War 49jährige einem Ehe-Martyrium ausgesetzt?

Hat der 55jährige Angeklagte seine 49jährige Ehefrau jahrelang gequält, geschlagen und vergewaltigt? Während sich der Angeklagte vor dem Hattinger Schöffengericht als treusorgender Familienvater darstellt, beschreibt die Ehefrau als Nebenklägerin und Zeugin ein Martyrium, aus dem sie sich im Juni 2015 endlich befreien konnte. Sie erstattete Anzeige gegen ihren Noch-Ehemann.

Die Anklageschrift enthält drei Vorgänge aus den Jahren März und Mai 2014 sowie Mai 2015. In allen drei Fällen soll der Angeklagte seine Frau zu sexuellen Handlungen gezwungen und sie außerdem gewürgt und geschlagen haben. Das Paar ist seit über dreißig Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Der Ehemann, türkischer Staatsbürger, erklärt mit Hilfe der Dolmetscherin dem Gericht und der Staatsanwaltschaft, er habe immer in seinem Leben gearbeitet. Er habe für seine Familie finanziell gesorgt, seiner Tochter eine Haushälfte gekauft, seinem Sohn eine Wohnung und seine Frau habe ein Sparbuch erhalten. Er sei 2015 in die Türkei gereist, ohne seiner Familie etwas zu erzählen. Dort habe er für seine Frau, die seit 1999 die deutsche Staatsbürgerschaft hat, eine Rente beantragt und rund 20.000 Euro nachgezahlt. Doch als er aus der Türkei zurückgekommen sei, sei es zur Trennung gekommen.
Weiter berichtet der Angeklagte von psychischen Problemen seiner Frau. Sie sei immer wieder plötzlich ohnmächtig geworden. Dafür gäbe es Zeugen. Sie habe mehrere Ärzte aufgesucht, aber eine körperliche Ursache für die Bewusstlosigkeit habe man nicht finden können. Also sei seine Frau wohl psychisch krank, eine genauere Diagnose kenne er aber nicht. So soll sie auch mindestens drei Selbstmordversuche unternommen haben.
Er habe sie aber nie sexuell missbraucht oder sie geschlagen. „Ich liebe meine Frau und ein guter Mann macht so etwas nicht“. Die sexuellen Handlungen der Anklage räumt er ein, aber diese seien im Einvernehmen geschehen.
Dass sich seine erwachsenen Kinder von ihm abgewandt hätten, könne er nicht verstehen.

Urteil am 22. September

Ohne Dolmetscher macht seine Noch-Ehefrau ihre Aussage. Sie berichtet von einem jahrelangen Martyrium unter dem gewalttätigen Ehemann. „Ich wollte unseren Kindern unbedingt die Familie erhalten. 2014 hat mein Sohn aber mitbekommen, was mit mir geschieht. Von da an bis zum Sommer 2015 haben meine Kinder immer wieder gesagt, ich müsse mich trennen. Als mein Mann ohne Worte in die Türkei reiste und ich nicht wusste, warum, bin ich zur Polizei gegangen. Ich hatte große Angst und mir ist das alles sehr peinlich“, sagt sie im Zeugenstand, an ihrer Seite einen Beistand vom Opferschutz „Weißer Ring“.
Finanziell habe ihr Mann für die Familie gesorgt, das sei wahr. Aber er habe sie immer wieder gedemütigt und geschlagen und sie eben auch sexuell missbraucht. Auch die Tochter erklärt, sie habe immer wieder blaue Flecken bei der Mutter wahrgenommen. Diese aber verwies auf Stürze und versuchte, mit Halstüchern die Würgemale am Hals vor ihren Kindern zu überdecken. 2014 war sie einmal ambulant und einmal stationär im Krankenhaus. Bei der stationären Aufnahme habe man dem Ehemann und Vater erklärt, sie wohne ein paar Tage bei ihrer Tochter, um den Krankenhausaufenthalt zu vertuschen. Mindestens da müssen auch die Ärzte einen Verdacht geschöpft haben, denn sie versorgten die Frau mit Kontaktdaten und Hilfsangeboten.
Im Juni 2015 kam es zur Anzeige der Ehefrau gegen ihren Mann. Im August 2015 hatte bereits ein Familiengericht den Unterhalt für die Noch-Ehefrau festgelegt und verfügt, dass sich der Noch-Ehemann seiner Frau nicht nähern darf.
Am Donnerstag, 22. September, ab 8.30 Uhr, soll das Urteil fallen. Gegen das Urteil ist eine Berufung möglich, die dann vor dem Landgericht in der nächsthöheren Instanz ausgetragen würde. Für alle Beteiligten bedeutet dies: Alles auf Anfang und alle Aussagen müssen wiederholt werden.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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