Angeklagter schoss mit Pistole mitten ins Gesicht

Für den 67jährigen Sprockhöveler, der jetzt in Essen lebt, ist sein Leben zur Zeit eine einzige Tragödie. Schwer an Krebs erkrankt, keine Arbeit, allein, muss er sich für zwei Fälle von Körperverletzung in Niedersprockhövel in einer Kneipe verantworten.

Schon 1995 erkrankte der Mann zum ersten Mal an Krebs, wurde operiert. Zunächst schien die Krankheit überwunden, brach aber 2006 wieder aus. Er erhielt viele Medikamente. Unter anderem bekam er auch Psychopharmaka gegen Depressionen. Zufällig bekam er durch einen Fernsehbericht mit, wie groß die Nebenwirkungen gerade von dem Medikament eingestuft wurden, welches auch ihm verschrieben worden war. Nach einem Streit mit seinem Arzt setzte er das Medikament eigenmächtig ab. „Mir ging es schon mit dem Medikament nicht gut. Ich zitterte stark und dachte, ich hätte jetzt auch noch Parkinson“, beschreibt er vor Gericht.
Im September 2011 wurde er dann vom Werksarzt des Unternehmens, für das er als Zerspanungsmechaniker arbeitete, aufgrund seiner Erkrankung für arbeitsunfähig erklärt. Für den Mann brach eine Welt zusammen. Auch vor Gericht gibt er an, die Arbeit sei sein Leben. „Dann weißt Du, wenn Du abends nach Hause kommst und müde bist, wovon. Was soll ich denn jetzt den ganzen Tag machen?“
Am Tag der niederschmetternden Aussage geht er jedenfalls erst einmal in eine Kneipe und trinkt. Ziemlich viele Schnäpse. Und dann wird der Fan von Samurai-Schwertern und Waffen aggressiv. Nach Aussage von Zeugen und Polizei kam es zunächst mit einem Zeugen zu einer leichten körperlichen Auseinandersetzung. Als ein weiterer Zeuge dazwischenging, war der Konflikt zunächst beendet. Doch eine halbe Stunde flammte er erneut auf. Wieder ging der unbeteiligte Zeuge dazwischen, der mit Kumpels in der Kneipe Skat spielte. Es gelang ihm zwar, den Angeklagten wegzuziehen, doch plötzlich griff dieser in seine Jackentasche und holte eine Schreckschusspistole heraus und schoss dem Zeugen aus unmittelbarer Entfernung dreimal ins Gesicht. Der Zeuge ging daraufhin zu Boden und wurde ins Krankenhaus gebracht. Bis auf kleinere Verletzungen im Gesicht blieb ihm Schlimmeres erspart, wohl auch deshalb, weil er Brillenträger ist und die Brille nicht kaputt ging.
Der Angeklagte selbst widerspricht der Darstellung der Zeugen in der Hauptverhandlung nicht. Aber er kann sich nicht erinnern und schiebt dieses auf Alkohol und die Restwirkung der Medikamente.
Jedenfalls würde er seine Waffe nicht täglich mit sich führen. Er wisse nicht, wann und warum er sie eingesteckt habe. Möglicherweise habe er nach Essen zu Bekannten gewollt, die Mitglied bei den „Hells Angels“ seien. In solchen Fällen nehme er die Waffe zum persönlichen Schutz mit.
Vorbelastungen stehen im Bundeszentralregister nicht. Die Staatsanwaltschaft sieht die Körperverletzungen als minderschweren Fall an und plädiert auf acht Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung.
Damit kann sich auch die Verteidigung anfreunden und das Schöffengericht spricht ein ebensolches Urteil. Zur Bewährungsauflage gehören die Ableistung von 100 Sozialstunden, sofern der Mann diese aufgrund seiner Krankheit leisten kann. Denn er will immer noch arbeiten und freut sich auf die Tätigkeit. „Dann hat man doch etwas zu tun und wird gebraucht“.
Die Waffen bleiben übrigens eingezogen. Nur die beiden Samurai-Schwerter, die für den Japan-Liebhaber Erinnerungsstücke sind, bekommt er zurück

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

11 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.