Aus Schnappschüssen wurde Ernst

Willi Haertling vor einem Portrait seines Sohnes Joshua.
Foto: Kosjak
  • Willi Haertling vor einem Portrait seines Sohnes Joshua.
    Foto: Kosjak
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(von Dino Kosjak)

Ein Foto von Willi Haertling hat es auf die Seite „September“ des Sparkassen-Kalenders 2014 geschafft. Lokalkompass und STADTSPIEGEL stellen die jeweiligen Fotografen vor.

Die Spuren der Autoscheinwerfer erstrecken sich in gleißendem Weiß auf der Martin-Luther-Straße. Sie erinnern an einen Gewitterblitz, nur dass ihnen die zackigen Verästelungen fehlen. Die Straßen leuchten in gedämpftem Rot, das satte Blau des Himmels gleitet am Horizont ins Violette. Schwarze Haus- und Baumsilhouetten trennen die Straßen vom Himmel.
Für die ­Nachtaufnahme baute Willi Haertling Kame­ra und Stativ auf der Reschop-Brücke auf und belichtete rund eine Minute. Das Ergebnis wirkt, als sei das nächtliche Hattingen einem Science-Fiction-Film entsprungen. Ein Detail am Bildrand freut den Fotografen besonders: Durch die lange Belichtungszeit sind die Konturen der anfahrenden Straßenbahn nur zu erahnen. Das leuchtende Schild mit dem Fahrtziel „Bochum Hauptbahnhof“ ist dagegen klar zu erkennen. „Auf mich wirkt das wie ein Ausblick auf die Zukunft“, sagt Willi Haertling, „wie eine neue Art der Fortbewegung“.
Es ist noch nicht lange her, dass Willi Haertling sich mit Schnappschüssen begnügte. „Ich habe hier und da mal geknipst“, sagt er, „ohne darüber nachzudenken, was ich da mache“. Das änderte sich als seine Hochzeit näher rückte. Das Gästeschreiben lud er am Computer in ein Fotoprogramm, um es nach seinen Vorstellungen zu gestalten. „Es machte einfach Spaß, mit den Filtern herumzuspielen“, erinnert er sich, „das Schreiben konnte aussehen wie eine Beistiftskizze, wie ein Ölgemälde oder wie ein Comic“.
Das ließ ihn nicht mehr los. Er las sich durch Bücher zur professionellen Bildbearbeitung und bereits im nächsten Urlaub begleitete ihn eine Spiegelreflexkamera mit Kleinbildsensor. „Es wurde ernst“, lacht er, „da wollte ich nicht am falschen Ende sparen.“
Vier Jahre ist das her. Noch immer sieht Willi Haertling sich als Anfänger. Dabei ist das Kalenderfoto nicht sein einziger Erfolg. Bei einem Wettbewerb der Photokina, einer der bedeutendsten Fotomessen, landete sein Beitrag auf Platz 14 – von insgesamt 600.
Die Wohnung wird mittlerweile immer mal wieder zum Fotostudio umgestaltet. Willi Haertling schmunzelt: „Anfangs kam meine Frau heim und fragte erschrocken: Was ist denn hier los?“
Heute nimmt Susanne ­Haertling mit Sohn Joshua Platz vor den Hintergründen aus grauer Pappe und unter Studiolicht. Am Computer verwandelt Willi Haertling die Portraits gerne in Collagen, tauscht Hintergründe aus oder schafft mit besonderer Farbgebung neue Atmosphären. Und auch draußen ist die Kamera dabei. Ein Kirmesfoto zeigt Vater und Sohn in einem Karussell-Raumschiff: Weichzeichner und überbelichteter Hintergrund haben aus dem Alltagsbild eine Traum-Szene geschaffen.
Nicht zuletzt steht Willi Haertling selbst Modell für seine Fotos. So schaut er zum Beispiel dem Betrachter direkt entgegen, mit ironisch-herausforderndem Blick über kampfbereite Boxhandschuhe hinweg. Keine Frage, Willi Haertling macht seine unverhoffte Berufung riesigen Spaß.

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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