent identifiziert hätten und diesen von der Polizei auch keine Auswahl-Lichtbilder zur Identifizierung vorgelegt worden seien. Damit sei der Tat- und Schuldnachweis nicht lückenlos erbracht.

Richter Kimmeskamp sprach dann „Im Namen des Volkes“ das Urteil und bewertete in seiner Urteilsbegründung auch das „Nachtatverhalten“ des Angeklagten. Der 53 Jahre alte Hattinger, früher mit dem Gesetz schon einmal in Konflikt gekommen, wurde wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr zu 50 Tagessätzen a 40 Euro, insgesamt zu 2.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Die Straßenverkehrsbehörde wurde angewiesen, vor Ablauf von weiteren 3 Monaten dem Angeklagten keine Fahrerlaubnis zu erteilen.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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