Kegelclub vererbt seine Mitgliedschaft
„Stiefgedrettene“ gibt’s 150 Jahre

Die Kegelbrüder v.l. Alois Wennersheide, Johannes Tüller, Holger Weidner, Jörg Wilewski, Hubert Denis genannt Stoodt, Heinz-Dieter Mintrop und Norbert Denis genannt Stoodt. Auf dem Foto fehlen Hardy Märtens und Antonius Scheidtmann. Foto: Pielorz
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  • Die Kegelbrüder v.l. Alois Wennersheide, Johannes Tüller, Holger Weidner, Jörg Wilewski, Hubert Denis genannt Stoodt, Heinz-Dieter Mintrop und Norbert Denis genannt Stoodt. Auf dem Foto fehlen Hardy Märtens und Antonius Scheidtmann. Foto: Pielorz
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150 Jahre Kegelclub – das ist schon eine ganz schön lange Zeit. Die aktuell neun Mitglieder - alles Herren - bringen altersbedingt zusammen rund 624 Jahre zusammen. Auch ganz schön viel. Der Name des Kegelclubs „Stiefgedrettene“ ist bei ihnen allerdings kein Programm. Lustig sind sie drauf und haben den Schalk im Nacken. Und viel Wissen – denn sie haben die Geschichte des außergewöhnlichen Vereins rund um die rollende Kugel recherchiert. Ach ja, für die Nichtkundigen des Wortes „stiefgedretten“ – das bedeutet steif und müde und soll daher rühren, dass sich die Gründer nach getaner Arbeit ebenso fühlten. Aber der Reihe nach.

Man schrieb das Jahr 1872. Der „Friede von Frankfurt“ hatte gerade den deutsch-französischen Krieg beendet. In diesem Frieden musste Frankreich Elsass und Teile Lothringens abtreten und hohe Reparationen zahlen. Der preußische König Wilhelm I. wurde zum ersten Kaiser des Deutschen Reiches ausgerufen. Von der heutigen deutsch-französischen Freundschaft war man damals weit entfernt. Es muss aus deutscher Sicht eine fast schon euphorische Stimmung geherrscht haben. In dieser Stimmung gründeten die Byfanger Bauern Paas, Breuer, Deilmann, Reul, Düsche und Großheimann mit dem Schulleiter der Oberbyfanger Schule und dem Wirt der Gaststätte Uhle den Kegelclub „Stiefgedrettene“. Man traf sich nach harter Arbeit zu politischen Diskussionen und gleichzeitig wollte man sich beim Kegeln ein Vergnügen gönnen. Bauern aus Niederwenigern und Dumberg traten dem Kegelclub bei. Eine reine Männerrunde kam zusammen.
„Die erste Kegelbahn war eine überdachte schlichte Holzbahn. Im Laufe der Jahre wurde sie in ein festes Gebäude umgebaut, wobei die ursprüngliche Holzbahn beibehalten wurde“, erzählt Nobert Denis, genannt Stoodt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus den Umbaubeständen der Wirtschaft Großheimann (Kupferdreh) das Gebäude verlängert und es entstand die erste Bundeskegelbahn. „Nach dem Tod von Mitbegründer Josef Uhle wurde die Gastwirtschaft verpachtet. Mitte der neunziger Jahre hat der damalige Pächter Erich Linnemann zusammen mit der Tochter von Josef Uhle sogar die erste Automatikbahn eingebaut“, beschreibt Denis die Weiterentwicklung.
Das mit dem Kegelclub war eine richtig bedeutende Sache. Die Clubmitgliedschaft wurde unter alteingesessenen Familien vom Vater auf den Sohn oder den Schwiegersohn vererbt. Frauen hatten und haben bis heute hier nix zu suchen. Häufig traten die Brüder der Hoferben dem Club bei. „Das ist immer noch so. Aber der deutsch-französischen Freundschaft steht natürlich niemand mehr ablehnend gegenüber“, sagen die versammelten Herren einstimmig. Man kennt sich und nennt nicht selten einen seit langer Zeit im Familienbesitz befindlichen Kotten sein Eigen. Nach Schließung der Gaststätte Uhle kegeln die „Stiefgedrettenen“ jetzt in der Gastwirtschaft Bredde. Neun Herren sind es, die alle zwei Wochen donnerstags zusammenkommen. Neben dem Kegeln kommen die kulinarischen Genüsse nicht zu kurz und diskutiert wird natürlich auch immer noch. Gerne auch Politisches. „Neun Euro Ticket? Ja, kaufe ich. Hier kommt ja alle vier Stunden ein Bus vorbei“, lacht der eine. „Sprockhövel soll einen neuen Busbahnhof bekommen? Nehmt euch kein Beispiel an Hattingen: wir haben den zweimal gebaut, weil bei der Pflasterung gepfuscht wurde.“ Die Herren sind gut drauf – und erklären auch gleich mit einem Augenzwinkern, warum sie immer noch keine Frau in der Runde haben wollen: Ach nee, das Geschnatter….

Neun Freunde sollt ihr sein

Jörg Wielinski, Hubert Denis genannt Stoodt, Heinz-Dieter Mintrop, Norbert Denis genannt Stoodt, Antonius Scheidtmann, Alois Wennersheide, Johannes Tüller und Hardy Märtens – diese acht Kegelbrüder sind alle im gesegneten Alter von 64plus. Manche auch „plus plus“. Holger Weidner – die Nummer neun im Kegelbunde – ist das Küken mit gerade mal vierzig Jahren. Seit acht Jahren ist er dabei. Da haben die anderen „Stiefgedrettenen“ andere Mitgliedszahlen vorzuweisen: Der 84jährige Alois Wennersheide kegelt hier seit 54 Jahren. Jörg Wielinski (64) ist allerdings erst seit einem Jahr dabei. Neumitglieder? „Ja, also, da müssen alle neun Kegelbrüder zustimmen. Ohne Einstimmigkeit geht hier nix. Also, wir haben noch nie einen abgelehnt, wenn einer gefragt hat. Aber man kann ja auch sowas im Vorfeld klären. Muss ja passen“, sagen sie augenzwinkernd.
Klar, haben sie auch Kegelausflüge gemacht. Aber nicht zum Feiern nach Malle. Nee, da ging es beispielsweise nach Papenburg in die Meyer Werft, in ein Freilichtmuseum, oder man besuchte den Vater Rhein oder die Mosel. Viel wichtiger ist aber die gute Stimmung beim Kegeln. Und bevor jetzt die Kegelkugel rollt, wird erstmal die Bestellung aufgegeben. Die Speisekarten liegen schon auf dem Tisch. Guten Appetit und dann „gut Holz“ oder „alle Neune“ bei einem der ältesten Kegelclubs Deutschlands.

Die Kegelbrüder v.l. Alois Wennersheide, Johannes Tüller, Holger Weidner, Jörg Wilewski, Hubert Denis genannt Stoodt, Heinz-Dieter Mintrop und Norbert Denis genannt Stoodt. Auf dem Foto fehlen Hardy Märtens und Antonius Scheidtmann. Foto: Pielorz
Auf diesem alten Dokument steht es geschrieben: Der Kegelclub feiert in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag. Foto: Pielorz
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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