"Sri Lanka: Das Leben ist einfach, aber ich bin zu deutsch"

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In der Ausgabe vom 1. September berichteten wir über die Hattinger Studentin Sinththusha Tharmalingam, die für ihre Doktorarbeit nach Sri Lanka reiste, um die Zahngesundheit von Schülern zu untersuchen. Jetzt ist sie wieder zurück in Hattingen und berichtet von ihrer Reise.

„Es war schön aber sehr anstrengend. Sri Lanka ist nicht Deutschland und ich habe mich gewundert, wie deutsch ich selbst eigentlich bin“, erzählt Sinththusha Tharmalingam. Die Hattinger Studentin. Die 26jährige, die in Deutschland geboren wurde, besuchte die Heimat ihrer Eltern, die vor dem Bürgerkrieg flüchteten, bisher nur einmal. „Daran kann ich mich aber kaum erinnern. Ich war noch zu klein“.
Jetzt kehrte sie im Rahmen der Doktorarbeit zurück. Sinththusha Tharmalingam will Zahnärztin werden und studiert an der Uni in Witten/Herdecke.
„Ich hatte keinen Erlaubnisbrief vom Bildungsministerium in der Tasche, weil es sprachliche und organisatorische Probleme im Vorfeld gab. Diese Erlaubnis vor Ort zu bekommen hat viel länger gedauert, als ich dachte. Beim ersten Schulbesuch musste ich die Schule sofort wieder verlassen, weil ich Rock und Bluse und keinen Sari trug. Ich besaß keinen und musste erst einmal einen kaufen. Man wollte mich in Rock und Bluse nicht vor die Schüler treten lassen.“
Nach diesen Hürden konnte die Arbeit aber zügig ablaufen. 300 Schüler in zwölf Schulen in verschiedenen Städten und Dörfern sind Gegenstand der Untersuchung.
„Ich habe relativ schnell festgestellt, dass die Zähne der Jugendlichen bei weitem nicht so kariös sind, wie ich vermutet habe. Das liegt nicht daran, dass die Jugendlichen dort so oft zum Zahnarzt gehen, sondern vermutlich daran, weil das Wasser dort stark fluoridhaltig ist. Außerdem haben die meisten Jugendlichen kein Geld, um sich regelmäßig Süßigkeiten zu kaufen.“
Das Land selbst sei immer noch stark geprägt vom Bürgerkrieg, der 2009 beendet wurde. „Je weiter man in den Norden kommt, desto schlechter werden Straßen und Bauten. Was in Sri Lanka eine Autobahn ist, wäre hier höchstens eine Tempo 30-Zone. Wir sind von der Hauptstand Colombo abends um 19.30 Uhr losgefahren und haben für die 300 Kilometer nach Trincomalee bis zum Morgen um 6 Uhr gebraucht. Ich hatte mir unter Trincomalee eine Großstadt vorgestellt, aber das war sie nicht. Viele Häuser waren zerstört und die Stadt ist arm. Größer ist Vavuniya. Hier spürt man nicht viel vom Krieg und es gibt auch viele Touristen. Überall, wo ich in den Schulen auftauchte, um die Kinder zu untersuchen, musste ich Sari tragen. In meiner Freizeit habe ich ihn nicht angezogen.“
Für sie sei die Fahrt nach Sri Lanka auch ein Kulturschock gewesen. „Ich habe viele Dinge nicht verstanden, zum Beispiel, warum ich keine Hose und einen Kasack tragen kann wie hier in Deutschland. Trotzdem haben mich die Menschen fasziniert, wie sie so leben können. Meine Tante zum Beispiel hat ihren Mann und ihren Sohn im Bürgerkrieg verloren. Sie hat trotzdem eine unglaubliche Energie und einen Lebenswillen. Ich verstehe gar nicht, woher sie die Kraft dazu hat.“
Jetzt werden die auf 300 Arbeitsbögen notierten Ergebnisse digitalisiert und statistisch ausgewertet. Dann beginnt die Schreibarbeit für die Hattinger Studentin. „Die Reise war eine tolle Erfahrung. Unterstützt haben mich dabei finanziell und mit Materialien auch die Hattinger Zahnarztpraxen Rottenegger und Müller. Ich habe viel erlebt und ganz viele Bilder mitgebracht. Aber in den nächsten Jahren kann ich mir nicht vorstellen, dort einmal zu leben. Dazu bin ich wohl doch zu deutsch, trotz der elterlichen Wurzeln und der Familie. Was mir aber gefällt: Das Leben dort ist einfach unkomplizierter als hier.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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