Das Bildungspaket und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010

Als das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2009 endlich die (erste) Überprüfung der Regelsätze für Erwachsene und Kinder zur Entscheidung annahm, reagierte die Politik übereifrig mit der Einführung eines Schulgeldes in Höhe von 100,00 €.
Die Bundesregierung hatte zuvor für allein stehende Erwachsene einen monatlichen Bedarf für Bildung in Höhe von 1,39 € ermittelt. Kinder erhielten je nach Alter nur einen Bruchteil davon zuerkannt. Davon sollten sowohl die schulischen Bedarfe, aber auch die darüber hinausgehenden Bildungsbedarfe, gedeckt werden.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvL 1/09) vom 09.02.2010 wurde der Bundesregierung unmissverständlich auferlegt:

„3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.“
BVerfG, Az.1 BvR 1/09

Für die Umsetzung der Rechtsprechung wurde eine Frist bis zum 31.12.2010 festgeschrieben.

Die Bedarfe der Kinder für Schule und Bildung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG und Gewährleistungsrecht in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu den existenznotwendigen Aufwendungen und sind daher durch einen monatlichen Festbetrag zu decken. Sie sind dem Grunde nach unverfügbar und müssen eingelöst werden.

Das Bildungspaket genügt dem Anspruch des BVerfG nicht.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales führte das ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH im Februar 2013 eine Telefonbefragung zum Bildungs- und Teilhabepakets durch. Das Ziel der Befragung war nicht etwa die Überprüfung der konkreten Umsetzung der Auflagen des Bundesverfassungsgerichts, sondern lediglich die “Informationslage der Leistungsberechtigten“, das „Inanspruchnahmeverhalten“ und die „Bewertung“ der Leistungen für Bildung und Teilhabe.

Befragt wurden Eltern aus 2.619 Haushalten, darunter 1.856 SGB II-Haushalte (70,9%), 462 Haushalte mit Bezug von Kinderzuschlag und/oder Wohngeld (17,6%) und 301 Haushalte von Sozialhilfebeziehern oder Asylbewerbern (11,5%).
Die tatsächliche Zahl der betroffenen Kinder . . . wird nicht benannt. Die Studie wechselt regelmäßig zwischen „Familien“ und „Leistungsberechtigten Kindern“, als ob diese Zahlen austauschbar wären. Die Ergebnisse sind irreführend.
Quelle: Dr. Helmut Apel, Dr. Dietrich Engels / Umfrage zur Inanspruchnahme der Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Umfrage

Nur ein Teil der Leistungen kommt bei den Kindern an

Inzwischen ist hinreichend bekannt geworden, dass ein Großteil der Leistungsberechtigten die Förderung nicht erhält. Vierzig Prozent der Fördermittel werden in der Verwaltung verbrannt. Und einige Gelder werden von Kreisen und Kommunen zur Sanierung maroder Haushalte zweckentfremdet.

Dies stellt eine offene Verachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dar.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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