Angeklagter verlässt als freier Mann das Gericht

In der Samstag-Ausgabe des STADTSPIEGEL hatten wir von einer Schlägerei auf dem SCO-Sommerfest im letzten Jahr berichtet. Der junge Angeklagte hatte dabei einen Faustschlag in das Gesicht des Opfersplatziert, der zu Boden ging und einige Verletzungen davontrug.

Strittig war der Schlag nicht, der Angeklagte hatte sofort zugegeben, den Schlag ausgeführt zu haben. Strittig allerdings waren die Umstände, die zu der Tat führten.
Während der Angeklagte, seine Freundin und mehrere weitere Zeugen die Erlebnisse so schilderten, dass der Angeklagte seiner Freundin zu Hilfe eilen wollte, die versuchte, einen Streit zwischen dem Opfer und dessen Freundin zu schlichten und dann selbst angegangen wurde, erklärte das Opfer als Nebenkläger gemeinsam mit seiner Freundin, die heute seine Ehefrau ist, so habe es sich nicht zugetragen. Die Freundin des Angeklagten soll überhaupt nicht in die Erlebnisse verwickelt gewesen sein.
Die Hauptverhandlung hatte unterbrochen werden müssen, weil die als Zeugin geladene Ehefrau des Opfers entschuldigt gefehlt hatte und nun zu einem weiteren Termin vernommen wurde.
Sie schilderte die Situation genauso, wie ihr Mann dies bereits bei der Hauptverhandlung getan hatte. Auch er will von der Freundin des Angeklagten nichts mitbekommen haben.
In seiner sehr intensiven Würdigung der Zeugenaussagen kommt der Staatsanwalt zu dem Ergebnis, der Version des Angeklagten und seiner Freundin Glauben zu schenken. Selbst wenn man berücksichtige, dass einige Zeugenaussagen eine persönliche Nähe zu dem Angeklagten hätten, so gäbe es doch keinen Grund, warum sie den Abend hätten anders schildern sollten. Vor allem bei einem Zeugen, der sich nur als Bekannter bezeichnet habe, gäbe es keinen Grund für eine Falschaussage. Vielmehr zweifele er an der Aussage der Ehefrau des Opfers, denn nur sie habe ausgesagt, besagte Freundin des Opfers an dem Abend nicht gesehen zu haben.
Auch sie gab allerdings den vorausgegangenen Streit zwischen ihrer Person und ihrem Freund zu. Von daher kommt der Staatsanwalt zu dem Ergebnis, hier liege Nothilfe vor. „Insbesondere auch deshalb, weil die Freundin des Angeklagten seit ihrer Geburt an einem medizinischen Problem am Hinterkopf leidet und ihrem Freund bewusst ist, wie schwierig es ist, sollte sie fallen und sich verletzen. Er wollte hier einfach gezielt die Gefahr beenden. Dass das Opfer dabei zu Boden ging, war keine Folge des Schlages, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass das Opfer stark alkoholisiert war und das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte.“
Der Vertreter der Nebenklage sah dies anders. Für ihn steht nach wie vor die Körperverletzung, die als Tat ja eingeräumt worden sei, im Mittelpunkt. Auch könne er keine Nothilfe erkennen, denn die Tatsache, dass sich die Freundin des Angeklagten im Streit mit dem Opfer befunden habe, sei nicht bewiesen. Man habe hier höchst unterschiedliche Zeugenaussagen gehört, je nach Nähe zum Angeklagten oder zum Opfer.
Noch einmal verweist der Anwalt auf die ähnlich klingenden Aussagen vieler Zeugen, die versucht hätten, den Angeklagten deutlich zu entlasten. Er wolle hier nicht das Wort Absprache in den Mund nehmen, aber es sei für ihn doch erkennbar, dass man über die Tat miteinander gesprochen hätte. Er fordert eine Geldstrafe und stellt die Höhe in das Ermessen des Gerichtes.
Die Verteidigung des Angeklagten plädiert natürlich ebenfalls auf Freispruch und folgt in der Argumentation den Wortes des Staatsanwaltes. Auch die Verteidigung sieht keinen Grund, warum der Angeklagte den Schlag hätte ausführen sollen, wenn er die Situation für seine Freundin nicht als bedrohlich empfunden habe. Zwar gab es private Verbindungen zwischen dem Angeklagten und der Freundin des Opfers, doch fand diese Beziehung vor mehr als zwei Jahren statt und wird nicht mehr als entscheidend angesehen. „Mein Mandant hätte keinen Grund gehabt, sich einzumischen, wenn er sich keine Sorgen um seine Freundin gemacht hätte. Das spricht für die Version der Geschichte meines Mandanten“, so der Verteidiger.
Der Vorsitzende Richter Johannes Kimmeskamp folgt mit seinem Urteil Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Auch er sieht eine sichere Feststellung, wie es zu der Tat kam, nach der Beweisaufnahme nicht als gegeben an. Wahrscheinlicher, so Kimmeskamp, sei aber die vorgetragene und durch Zeugen gestützte Nothilfe-Situation des Angeklagten. So gibt es einen Freispruch.
Allerdings: Die Nebenklage hat eine Woche Zeit, um gegebenenfalls in Berufung zu gehen. Dann beginnt ein neuer Prozess.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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