Ex-Hartz-IV-Empfänger besiegte das Jobcenter

„Wegen eines formalen Fehlers des Jobcenters Kassel könnten sich viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger als unzulässig erweisen. So auch diese gegen den ehemaligen Hartz-IV-Empfänger Carsten Schöneweiß aus Kassel.“
hna.de

Wenn ein Leistungsberechtigter auch nur kleinste Fehler begeht, wird er von Jobcenter-Mitarbeitern unbarmherzig unter das Existenzminimum sanktioniert. Anders herum wälzen Jobcenter den eigenen Bockmist oft noch zusätzlich auf Betroffene ab.

Dieser Ungerechtigkeit ist das Sozialgericht Kassel nun in erster Instanz entgegengetreten und hat dem zuständigen Jobcenter eigene Regelverstöße in Form von Formfehlern vorgehalten.

In der zu entscheidenden Sache ging es um monatelange Total-Sanktionen wegen behaupteter unzureichender Bewerbungen. Einem 37-jährigen Erwerbslosen hatte die Behörde zur Auflage gemacht, sich jeden Monat zehnmal zu bewerben, aber nicht mitgeteilt, wie er die Bewerbungen bezahlen sollte. Der Regelsatz sieht überhaupt keine Bewerbungskosten vor.

Weil er nicht die geforderten zehn Bewerbungen pro Monat vorgelegt hatte, hatte das Jobcenter in den Jahren 2010 und 2011 für sieben Monate seine 524 Euro Hartz IV gestrichen. Das Sozialgericht Kassel urteilte kürzlich, dass dies unzulässig war, weil das Jobcenter selbst einen gravierenden Formfehler gemacht habe:
„Bei dem Detail handelt es sich um den Hinweis auf die Übernahme der Bewerbungskosten durch das Jobcenter. Dies müsse zwingend schriftlich in den sogenannten Eingliederungsvereinbarungen festgehalten sein, die die Behörde mit den Hilfeempfängern abschließt. Weil diese Klausel fehle, sei die gesamte Vereinbarung und damit auch die darin festgehaltenen Sanktionen bei Verstößen unzulässig, urteilten die Richter.“

Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig, weil das Jobcenter Berufung beim Landessozialgericht eingelegt hat.

Sanktionsklagen verjähren nicht

Es ist ein Skandal, dass die Gesetzgeber die Überprüfbarkeit der Leistungs- und Sanktions-Bescheide auf nur noch ein Jahr begrenzt hat (vorher waren es vier Jahre) und es ist eine noch größere Schande für den „Rechtsstaat“, dass die Nachzahlung des Existenzminimums nach erfolgreichen Prozessen dermaßen eng befristet ist, aber es macht durchaus Sinn die Rechtswidrigkeit von Sanktionen gerichtlich feststellen zu lassen.

Es kann derzeit noch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Schadensersatzansprüche gegen die Vollstrecker rechtswidriger Sanktionen in zivilrechtlichen Verfahren möglich gemacht werden.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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